ARIADNE AUF NAXOS
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Staatsoper
15. und 18.Oktober 2014

Dirigent: Christian Thielemann

Der Haushofmeister - Peter Matic
Ein Musiklehrer - Jochen Schmeckenbecher
Der Komponist - Sophie Koch
Der Tenor / Bacchus - Johan Botha
Ein Offizier - Oleg Zalytskiy
Ein Tanzmeister - Norbert Ernst
Perückenmacher - Wong Cheol Song
Lakai - Marcus Pelz
Zerbinetta - Daniela Fally
Die Primadonna / Ariadne - Soile Isokoski
Harlekin - Adam Plachetka
Scaramuccio - Carlos Osuna
Truffaldin - Jongmin Park
Brighella - Benjamin Bruns
Najade - Valentina Nafornita
Echo -
Olga Bezsmertna
Dryade - Rachel Frenkel


Kammermusikalische Raffinesse
(Dominik Troger)

Christian Thielemann dirigiert „Ariadne auf Naxos“ an der Wiener Staatsoper: ein kammermusikalischer Klangrausch, der süchtig macht. Von den fünf angesetzten Vorstellungen sind schon wieder drei vorüber, die dritte Vorstellung wurde im Radio übertragen.

Von der besonderen Zuneigung, die das philharmonische Staatsopernorchester und diesen Dirigenten verbindet, ist immer wieder die Rede. Und sie ist schon auf den ersten Blick ersichtlich, wenn Christian Thielemann entspannt am Dirigentenpult Platz nimmt und dann zu einem gemeinsamen Musizieren einlädt, das die kammermusikalische Raffinesse und die Fähigkeiten der einzelnen Orchestermitglieder erst so richtig anspornt. Da fächert sich diese Partitur auf zu einem detailliert gesponnenen Klangraum, klar und präzise artikuliert, die Farben mit einem schwermütigen, spätromantischen Schimmer fein abgedunkelt, in ihren Schattierungen so vielfältig, lieblich und zart oder mit burlesker Überraschung, das sich gleichsam ein Kaleidoskop aus Tönen zusammensetzt, aus vielen, fein nuancierten Elementen unterschiedlicher Leuchtkraft und Stärke. Die hohen solistischen Qualitäten der Orchestermitglieder wurden nicht nur in den Streichern (Thielemann hat beim Schlussvorhang am Samstag den Konzertmeister sogar vor den Vorhang gebeten), sondern beispielsweise auch in den vielen kleinen und oft so markant fließend aufperlenden Einwürfen der Klarinetten vergegenwärtigt, immer wieder aufgenommen, gleichsam sich selbst bestätigend und mit einem virtuosen Selbstverständnis vorgetragen, das die Tugenden eines Streichquartettabends pflegte. Die spielerische Präsenz des Orchesters war so stark, dass es einen förmlich in den Orchestergraben hineinzog – zeitweilig doch ein wenig auf Kosten der Sänger.

Denn der Konzertcharakter dieses epikureisch ausmusizierten Strauss war unverkennbar und zeigte auch in der deutlichen Abstufung der buffonesken Zerbinetta-Ebene von der „Oper“ keine sehr ausgeprägte Trennung. Wer vermutet hat, dass es Thielemann nicht darauf anlegen würde, die „Ariadne“-Partitur mit „neoklassizistischer Eloquenz“ zu realisieren, lag richtig. Die spielerische Ebene des Werks, die auf der wechselweisen Durchdringung von Scherz und Ernst beruht, mit Mozart’schem Esprit einen spätbarocken Handlungsrahmen Wienerischer Komödie „inszeniert“, wie er im Konversationston des Vorspiels präsent ist, wurde nur bedingt gepflegt – fand allerdings auch auf der Bühne und in der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf wenig Entsprechung.

Daraus resultierte eine gewisse „Breite“ des Vortrags, die aus der Bühnenaktion – beispielsweise in den Szenen mit der Komödiantentruppe – den Schwung nahm und ihre buffoneske Leichtigkeit und Verspieltheit nicht heraushob. Insofern blieb die musikalische Ironie und Doppelbödigkeit dieser Strauss-Hofmannsthalschen-„Koproduktion“ doch eher unentdeckt und die dramatische Komponente verwandelte sich zu einer Kammersymphonie mit Gesang. Freilich welcher Reichtum an Klang, welche Steigerungsmomente, welches üppige Aufschwelgen und Verebben im Finale, auch wenn es – wie schon in der zweiten Vorstellung, ein paar unverbesserliche Besucher gab, die in den Schluss hineinklatschten, nur weil der Vorhang schon zuging.

