ARABELLA
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Wiener Staatsoper Dirigent: Franz Welser-Möst |
Graf Waldner - Wolfgang
Bankl |
Die „Arabella“-Premiere an der Staatsoper blieb nicht ohne musikalische Höhepunkte – ein exzellentes Buffo-Paar heimste den meisten Jubel ein. Die Inszenierung verlegte die Handlungszeit des Werkes (um 1860) in seine Entstehungszeit – und setzte außer diesem Zeitsprung um knapp 70 Jahre kaum Akzente. Dass Zdenka und Matteo den heftigsten Applaus bekamen, hatte viel für sich. Genia Kühmeier folgte mit jugendlicher Stimme den Strauss’schen Melodien. Sie klang in keiner Note überfordert, ihr silberhell klingendes Timbre lässt den Gesang jugendlich erblühen – und ist zugleich um einen Kern gepackt, der ihm eine feste Basis gibt. Zdenkas charakterliche Beharrlichkeit in der Aufopferung ihrer Liebe (und ihre Verzweiflungstat), fanden hier eine gar nicht operettenhaft wirkende, sondern schon dezent ins dramatische spielende Umsetzung. Michael Schade hob ebenso rigoros und liebesringend zu sängerischen Höhenflügen ab, trotz jüngst erlittenem Beinbruch. So wie er sich über diese Beeinträchtigung hinwegsetzte, meisterte er auch die tenoralen Tücken, die Meister Strauss in die Partie des Matteo verwoben hat. Das eigentliche Paar, um das sich die Story dreht, hat weniger überzeugend auf mich gewirkt. Vor allem Thomas Hampson verfehlte, so mein Eindruck, als Mandryka den südslawischen Großgrundbesitzererben deutlich. Womöglich war er nicht bestens disponiert? Die Stimme ohne Fundament, schlug er sich tapfer und ziemlich uneinheitlich durch den Abend. Seine eigenartige Vokalgebung schien darauf angelegt, das Wienerische zu imitieren – vielleicht eine psychologische Nuance, an der man die menschliche Schwäche eines slavonischen Zugereisten in der Kaiserstadt erkennen könnte? Mandryka musste sich außerdem der Tatsache stellen, dass die Inszenierung ihn zur unbestimmten, fremdartigen Spezies erklärt – Slavonien wurde offenbar schon in der 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts globalisiert. Schwer ist im dunklen Anzug noch der Reiz des Landmenschen auszumachen, der Inhaber einer herrschaftlich-bärbeißigen, aber gutgläubig-naiven und unverdorbenen Seele. Es wurde zum allgemeinen scherzhaften Rätselraten in der Pause, wie sich dieser Mandryka auf Bärenjagd wohl angestellt haben mag. Damit bricht an einem entscheidenden Punkt das Regiekonzept von Sven-Eric Bechtolf ein, der in einem Interview davon schwärmte, in Mandryka hätten Hofmannsthal und Strauss den „edlen Wilden des Rokoko“ wiederbelebt, um ihn gegen die verderbten Sitten ihrer Zeit ins Feld zu führen: Hampson ist zwar edel, aber „Bauer“ und „Wilder“? Adrianne Pieczonkas Arabella war mir zu melancholisch und erwachsen. Ihr Timbre klang gereift, dunkler. Mir fehlten die sorgloseren Töne, die wie ein fröhliches Lachen mit natürlicher, mädchenhafter Helle durch den Ballsaal hallen: zu deutlich und von Beginn an lebte diese Arabella ein ernsthaft gezeigtes „Leiden“, zu wenig mit jener schwärmerischen Komponente versetzt , die sich dann am Erlebnis mit Mandryka schnell domestiziert. Dazu gesellten sich ein unvorteilhaftes Kostüm im zweiten und dritten Akt und der jeden Wienerischen Charme vertreibende Fauxpas, Arabella in ein zwielichtiges Varieté zu schicken anstatt auf einen standesgemäßen Ball mit Walzerseligkeit. Zudem wirkte die Stimme auf mich leicht beengt, zu kontrolliert und mit sich selbst beschäftigt, um ganz in der dargestellten Figur aufzugehen. Wolfgang Bankl sang einen präsenten Rittmeister, aber in der Pointensetzung liegt noch viel Potential. Es fiel auf, dass das von Hofmannsthal so deutlich angesprochene wienerisch-komödiantische Element viel schwerfälliger umgesetzt wurde, als in Vorstellungen vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren. Offenbar haben Produzenten, Ausübende und wohl auch ein bedeutender Teil des Publikums kein Gespür mehr dafür. Dabei ist diese typische Figur des herabgekommen Rittmeisters, die in ihrer Verlottertheit immer noch das Ehrgefühl eines habsburgischen