CAPRICCIO
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Wiener Staatsoper
20. Juni 2013
Musikalische Neueinstudierung

Dirigent: Christoph Eschenbach

Gräfin - Renée Fleming
Graf - Bo Skovhus
Flamand - Michael Schade
Olivier - Markus Eiche
La Roche - Kurt Rydl
Clairon - Angelika Kirchschlager
Monsieur Taupe - Michael Roider
Italienische Sängerin - Iride Martinez
Italienischer Tenor - Benjamin Bruns
Junge Tänzerin - Josefine Tyler
Junger Tänzer - Samuel Colombet
Haushofmeister - Clemens Unterreiner
Acht Diener - Michael Wilder, Wolfram Igor Derntl, Martin Müller,
Johannes Gisser, Jens Musger, Oleg Zalytskiy, Burkhard Höft, Konrad Huber


Pausenlose Konversation

(Dominik Troger)

Am bislang heißesten Tag des Jahres traf man sich in der Wiener Staatsoper zur Konversation über das Verhältnis von Musik und Wort in der Oper: „Capriccio“ stand auf dem Programm. Es war innerhalb von fünf Jahren erst die zwölfte Aufführung dieser Inszenierung von Marco Arturo Marelli (Premiere 7. Juni 2008).

Das Werk zählt bekanntlich nicht zu den „Publikumsrennern“, der Abend, immerhin eine Musikalische Neueinstudierung, fand sogar im Abonnement statt. Zumindest in meiner Nachbarschaft wirkte das Publikum nicht gerade gefesselt, einige Besucher verließen vorzeitig die ohne Pause gute zweieinhalb Stunden dauernde Vorstellung – eine Dame quetschte sich just am Beginn des Intermezzos durch die Sitzreihe und an mir vorbei. Insofern hatte die Pause, die zumindest in der Premierenserie dem Publikum geboten wurde, doch einen entscheidenden Vorteil: das Finale konnte ungestörter stattfinden. (Natürlich, die Pause wurde damals kritisiert, aber sie hat augenscheinlich nicht nur Nachteile.)

Die Besetzung war zum Teil mit der Premierenserie ident – aber diese fünf Jahre sind nicht ganz spurlos an den Protagonisten vorübergegangen. Renée Fleming, Angelika Kirchschlager, Michael Schade und Bo Skovhus spielten sehr gut, wussten im Sinne des Stücks die Figuren – je nach Szene – mit der gebotenen Selbstironie oder emotionalen Begeisterung auszustatten. Aber stimmlich wurde schon nicht mehr so ganz aus dem Vollen geschöpft, was in Anbetracht des Konversationstons, dem sich das Stück befleissigt, aber nur punktuell deutlicher Durchschlug.

Bei Renée Fleming galt die besondere Aufmerksamkeit natürlich dem Finale – und da wurde ihr nobles Ringen um eine mögliche Liebesentscheidung stimmlich nicht mehr so silbern-leuchtkräftig konturiert wie ich es mir im Nachklang der Mondscheinmusik gewünscht hätte. Ihre Stimme klang an diesem Abend etwas rauer und ihre Schönheit verlagerte sich mehr in die innere Haltung der Figur, als dass sie süffig und in ohrschmeichlerischer Keuschheit emporgeschwebt wäre zu den elysischen Gefilden des Richard Strauss’schen Sopranhimmels. Aber in Wien hatte es an diesem Nachmittag über 34 Grad Celsius – und die dunstige Hitze wird zusammen mit überklimatisierten Räumen für SängerInnen-Kehlen kein Labsal gewesen sein.

Michael Schade hatte vor allem anfangs einige Mühe, seinem Tenor die gewohnte Geschmeidigkeit und lyrische Haltung abzuringen, klang mir da schon zu forciert und nasal. Angelika Kirchschlager steuerte ihren auch nicht mehr ganz so jugendfrischen Mezzo geschickt durch die Partie – ebenso Bo Skovhus (als Graf) seinen Bariton. Und so kam es, dass Markus Eiche bei seinem Hausdebüt als Olivier stimmlich auf mich den frischesten Eindruck machte, wenn er für die dichterische Kraft des Wortes Partei ergriff.

Für Kurt Rydl kam sein Hausdebüt als La Roche wohl schon ein paar Jährchen zu spät. Wie soll man diese Partie aber anlegen: mehr intellektuell oder mehr im Sinne eines pragmatischen Prinzipals, der sein Groschen zusammenzählen und -zusammenhalten kann? Rydl gab der Figur eine väterliche, sehr sympathische Note, und war mehr Pragmatiker als revolutionärer Erneuerer. Benjamin Bruns und Iride Martinez agierten als italienisches Sängerpaar darstellerisch pointiert. Durchaus mit der gewissen Doppelbödigkeit im Witz stattete Michael Roider die Figur des vergessenen Souffleurs aus.

Christoph Eschenbach, der an diesem Abend (und in bereits gesetztem Alter) sein Staatsoperndebüt feierte, verlegte sich weniger auf das Auskosten von Details, sondern schien mehr auf das Ganze zu zielen, was bei pausenlos gespielten zweieinhalb Stunden – und in Kooperation mit der die Handlung geschickt auflockernden Inszenierung von Marco Arturo Marelli – für einen doch recht kurzweiligen Abend und schwelgerische, klangschöne Momente sorgte.

Marellis szenische Umsetzung ist vielleicht optisch etwas kühl, spart in der Figurenzeichnung auch nicht an Ironie, hält das Stück aber in sinnvoller Bewegung. Blautöne, Spiegelwände, einige Requisiten, ein hübsches Ballett (Choreographie: Lukas Gaudernak), das fügt sich sehr gut zusammen und hat Geschmack. Marelli ist das Kunststück gelungen, dekorativ historisierend zu wirken, ohne dass man ihm deshalb vorwerfen könnte, die Inszenierung sei „verstaubt.“

Fazit: Als nächstes müsste die „Die schweigsame Frau“ an die Reihe kommen?!