„Arabella-Wiederaufnahme“
(Dominik Troger)
Nach
sechs Jahren gibt „Arabella“ wieder ein kurzes Gastspiel an der Wiener
Staatsoper: vier Vorstellungen in eineinhalb Wochen. Und die
Christian-Thielemann-Fans haben ihren Osterurlaub nach Wien verlegt.
Seit
2006 liegt das „Arabella“-Wien der Staatsoper nicht mehr an der Donau,
sondern an irgendeinem deutschen Gewässer, dafür hat die Inszenierung
von Sven-Eric Bechtolf gesorgt, der Fasching mit Karneval verwechselt
und die Handlung in die Zwischenkriegszeit verlegt hat. Christian
Thielemann wurde auch nicht an der Donau, sondern an der Spree
sozialisiert, also würde sich das schon zusammenreimen. (Da hatte es
Richard Strauss leichter, die Münchner Isar mündet immerhin in die
Donau – aber das soll zu keiner limnologischen Fachvorlesung ausarten.)
Das eigentlich „Wienerische“ in der „Arabella“ zeigt sich ohnehin in
der Partie des spielsüchtigen Rittmeisters, in dem für Hugo von
Hofmannsthal, so könnte man meinen, ein wenig die „Verlotterung“ der
ersten Republik im Vergleich zur einstigen Monarchie durchschimmert.
Die Rettung kommt von einem slawonischen Edelmenschen, der mit Bären
ringt, und dem die Reise in dieses Wien ein Stück Eichwald (und somit
seiner Seele!) kostet. Aber Hofmannsthals rückwärtsgewandte Fiktion
eines „tugendhaften“, völkerverbindenden Großreiches war schon lange
vor der Uraufführung schwer ins Wanken geraten – und er selbst vier
Jahre vor selbiger verstorben.
Christian Thielemanns
Sicht der Dinge pflegte ein „symphonisches Parlando“, das bei aller
Liebe zum Detail ein doch eher getragenes Tempo anschlug und mit
„funkensprühendem Witz“ etwas sparte. Das Duett zwischen Arabella und
Zdenka im ersten Aufzug avancierte planmäßig zum erstem Höhepunkt – und
der „Richtige“ wurde auf ein fast kammermusikalisches Schwelgen
„gebettet“. Der erste Aufzug benötigte trotzdem viel „Aufwärmzeit“,
erst mit der Ausgestaltung des Seelendramas gewannen der zweite und der
dritte Aufzug an Energie, mit dem dicht gewobenen und
leidenschaftlichen Zwischenspiel als „symphonischem“ Kulminationspunkt.
Und natürlich umhüllte das Staatsopernorchester die Liebesgefühle
Arabellas mit einem weichen Streicherkleid und der Klang firnte
funkelnd auf wie Märzschnee.
Camilla Nylund hat ihre
erste Wiener Arabella bereits 2011 gesungen – und es dauerte ein wenig,
bis sich ihre Stimme die „Mädchenhaftigkeit“ von Arabellas Wesen
zurückerobert hatte. Ist Nylunds Karriere inzwischen nicht bei der
Brünnhilde angelangt? Trotzdem ist es ihrer Stimme nach wie vor
gegeben, geschmackvoll in der Straussschen Melodie zu wandeln. Und trug
ihr Sopran nicht von je diesen silbrig-eleganten „Verklärungsschimmer“
mit sich, der für diese Rolle prädestiniert? Dass sich ihr Wiener
„Madl“ insgesamt etwas abgeklärt zeigte und nicht gerade den Schwung
der Schellen vermittelte, mit denen Elemer zur Schlittenfahrt einlädt,
war jetzt auch nicht überraschend. Eine leichte nordische Kühle in der
Ausstrahlung zeigte ihre Arabella bereits damals bei ihrem Wiener
Rollendebüt, gepaart mit einer Ernsthaftigkeit, die zurecht an
Hofmannsthalsche Tugendideale mahnt.
Beim Mandryka stellt man sich immer die (nicht ganz ernst gemeinte) Frage, ob er einen Kampf mit einer Bärin aushalten würde. Michael Volle schöpfte
stellenweise aus dem „Vollen“ seines Baritons, Wagner geeicht, wenn
auch von Slawonien in die Wiener Gesellschaft transferiert, ein im
dramatischen Impetus animierender, wenn auch kein übermäßig
„charmierender“ Brautwerber. Stimmlich fehlte vielleicht ein wenig die
große Linie zwischen diesem mächtigen „Poltern“ und dem schüchternem
Liebeswerben, auch wenn Volle anzumerken war, dass er die Naivität
dieses Landmenschen zum Ausdruck bringen wollte. Sehr stark gelang dann
der dritte Aufzug, wo Arabella und Mandryka längst aus der „Farce“ des
Plots herausgewachsen sind, und sich menschlich anzunähern beginnen,
was Richard Strauss dann auch musikalisch so schön herausgebracht hat
und wo auch Thielemann und das Orchester ganz in ihrem Element waren.
Für den intendierten Humor hat vor allem Wolfgang Bankl
als Graf gesorgt, der die Figur in knapp zwanzig Jahren über 40mal an
der Staatsoper verkörpert hat – und der diese charakterlich etwas
zwiespältige Persönlichkeit auch dieses Mal wieder mit fester Kontur
auf die Bühne stellte. Bankl trifft noch den richtigen Tonfall
für diese von Strauss gleichsam in Musik konservierte „Type“ einer
Epoche, für deren Nuancen die Bechtolfsche Regie leider kein Gespür
zeigt.
Sabine Devieilhe hätte
man nicht unbedingt als Zdenka erwartet. Koloratursopran, Zerbinetta
geeicht, Barockopernerfahrung, immerhin vor einigen Jahren Octavian in
Zürich, letztes Jahr an der Scala – ihrem Rollendebüt war anzuhören, dass ihre Stimme für die Zdenka doch recht leichtgewichtig ist. Michael Laurenz
war ein viel zu markant klingender Matteo, mehr Charaktertenor als
lyrisch-heroischer Prachtkerl. Passend die Frau Rittmeisterin (Margaret Plummer) samt ihrem Kartenorakel (Stephanie Maitland); Ilia Staple,
seit dieser Saison neu im Staatsopernensemble hat nach ihrer
erfrischenden Papagena in der „Zauberflöten“-Premiere auch als
Fiakermilli „aufgezeigt“; solide die Verehrer (Norbert Ernst mit etwas gestrengem Tenor).
Nach der Vorstellung gab es den erwarteten starken Beifall: rund zwölf
Minuten Schlussapplaus sind für heutige Zeiten schon eine ganze
Menge.