ARIADNE AUF NAXOS
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Staatsoper
29. Dezember 2012

Dirigent: Jeffrey Tate


Der Haushofmeister - Peter Matic
Ein Musiklehrer - Jochen Schmeckenbecher
Der Komponist - Christine Schäfer
Der Tenor / Bacchus - Stephen Gould
Ein Offizier - Daniel Lökös
Ein Tanzmeister - Norbert Ernst
Perückenmacher - Wolfram Igor Derntl
Lakai - Marcus Pelz
Zerbinetta - Daniela Fally
Die Primadonna / Ariadne - Krassimira Stoyanova
Harlekin - Adam Plachetka
Scaramuccio - Carlos Osuna
Truffaldin - Andreas Hörl
Brighella - Pavel Kolgatin
Najade - Valentina Nafornita
Echo - Margarita Gritskova
Dryade - Olga Bezsmertna


Ariadne auf Naxos, 4. Vorstellung der Neuproduktion
(Dominik Troger)

Bei der vierten Reprise der neuen Staatsopern-„Ariadne“ haben die Vorzüge dieser Neuproduktion die Nachteile überwogen. Ohne Premieren-Druck lief auf der Bühne das Geschehen deutlich flüssiger ab, wodurch vor allem das Vorspiel lebendiger wirkte als in der ersten Vorstellung.

Ob das auch mit Jeffrey Tate zu tun hatte, der am Pult stand, darüber ließe sich spekulieren. Tate dirigierte diese Aufführung geplanter Weise, um Franz Welser-Möst vor dem Neujahrskonzert zu entlasten. Nun hat Tate das Vorspiel nicht gerade mit viel Esprit angereichert, aber sein eher gemächlicherer Zugang ließ den Sängerinnen und Sängern womöglich mehr Raum, um dem hofmannstahl’schen Libretto mehr Lebendigkeit einzuhauchen. Bei Tate entfaltete sich insgesamt betrachtet eher die romantische Seele dieser Musik auf eine heute vielleicht schon leicht „altmodische“ Art, während es bei Welser-Möst straffer klingt, „moderner“.

Wenn man diese Premierenserie nach ihrem künstlerischen „Output“ bewerten sollte, dann wird man sich in einigen Jahren vor allem an Krassimira Stoyanovas Hausdebüt als Strauss-Sängerin erinnern. So vermittelte beispielsweise Ariadnes Monolog von den Tiefen des Totenreichs an bis zu den Spitzentönen des herbeigesehnten Hermes rauschhafte Todeslust, und Stoyanova kann das alles „wirklich“ singen und auch in der Höhe ohne Gefahr für den klaren Klang ihres Soprans noch „zulegen“. Ariadne singt sich hier in eine todeswütige Trance – eine der schönsten Stellen dieser Oper.

Leider führt der überraschende Auftritt der Komödianten mit den Tretrollern dazu, dass das Finale dieser Szene stark entwertet wird: Die zwangsläufig evozierten Lacher im Publikum zerstören die hochgespannte musikalische Erregung, so wie unpassendes Klatschen barbarisch eine gefühlvoll ausklingende Musik zerschneidet. Das ist schlecht gelöst – auch wenn die Idee mit den Rollern einigen humoristischen Reiz besitzt. Man müsste den Auftritt nur um ein paar Takte verzögern. An und für sich gibt die Musik deutlich vor, ab wann sich die Spaßmachertruppe bemerkbar machen darf.

Stephen Gould gelang es sehr gut, vom muskelprotzenden germanischen Helden zum südländischen „Weinkenner“ zu mutieren. Sein Siegfried-erprobter Bacchus besitzt eine heldentenorale Aura, die sich gegenüber der Strauss’schen Melodie allerdings etwas beharrlich zeigt, so wie ein Schiff, das ein wenig überladen ist, aber trotzdem noch ausreichend Wendigkeit und Manövrierfähigkeit besitzt.