Der gesangliche Eindruck der – von mir gehörten – zweiten und dritten Vorstellung – war relativ einheitlich: ein grandioser Johan Botha, eine ausgezeichnete Daniela Fally und eine Ariadne, der der Monolog hörbar weniger gut lag, als das Finale in Bacchus Armen. An erster Stelle sei Johan Botha genannt, der nicht einmal beim „Weh! Bist du auch solch eine Zauberin?“ ins „Schwitzen“ kam, und die Zauberin mit solcher Fülle und Pracht aus der Gesanglinie emporhob, dass einem zuhörender Weise ganz warm ums Herz wurde. Botha ist in dieser Serie zum ersten Mal als Bacchus an der Staatsoper zu hören – das Theater an der Wien hatte hier die Nase vorne, mit einer „Ariadne“-Produktion im Jahr 2010. Bothas Tenor hat in den letzten Jahren einen dunkler schattierenden Métaliséeglanz hinzugewonnen, und sein Bacchus verband Strauss’sche Kantabilität mit reichlichen Atem- und Volumenreserven, dank derer er so manche Phrase sozusagen doppelt unterstrichen und mit wohldosierten „Trompetentönen“ in das Staatsopernrund „stellte“. Und was die Komik der Figur im Vorspiel anbelangt geizte Botha nicht mit tenoraler Selbstironie – vorzüglich in der Passage, in der er dem Perückenmacher die falsche Haarpracht „um die Ohren schmiss“.

Soile Isokoskis besitzt kein apollinisch helles Timbre, das der Ariadne nach meinem Geschmack recht gut anstehen würde, sondern ist etwas dunkler timbriert. Die Feinfühligkeit des Monologs, der vieler Nuancen bedarf, wurde dadurch etwas überdeckt, die Aufmerksamkeit mehr von der Orchesterbegleitung gefesselt, als von Ariadnes Nöten. Ihre Stärken konnte sie erst gegen Schluss ausspielen, wenn Ariadnes Herz neuer Liebe entgegenschlägt.

Edita Gruberova hat die Latte für die Zerbinetta sehr hoch gelegt – eine Vorgabe für Generationen. Daniela Fally bewegt sich jetzt schon seit einigen Jahren selbstbewusst und mit etwas leichterem Sopran in diesen „Fußstapfen“, und hinterlässt dabei einen sehr guten Eindruck. Fally gelingt es, aus der Figur einen Charakter zu machen, ein bisschen sinnlich, ein bisschen leichtlebig, ein bisschen „Wiener Madel“ – mit quirligen Koloraturen und sicherem Sopran, der im Finale der „Großmächtigen Prinzessin“ sogar noch ein Späßchen einlegen kann.

Um das Vorspiel war es gesanglich nicht so zwingend bestellt, Sophie Koch hatte in der Höhe mit dem Komponisten zu kämpfen – mehr als bei einer Aufführungsserie vor drei Jahren – zusätzlich dürften ihr die eher breiten Tempi auch nicht behagt haben. Darstellerisch war Koch mit passendem jugendlichem Elan unterwegs. Jochen Schmeckenbecher als Musiklehrer ist nur bedingt mein Fall, die Stimme ist eher hell, es fehlt mir die väterliche Note. Dieser Musiklehrer passt schon mehr in das Zeitalter der Künstleragenturen. Auch der Haushofmeister von Peter Matic ist mir schon zu sehr in der Moderne angesiedelt – dass er konsequent auf das kleine Wörtchen „sublim“ verzichtet, sagt eigentlich schon alles. Ich fand ihn in der dritten Vorstellung pointennäher als in der zweiten, warum er das „Feuerwerk“ nicht abbrennt, sondern mehr beiläufig erwähnt, erschließt sich mir nicht. In diesem Satz ist das „Feuerwerk“ die zentrale Aussage und verdient drei Rufzeichen: „Denn für Punkt neun Uhr ist ein Feuerwerk im Garten anbefohlen.“ Das Feuerwerk steht hier auch für den anzweifelbaren „Kunstsinn“ des Veranstalters und seiner Gäste. Norbert Ernst sang den Tanzmeister mit Witz, dem sich auch die Komödientruppe anschloss. Najade, Dryade, Echo rundeten mit nicht immer sehr feinfühligen Spitzentönen den Abend ab.

Der Dirigent wurde schon am Beginn der Vorstellung mit Bravorufen empfangen. Der starke Applaus am Mittwoch dauerte rund eine Viertelstunde lang, am Samstag habe ich vergessen, auf die Uhr zu schauen.