LUCI MIE TRADITRICI
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Museumsquartier
16. Mai 2015

Musikalische Leitung:
Emilio Pomàrico

Inszenierung, Bühne, Kostüme, Konzeption, Video, Licht: Achim Freyer

Klangforum Wien

Il Malaspina - Otto Katzameier
La Malaspina - Anna Radziejewska
L’Ospite - Kai Wessel
Il Servo - Simon Jaunin

 


„Gelungener Festwochenstart
(Dominik Troger)

Das Musiktheater-Programm der Wiener Festwochen begann im Museumsquartier mit Salvatore Sciarrinos 1998 uraufgeführtem „Luci mie traditrici“. Die Oper, die das mörderische Eifersuchts- und Ehrendrama des Carlo Gesualdo zum Inhalt hat, vermochte auch in der „Bebilderung“ durch Achim Freyer zu überzeugen.

Der Abend begann mit einer „szenischen Installation“ – oder wie man das nennen möchte – von Achim Freyer: Sie trug den programmatischen Titel: „Tag aus Nacht ein“. Freyer fügte wie bei einem Diavortrag eine Reihe von „gestellten Bildern“ hintereinander, die schon auf den Kriminalfall des Komponisten Gesualdo Bezug nehmen sollten: ein weißer „Tisch“ (oder gar ein Bett?), auf dem mal eine Axt liegt oder eine kaputtes Schaukelpferd oder was auch immer, um den ins clowneske verzerrte Figuren drapiert werden, nie in Bewegung, immer nur als Bild. Und nach jeder kurzen „Nacht“ tauchen die Figuren woanders auf, manchmal fast akrobatisch, dann wieder halb verdeckt. Das ganze läuft ohne Musik ab, es gibt aber eingangs und ausgangs reichlich Grillengezirpe, Erinnerung an die liebelärmenden Insekten heißer südlicher Nächte. Wirklich „zwingend“ waren diese Freyer’schen „Charaden“ nicht.

Freyer ließ das Geschehen der darauf folgenden „Oper“ auf Plattformen im Bühnenraum ablaufen, wobei die Figuren wie Puppen seltsam verfremdet, die Gräfin etwa mit langen Brüsten, statisch verharrten, gleichsam frei im Raum schwebend, illusionistisch überzeichnet. Über die ganze Bühne war eine Projektionsfläche gelegt, über die einmal Falter flatterten oder einmal jede Menge an Fliegen wuselten, so als röchen sie schon gierig das verwesende Fleisch der Gemeuchelten. Das einmal mehr hervorragend disponierte Klangforum Wien saß ganz tief auf der Bühne, mit totenkopfähnlichen Masken verfremdet, gleichsam die Unterwelt vorstellend. Dirigent Emilio Pomàrico stand dort, wo sich bei einer konventionellen Theateraufführung in etwa der Souffleurkasten befinden würde. So nützte Freyer den ganzen Raum der Bühne aus, vor allem in der Höhe, um einen Seelenraum zu schaffen, eher dunkel gehalten, da und dort einmal Farbflecken einstreuend, ein szenisches Gemälde, das Sciarrinos leise Musik, das Flageolettflirren der Violinen, das Atmen der Flöten sinneverschmelzend anreicherte.

Auch wenn „Luci mie traditrici“ einen Kriminalfall zum Inhalt hat – Carlo Gesualdo ermordete 1590 eifersuchtgetrieben seine Frau und ihren Geliebten – ist es eine Oper zum Zuhören, ein Tonraum, in dem das Geschehen transzendiert, so als erinnerten sich die leidenden Seelen der an dieser Dreiecksgeschichte beteiligten Menschen, so als wäre das ihre Hölle, von der sie nicht loskommen – und das Flirren der Violinen und das Atmen der Flöten nagt an ihnen, bohrt sich durch ihre ätherische Hüllen mit einer hypnotisierenden Kraft und macht sie leiden. Dabei beginnt alles romantisch, und man meint sich in einen von sommerlichen Geräuschen durchwehten Schlossgarten versetzt. Aber die Gräfin sticht sich an einer Rose und wird dieses Blut nicht mehr los.

Das Stück besteht aus zwei Akten und drei Zwischenmusiken. Der Fortgang der Handlung ist im Wechsel der Tageszeiten eingebettet: vom Liebesmorgen bis zur Todesnacht. Die Symbolik des stechenden Dorns vom Beginn und des mordenden Dolchs im Finale rundet das Geschehen wie ein Sonett. Drei Zwischenspiele gliedern außerdem die Handlung. Die Sänger scheinen sich entfernt noch an einen alten Gesangstil zu erinnern, die Gräfin in der Liebe sogar ein wenig verziert. Doch die Sprache wird wie die Musik auf das wesentliche verkürzt, Silben bewusst fortgelassen, ein Stammeln im Glück und im Unglück, das in unsere Gegenwart wie aus fernen Zeiten heraufmurmelt – wie ein von Spinnweben überzogenes Renaissancegemälde.

Wie ich schon anlässlich einer konzertanten Aufführung im Theater an der Wien im Jahr 2008 feststellte, wird das Publikum stark in dieses Werk hineingezogen, ist kaum unruhig, hustet wenig. Nur als das Softwaremenü des Regiepultes kurz einmal riesig auf die Bühne projiziert wurde, gab es Amüsement.

Die Umsetzung durch die Mitwirkenden war hochkarätig, alle Beteiligten vom Klangforum bis zu den Mitwirkenden auf der Bühne erfahrene Sciarrino-Spezialisten: Anna Radziejewska steuerte mit klangschöner Nuancierungsgabe durch diesen feingespinstigen Klangkosmos. Auch Otto Katzameier hat den Grafen schon mit großem Erfolg gesungen und im Finale schaukelte sich der Dialog zwischen Graf und Gräfin zu einem regelrechten Psychokrimi auf. Ebenfalls wichtige Puzzlesteine zum Gelingen der Aufführung waren Simon Jaunin als Diener und der Countertenor Kai Wessel als L'ospite.

Ein Nachteil der Halle E im Museumsquartier ist ihre schlechte Akustik. Die Verstärkung schien mir die Singstimmen gegenüber Sciarrinos aquarelliertem Orchesterraunen zu bevorzugen. (Ich saß etwa in der Mitte der steil aufsteigenden Zuschauertribüne.) Fazit: Starker und lang anhaltender Applaus für alle Beteiligten nach rund eineinhalb pausenlosen Stunden für eine empfehlenswerte Produktion.

Anbei noch ein Link zur Besprechung der erwähnten konzertanten Aufführung mit weiteren Details zum Werk aus dem Jahr 2008: ->Link