TARARE
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Theater an der Wien
24. November 2018
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Christophe Rousset

Ensemble Les Talens Lyriques
Chor Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles
(Leitung: Olivier Schneebeli)

Tarare - Cyrille Dubois
Atar - Jean-Sébastien Bou
Astasie - Karin Deshayes
La Nature / Spinette - Judith van Wanroij
Calpigi - Enguerrand De Hys

Arthénée / Le Génie du Feu - Tassis Christoyannis
Urson / Un Esclave / Un Prétre - Jerome Boutillier
Altamort / Un Paysan / Un Eunuque - Philippe-Nicolas Martin
Elamir - Marine Lafdal-Franc
Une Bergére sensible / L'Ombre - Danaé Monnié


Opernexotik mit Beaumarchais und Salieri
(Dominik Troger)

Die konzertanten Opernaufführungen im Theater an der Wien machten am Samstagabend einen Ausflug zu einer opernhistorisch spannenden Rarität aus dem späten 18. Jahrhundert. Es wurde Antonio Salieris auf ein Libretto von Beaumarchais gefertigter „Tarare“ gegeben, uraufgeführt 1787 in Paris, am Vorabend der Revolution.

Christophe Rousset und das Ensemble Les Talens Lyriques haben in den letzten Jahren viel dazu beigetragen, die französischen Opern Salieris neu zu entdecken und dem Publikum zu präsentieren. Im Theater an der Wien haben sie bereits „Les Danaïdes“ (Uraufführung 1784) und „Les Horaces“ zur konzertanten Aufführung gebracht. („Les Danaïdes“ waren zu Lebzeiten des Komponisten ein großer Erfolg und sind durch ihre Nähe zum „Don Giovanni“ ein musikalisch interessantes Beispiel für Salieris Opernschaffen, „Les Horaces“ machten schon bei ihrer Uraufführung 1786 wenig Aufsehen.)

Mit „Tarare“ wurde eine Art von „Grand opera“ des 18. Jahrhunderts präsentiert, in der der umtriebige Beaumarchais mit Hilfe von Salieri seinen Anspruch an das Genre umgesetzt und die französische Barockoper mit aufklärerisch-revolutionären Ideen angereichert hat. Beaumarchais hat dem Libretto ein Vorwort vorangestellt, in dem er seine Wünsche an eine zeitgemäße Oper formuliert. In diesem Manifest stellt er eine interessante Handlung über die Musik und die für ihn nur drittragigen Tanzeinlagen. (Für Wien haben Salieri und da Ponte dann aus dem „Tarare“ einen „Axur“ gemacht und Beaumarchais Gedankengut entschärft.)

Rein formal hat Beaumarchais bei seinem Libretto an der fünfaktigen französischen Opernform samt Prolog (und einem kurzen Epilog) festgehalten. Aber schon hinter der Idylle des Prologs verbirgt sich Revolutionäres, macht sich La Nature doch an nichts Anderes, als an die Schöpfung des Menschen aus „Atomen“. Bei den neu erschaffenen Menschen handelt es sich zudem um die Hauptfiguren der Oper. Sie sind im Prolog noch „Schatten“ und ganz unverbildet, werden dann als König (Atar) und Soldat (Tarare) geboren und wie bei einem Experiment in die Welt entlassen, um sich zu „beweisen“. Im Finale wird dann der bemerkenswerte Satz gesungen: „Mensch, deine Größe auf Erden hat nichts mit deinem Stand zu tun: Sie hängt allein von deinem Charakter ab.“ Die Figuren selbst sind allerdings etwas schablonenhaft gezeichnet. Beaumarchais hat in anderen Libretti mehr psychologisches Gespür bewiesen.

Die Handlung der Oper spielt in einem fiktiven Orient, wo eine brahmanische Gottheit herrscht, wo es aber auch ein Serail gibt. Sie befasst sich mit der entscheidende Phase der schwierigen Beziehung von Atar zu Tarare, der ersterem einmal das Leben gerettet hat. Der Charakterstarke Soldat Tarare wird schlussendlich unfreiwillig König werden und der Selbstmord des hassverzehrten Atar wird ihm dazu den Weg bahnen.

Salieris musikalischer „Exotismus“ erinnert manchmal an Mozarts „Entführung“, nimmt musikalisch auch einiges an der „Zauberflöte“ vorweg. Es gibt lange, aber vom Orchester oft bewegt begleitete Rezitative, die Arien sind kurz. Salieri steuerte eine energiegeladene Musik bei, deren Kraft aber dann noch nur bis in den dritten Akt reicht. Die Kompaktheit des Prologs und der ersten beiden Akte weicht sich mit dem zentral im dritten Akt angeordneten Ballett (samt fünfteiligem Couplet) etwas auf. Salieri verbindet in „Tarare“ jedenfalls Elemente der Opera seria und der französischen Barockoper unter dem Reformgedanken Glucks – und manchmal gelingen ihm ganz überraschende „Erfindungen“, die schon auf kommende Jahrzehnte verweisen.

Christophe Rousset war der Animator am Pult, der Salieris Musik mit befeuernder Energie durch den Abend steuerte. Gesungen wurde auf offener Bühne, das imperiale Bühnenbild der aktuellen „Teseo“-Produktion im Hintergrund, was einen passenden Rahmen abgab. Die Besetzung wurde von Jean-Sébastien Bou angeführt, der mit seinem Bariton die Verschlagenheit, aber auch den Hass Atars sehr gut über die Rampe brachte, ohne der leichten Klischeehaftigkeit des Librettos „auf den Leim“ zu gehen. Nicht ganz so eindrucksvoll, aber durch die eigentlich uninteressantere Rolle weniger begünstigt, stellte Cyrille Dubois seinen etwas nüchtern timbrierten lyrischen Tenor – und manch gute Höhe – in den Dienst des Tarare.

Enguerrand de Hys wusste mit seinem feiner geschnitteren lyrischen (Spiel-)Tenor den Calpigi in seiner Sonderstellung als Tarares Freund und Untergebenen Atars gut zu auszumalen. Tassis Christoyannis versorgte den Feuergenius im Prolog und den Oberpriester Arthénée mit (stimmlicher) Autorität. Die beiden Damen fielen gegen die Männerstimmen etwas ab – Karin Deshayes versuchte offenbar, die wenig ergiebige Partie der Astasie durch Lautstärke interessanter zu machen (die Sänger klangen an diesem Abend übrigens insgesamt etwas zu laut), und auch Judith van Wanroij blieb als Spinette (laut Libretto eine am Hofe Atars gestrandete italienische Operndiva!!) zu einförmig.

Die Aufführung war mäßig besucht, nach der Pause noch mäßiger. Dabei dauerte der Abend gar nicht die im Programmheft angekündigten vier Stunden, sondern (inklusive Pause) nur dreieinhalb. Die verbliebenen Besucher würdigten den Abend mit starkem Applaus.