Daniela Fally ist das weitere große Plus dieser Produktion. Sie vermag es in dieser Rolle authentisch zu wirken, eine Zerbinetta mit Comedia dell‘arte-Anstrich – und mit dem passenden Zungenschlag eines kecken wienerischen „Madels“. Ihre große Arie versieht sie mit spielerischer Koketterie, und sie kann diese spielerische Note bis zum Schluss durchhalten. Nur dann und wann spürt man, dass ihr Sopran jetzt an die Grenze gehen muss.

Peter Matic bietet als Haushofmeister ebenfalls sprachliche Authentik – aber ich habe mich wieder gefragt, warum er die Ankündigung des Herrn („Mein gnädiger Herr belieben das von ihm selbst genehmigte Programm umzustoßen ...“), die er den Künstlern kund tut, so prosaisch mitteilt. Die Pointe des „Feuerwerks" wird von ihm nicht herausgestrichen, da folgt ein Wort zu rasch auf das nächste. Die eigentliche „Witz" dieser Stelle liegt doch darin, dass der Termin eines banalen Feuerwerks die ganzen angeordneten Umstellungen diktiert – ein in Anbetracht des Kunstgenusses, den die Oper „Ariadne“ verheißt, geradezu blasphemisches Ansinnen! Matic scheint mir in der ganzen Szene den Haushofmeister mit zuviel selbstgefälligem Zynismus zu hinterlegen. Hofmannsthal hat der Figur sogar „Grandezza“ vorgeschrieben, aber auch „Ironie“. In der Kunst der humorvollen ironischen Übertreibung ist aber die ganze Produktion nicht geübt, die mehr auf berechneter (und etwas platter) Komik basiert als auf den humorvollen Zwischentönen, die das Hofmannsthal’sche Libretto bereitstellt. Man sieht das gut an den Grimassen, die Ariadne während der Oper als auf Zerbinetta eifersüchtige Primadonna abliefern muss. Da wurde zuviel mit dem Holzhammer gearbeitet.

Die Zwischentöne scheinen auch Jochen Schmeckenbecher nicht geboten, abgesehen davon, dass hier die Figur nicht wie der 30 Jahre ältere Lehrer des Komponisten gezeichnet wird. Gerade der Musiklehrer „sitzt aber zwischen den Stühlen“ und müsste als glaubhafter Vermittler agieren, der sich in beiden Welten zurechtfindet: in der elfenbeinernen Kunstwelt des Komponisten ebenso wie in den „Niederungen“ des städtischen Mäzenatentums und Opernbetriebs. Das könnte insgesamt schlüssiger gelöst sein, um die Unterschiede und Spannungen zwischen den Figuren des Vorspiels besser herauszustreichen.

Christine Schäfers Komponist wirkte an diesem Abend präsenter. Im Finale des Vorspiels ging die Stimme aber wieder in einigen tiefer gelegenen Passagen im Orchester unter. Das Timbre ihres Soprans ist mir persönlich für diese Rolle schon zu abgeklärt.

Zum Bühnenbild ist noch anzumerken, dass es natürlich Erinnerungen an die „Sonnambula“-Produktion der Staatsoper weckt: das kaputte Klavier auf Schnee gebettet im „Sanatorium“ – hier bildet passender Weise Sand den Untergrund. Wenn es das Ziel der Staatsoper gewesen sein sollte, eine unbedenklich repertoirefähige Produktion durch eine andere mit etwas „modernerer Ästhetik“ zu ersetzen, dann ist dieses Unterfangen gelungen. Wenn man daran den Kunstanspruch des Hauses ablesen wollte, dann wäre das allerdings eine etwas magere Ausbeute.

Das Haus war voll – der Stehplatz bis zur Pause auch – und befand sich fest in der Hand von Wien-Urlaubern, die dem Applaus nach zu schließen mit dem Abend sehr zufrieden waren.