Militärethos vertritt, bestens dazu geeignet, die Doppelbödigkeit und den sprichwörtlichen Wiener Schmäh zu zelebrieren – falls man überhaupt weiß, dass es soetwas gibt? Dieser Vorwurf trifft nicht Bankl, sondern Bechtolf, der den Grafen in langen Unterhosen auf die Bühne setzt und mit läppischen Gags konfrontiert. Daniela Denschlag musste eine etwas nymphomanische Rittmeistersgattin mimen – auch hier fehlte der Regie wieder jedes Gefühl für Hofmannsthalsche Nuancen. Daniela Fally sang eine resche Fiakermilli – mit gezeigtem Spagat im vorzüglich präsentierten, solistischen Koloraturjodler. Die hats faustdick hinter den Ohren (und in der wie geschmiert Töne produzierenden Kehle...) Nur mehr peinlich war Arabellas Verehrertrio ausstaffiert – man sollte wirklich nicht davor zurückscheuen, das auszusprechen – Adrian Eröd (Graf Dominik) wurde zu einem brillentragenden, schüchternen, hitlerbärtigen Subjekt degradiert, Lamoral und Elemer ebenfalls überdeutlich mit der Dekadenz der Nachkriegsjahre infiziert. Schwer zu glauben, dass Herr und Frau Waldner ihrer Tochter den Umgang mit solchen Typen gestattet hätten – trotz ihrer schwierigen finanziellen Lage! Denn das ist der Punkt: Bechtolf sieht die Sachlage viel zu ernst (oder typisch „deutsch“ könnte man sagen). „Ich stelle mir da so eine Dostojefskische Spielerfamilie vor, die von Casino zu Casino reist“, hat er in einem Interview (nachzulesen im Staatsopernprogrammheft) angemerkt. Ein interessanter Querverweis, aber so ganz ohne Kömodie und jener „Operettenrührung“, für die auch Strauss in der Partitur reichlich sorgt. Für eine präsente wienerisch-österreichische Note sorgte zum Glück der Orchestergraben, wobei Franz Welser-Möst – wahrscheinlich aus Rücksichtnahme auf die Sänger – dezenter schwelgte und den Klang, mehr modern und sachlich, nicht zu romantischen Breitwandgemälden aufdonnerte. Mit viel Feingefühl, sehr differenziertem Spiel und nuanciertem Streicherklang adelte das Orchester die Vorstellung. Die Grundausrichtung wirkte dabei mehr symphonisch, nicht ursächlich dramatisch, trotz phasenweise flotterer Tempi. Gewisse Spannungsbrüche ergaben sich deshalb, so mein Empfinden, fast zwangsläufig – denn bei aller Liebe zu Werk, es zählt sicher nicht zu besten der Strauss‘- und Hofmannsthal’schen Koproduktion. Abschließend noch zur Regie: einige Einwände wurden bereits vorgebracht. Grundsätzlich scheint Sven-Eric Bechtolfs Ansatz, das Werk in seiner Entstehungszeit spielen zu lassen und nicht in den 1860er-Jahren, überlegenswert. Folgt man Bechtolf, dann hätten sich Strauss und Hofmannsthal mit der „Arabella“ künstlerisch gegen die „Entsittlichung“ der 20er-Jahre gerichtet, Mandryka und Arabella würden zu einem „wertbeständigen“ Gegenpol dieser Zeit. Zitat Bechtolf: „Der Rosenkavalier ist die Trauer um etwas, was vergangen ist, Arabella ist die Furcht vor etwas, das kommt.“ Doch genügt es dafür schon, nur die Dekorationen und die Kostüme auszutauschen? Bechtolf unterschätzt bei seinem Bemühen um Sozialkritik, das starke restaurative Element der Arabella-Handlung und ihre Verankerung im Wiener Milieu, das sich mit Vehemenz solchen Bestrebungen entgegensetzt. Hofmannsthal hat die Psychologie seiner Figuren fest in der gesellschaftliche Konvention der Habsburger Monarchie verankert und verortet, es ist schwer, sie dieser Konvention zu entkleiden, ohne ihnen gleich ihre Seele und damit ihre Glaubwürdigkeit auszutreiben (siehe Mandryka). Vielleicht hatte Bechtolf die Sorge, die Konvention könnte über dem Eigenleben der Figuren siegen – aber läge es nicht an ihm, den Figuren trotzdem Leben einzuhauchen? In der gewählten Form sind jedenfalls der Stilbruch und die Ungereimtheiten mit dem Libretto zu deutlich, als dass man sie so ohne weiteres akzeptieren könnte. (Und Strauss hat im zweiten Akt für einen Wiener Ball komponiert und für kein Karnevals-Varieté.) Dass es trotzdem nur einen(?) kaum hörbaren Buhrufe für die Regie gab, liegt wohl daran: dass allzudeutliche Provokationen nicht auszumachen waren. Die Publikumsreaktion: offenbar ein ziemlich durchschlagender Erfolg!? |