ARIADNE AUF NAXOS
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Theater an der Wien Dirigent: Bertrand de Billy Inszenierung: Harry Kupfer |
Der Haushofmeister - Michael
Maertens |
„Alles
nur Satire“ Regiealtmeister Harry Kupfer und der Bacchus von Johan Botha prägten die Neuproduktion von „Ariadne auf Naxos“ im Theater an der Wien. Harry Kupfer nahm sich in übertragenem Sinne die Anordnung des „reichsten Mannes von Wien“ zu Herzen und verschmolz „Vorspiel“ und „Oper“ zu einer einzigen pausenlosen Aufführung. Während diese „Anordnung“ für das Vorspiel kaum Auswirkungen zeitigte, musste sich der Charakter „Oper“ dadurch fast zwangsläufig verändern. Der Regisseur brachte die Gäste des reichsten Mannes als Zuschauer auf die Bühne, er ließ den Komponisten der Aufführung seines Werkes beiwohnen, die im Vorspiel gezeigten privaten Charaktere des künstlerischen Personals blieben in einem höherem Maße als gewohnt für die jeweilige Bühnenfigur bestimmend. Am deutlichsten trat dieser Effekt bei der Zeichnung des Bacchus zu Tage. Kupfer machte aus Bacchus eine Art Luciano Pavarotti-Parodie, einen „Konzertsänger“, der viel sitzt, zu den „Arien“ aufsteht, und der mit einem weißen Taschentuch sein Gesicht betupft. Der Nachteil eines solchen Konzeptes liegt auf der Hand: die Gegensätze der „Oper“ – die Ariadne-Handlung beziehungsweise die Komödie von Zerbinettas-Truppe – werden aufgeweicht, die Kontraste verwischen sich. Vor allem zu Beginn der „Oper“ bezog Kupfer stark die „Gäste“ des reichsten Mannes ins Spiel mit ein. Sie wirkten greisenhaft, mit hohen grauen Perücken ausgestattet, sitzend in roten Fauteuils, blasiert oder interessiert in den Orchestergraben lugend, später sogar mit flotten Tanzschritten unterwegs, wenn die Zerbinetta-Truppe Stimmung machte – die Oper als Ergotherapie? Indem Kupfer über weite Strecken die „Oper“ ironisiert, macht er es einen schwer, an diese auch zu glauben. So konnte man fast den Eindruck gewinnen, die Sängerin der Ariadne langweile sich dabei, „Ariadne“ zu singen: Vielleicht angeekelt von diesem greisen Geldadel, der Kunst nur als billige Unterhaltung pflegt zwischen Abendessen und Feuerwerk? Schließlich erhält als Schlusspunkt der Komponist sogar seinen Lohn. Der Musiklehrer überbringt die Moneten. Der reichste Mann hat die „Oper“ bezahlt, er hat die Bedingungen für die Aufführung vorgegeben und dabei seinen schlechten Geschmack bewiesen. Dem Komponisten fällt das Geld aus der Hand – er ist wohl schockiert über soviel Lebenserfahrung, wie sie ihm soeben die Aufführung seines Werkes „Ariadne auf Naxos“ beschert hat. Das romantische Glitzern der ewigen Sterne zum Finale kann man sich als Zuseher gleich wieder abschminken. Zum Glück weiß Kupfer – einigen Plattheiten seiner Gesellschaftskritik zum Trotz – wie man den Bogen nicht überspannt. Und diese Gabe, die ihn gegenüber vieler seiner jüngeren Kolleginnen und Kollegen auszeichnet, führte immerhin dazu, dass er die oft zu stark ablenkende Rahmenhandlung und Interaktion mit den „Gästen“ mit Fortschreiten der „Oper“ zunehmend reduziert hat. Schließlich gelang ihm noch ein magischer Bühnenmoment mit dem „Auftritt“ des Space Shuttles, das die Sternenmetapher des Schlusses wirkungsvoll beschwor. (Die Party des reichsten Mannes von Wien findet hier in einem Flugzeughangar statt.) Ariadne wird final von Harlekin in das Shuttle gehievt, Bacchus bleibt zurück und singt seine Schlussworte frontal ins Publikum. Dann muss er vor anstürmenden weiblichen Fans von der Bühne flüchten. Die „Satire“ behält in jedem Fall die Oberhand. Bacchus hat also gar nichts mit Ariadne? Kupfer hat die sich im „Vorspiel“ entwickelnden Flirts weitergesponnen. Bei ihm gewinnt Ariadne Harlekin und der Tenor entwickelt eine