CAPRICCIO
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Wiener Staatsoper
10. Juni 2008

Dirigent: Philippe Jordan

Inszenierung, Bühne und Licht:
Marco Arturo Marelli
Kostüme: Dagmar Niefind

Gräfin - Renée Fleming
Graf - Bo Skovhus
Flamand - Michael Schade
Olivier - Adrian Eröd
La Roche - Franz Hawlata
Clairon - Angelika Kirchschlager
Monsieur Taupe - Peter Jelosits
Italienische Sängerin - Jane Archibald
Italienischer Tenor - Cosmin Ifrim
Junge Tänzerin - Josefine Tyler
Junger Tänzer - Vladimir Snizek
Haushofmeister - Clemens Unterreiner
Acht Diener - Franz Gruber, Michael Wilder, Wolfram Igor Derntl,
Johannes Gisser, Hermann Thyringer, Jacek Krzyszkowski


Gelungene Konversation

(Dominik Troger)

Die zweite Aufführung von Capriccio bestätigte die vielen positiven Meinungen, die über die Premiere am letzten Samstag abgegeben wurden: Mit dieser Neuproduktion kann die Wiener Staatsoper musikalisch und szenisch reüssieren.

Capriccio vereinigt das sentimentale Augenzwinkern eines alten Komponisten mit einer ebenso augenzwinkernden Liebeserklärung an das Theater – und es koppelt die Frage nach dem künstlerischen Primat von „Wort“ oder „Musik“ in der Oper mit einer Liebesgeschichte, die ebenso offen bleibt, wie der kunstphilosophische Exkurs. Das klingt jetzt nicht allzu spannend – und das ist es an und für sich auch nicht. Ohne einen gewissen Bezug zur Kunstgattung „Oper“ und zum „Theater“ im allgemeinen, ohne Verständnis für diese restaurative Mischung aus Elfenbeinturm und biedermeierlichem Rokoko wird man mit Capriccio schwer glücklich werden.

Heutzutage hat man im allgemeinen ja wenig Verständnis für solche luxuriös ausgestalteten künstlerischen Eigenheime und es ist beliebt, sie aufzubrechen und ihre Erbauer nach allen Regeln der Kunst „vorzuführen“. Doppelt und dreifach dankbar muss man also Marco Arturo Marinelli sein, dass er diesen einfacheren Weg nicht gegangen sind, sondern versucht hat, für diese Opernpretiose einen würdigen Rahmen zu finden.

Das Ergebnis hatte nun wirklich viel von der leichtfüßigen, perlenden Belanglosigkeit einer Konversation an sich – die durch den gemäßigten Einsatz der Drehbühne ein räumlich passendes Äquivalent erhielt: rokokoartige Kostüme und Einrichtungsgegenstände, Spiegeleffekte, viel Raum und der blaue Bühnenboden, mischen sich zu einer inspirierenden zeitlosen Transparenz, in der sich die Handlungszeit des Stücks (Paris um 1775) ebenso zu Hause fühlt wie der Dichter und der Musiker an ihrem Arbeitsplatz mit Schreibmaschine (am Beginn und handlungsrahmend am Schluss der Aufführung, als dezente Erinnerung an die Entstehungszeit des Werkes).

Die Personenführung war angemessen und brachte die Charaktere gut heraus, manche Übertreibung war ein gutes Regulativ, um die Dualität von Wort und Musik aufzulockern und in die plastische Dreidimensionalität des Bühnenraums zu überführen. Nur zwei Punkte erregten einen gewissen Widerspruch, wie man in den Pausengesprächen heraushören konnte: eben diese Pause sowie der fallende Vorhang vor der letzten Szene, der der betörenden musikalischen Überleitung die optische, mondscheindurchflutete Ergänzung nahm. Meinerseits empfand allerdings weder das eine noch das andere als besonders störend, empfehlenswert wäre es allerdings, den Vorstellungsbeginn um eine halbe Stunde von 20.00 auf 19.30 vorzuverlegen, durch die Pause dauerte der Abend doch bis 22.45.

Für Philippe Jordan war das wahrscheinlich seine bisher beste Staatsoperproduktion. Er hat das angespannte Suchen abgelegt und zu einer kammermusikalisch inspirierten Deutung gefunden. Sie verband sich mit dem schwermütigen Touch des Streicherklanges zu einer geräumigen Fülle, so dass sich im regsamem Vortwärtsstreben dem Wort die musikalische Empfindung hinzugesellte. Gemüt und Verstand versöhnend, erhielt dermaßen die Konversation ihren emotionalen Körper, geriet das Finale zu einem wunderbaren Strauss’schen Abgesang und löschte der Schluss mit versöhnlichem Lächeln die schwelende Liebesfrage aus dem Herzen der Gräfin.

Diese Gräfin selbst, Renée Fleming, konnte erst im aussingenden Schluss ihre Vorzüge ausspielen, sowohl gesanglich als auch ihre Bühnenpräsenz betreffend. Ihrem Sopran fehlte ein wenig die Leichtigkeit, was sich auf die gesungene Konversation nicht so günstig auswirkte – hinzu traten Diktionsprobleme. Der silbrige Strauss-Klang schien mir insgesamt schon etwas abgeblättert und überreift. Ihre beiden Verehrer, Adrian Eröd und Michael Schade, zeigten für mich die herausragendsten Leistungen des Abends: Schade als glutvoller und doch auch wieder sensibler Komponist; Eröd nicht minder, wirkte durch seine figurengemäße Fähigkeit zum geschliffenen Wort allerdings um eine Spur „gefährlicher“.

Franz Hawlatas etwas trockener La Roche konnte mich weniger mitreißen. Er wirkte ein wenig papierern, sozusagen ein „Enzyclopädist des Theaters“. Bei Angelika Kirchschlager konnte man einmal mehr feststellen, dass Sänger heutzutage eine bessere Sprechtechnik besitzen als Schauspieler. Sie ist eine vollblütige Clairon und ganz in ihrem Metier und zählte mit dem zynisch angehauchten Bo Skovhus zur illustren Ergänzung dieses hochkarätigen Opernabends. Das italienische Sängerpaar, Cosim Ifrim und Jane Archibald, wusste ebenfalls zu überzeugen (Ifrim mit gewissen Einschränkungen in der Höhe). Auch bei den übrigen Mitwirkenden gab es keine Ausfälle, weder beim Souffleur (Peter Jelosits) noch bei den acht Dienern, die ihrer Freude über den freien Abend bestens einstudierten Ausdruck verliehen.

Die Aufführung fand viel Beifall und wurde eifrig beklatscht. Richard Strauss-Fans und allen, die es werden wollen, kann der Abend nur empfohlen werden.