gewisse Affinität zu Zerbinetta. Ariadne und Bacchus bleiben sich hingegen fern. Bacchus wird von Harlekin als Liebhaber gedoubelt – und das funktionierte überraschend gut. Aber in Summe muss festgehalten werden, dass die „Ariadne“-Handlung mit ihrer Gefühlstiefe durch Harry Kupfers Sichtweise stark entwertet wurde: Sie wirkte wie vom reichen Kapitalisten „erkauft“. Man mag daran erkennen, wie schlüssig und konsequent der Regisseur gearbeitet hat – ob man das Resultat goutiert, steht auf einem anderen Blatt. Der musikalische Erfolg des Abends blieb fragwürdig. Wenn man „Ariadne“-Aufführungen von der Staatsoper im Ohr hat, dann haben sich schon durch das ruppige Spiel des RSO Wien unter Bertrand de Billy einige unangenehme Reibeflächen ergeben. De Billy hat sich an diesem Abend – für meinen Geschmack – nicht unbedingt als Strauss-Dirigent empfohlen. Das war zu spröde vom Klang, zu sehr auf die „Satire“ abgestimmt. Die geschmeidige Sinnlichkeit des Strauss’sche Melos kam kaum ins Schwingen, der Kunst, mit einem kleinen Orchester in symphonische Sphären abzuheben, im Finale aufblühend Liebe und Sterne zu beschwören, wurde nicht gepflogen. An Sinnlichkeit ermangelte es meiner Meinung nach auch der Ariadne von Anne Schwanewilms. Ihr Sopran kam kaum ins Schwelgen, das klang nüchtern, phasenweise fast schon gelangweilt im Ausloten ihrer Todes- und Liebeswünsche. Diese Aridane hat möglicherweise schon zu viel Wagner gesungen, mit zu harter, greller Höhe und schon vor längerer Zeit ihre schwarmhafte Mädchenhaftigkeit abgestreift. Mag sein, dass Schwanewilms mit dieser kühleren Art besser in das Regiekonzept passte, ich persönlich war davon nicht sehr angetan. Die Zerbinetta der Mari Eriksmoen muss in Anbetracht des jungen Alters der Sängerin und der noch kaum vorhandenen internationalen Karriere als beachtliche Talentprobe gewertet werden. Leider hat Kupfer aus der Rolle eine blonde Tussi gemacht und keine Commedia dell‘Arte-Figur, aber Eriksmoen zeigte eine überraschend starke Bühnenpräsenz, natürliches Spiel und wirkte überaus sympathisch. Die durchaus passend ins soubrettenfach spielende Stimme ist in der gut ausgebildeten Höhe tragfähiger als in der Mittellage, klingt aber insgesamt etwas zart besaitet und eher leise. Dass ihr das Koloraturenwerk in Zerbinettas Prunkstück („Großmächtige Prinzessin“) noch nicht so „spielerisch“ über die Lippen kam, spricht nicht gegen sie. Hoffentlich behält sie nach diesem Erfolg die Planungshoheit über ihre Stimmentwicklung. Johan Botha ist ein idealer Bacchus – und bot die beeindruckendste sängerische Leistung des Abends. Mag sein, dass seine Erkrankung vom Beginn der Saison, die zur Absage zweier „Tannhäuser“-Vorstellungen geführt hat, in einigen wenigen Momenten noch spürbar war; zudem sorgte das Überspringen einer Textzeile für eine Schrecksekunde. Aber für diese Straussphrasen mit hoher Tessitura findet er gestalterische Räume und stimmliche Ressourcen, wie derzeit kaum ein anderer Sänger. Botha sang den Bacchus mit raumsprengender Energie und strahlendem Tenor. Kupfer hat ihn zudem geschickt in seine Inszenierung eingebunden – und ihm Humor und „tenorales Gewicht“ verliehen. Heidi Brunner sang einen leidenschaftlichen Komponisten, geplagt von einem diktionsstarken Haushofmeister (Michael Maertens), der mit barocker Eloquenz die Wünsche seines Herren vortrug. Mehr oder weniger solide zeigte sich das übrige Ensemble, dem freilich die extravaganten Charaktere deutlich abgingen. Ein einziger Buhruf gleich nach dem Verklingen des letzten Tones erwies sich vielleicht als „Stimmungskiller“. Es folgten ihm aber keine weiteren nach. Für Regie und Ausführende gab es nur viele Bravorufe und Applaus. Der Beifall erreichte aber keine „epische Länge“. |