LA SCUOLA DE' GELOSI
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Kammeroper
18. Mai 2017
Premiere

Musikalische Leitung: Stefan Gottfried

Inszenierung: Jean Renshaw
Ausstattung: Christof Cremer
Licht: Franz Tschek

Bach Consort Wien

Der Graf - Julian Henao Gonzalez
Die Gräfin - Shira Patchornik
Blasio - Matteo Loi
Ernestina - Carolina Lippo
Lumaca - Florian Köfler
Carlotta - Anna Marshania
Leutnant - Aleksander Rewinski

Tänzerin:
Irene Bauer


Im Wirbelsturm der Eifersucht
(Dominik Troger)

In der Kammeroper hat bis Mitte Juni „Die Schule der Eifersucht“ („La scuola de' gelosi“) ihre Pforten geöffnet. Den Lehrplan hat Antonio Salieri erstellt. Gespielt wurde eine eigens für die Kammeroper konzipierte Fassung, die auf den Wiener Aufführungen der Oper in den Jahren 1783-86 basiert.

Die Produktion findet im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Opera buffa in Wien in den Jahren 1763-1782 statt, das am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien angesiedelt ist. Unter der Mitwirkung der Fondazione Salieri wurde die Partitur erstellt – das verrät das Programmheft. Das Programmheft verrät auch, dass eine „gekürzte Wiener Mischfassung“ erstellt worden ist, die eingelegte Arien enthält, die Salieri extra für Wien neu komponiert hat. Im Vergleich zur Uraufführung (1778 in Venedig) hat Salieri für Wien außerdem die Instrumentation erweitert. Die Fassung, die an der Kammeroper gespielt wurde, dauerte rund zweieinhalb Stunden (inkl. einer Pause).

Die Handlung stellt drei Paare in den Mittelpunkt: ein bürgerliches Paar, ein Grafenpaar und ein Dienstbotenpaar. Getreidehändler Blasio ist unberechtigter Weise schwer eifersüchtig, die Gräfin ist auf ihren Mann berechtigter Weise eifersüchtig, und die Dienstboten haben eine uneheliche Beziehung. Ein Leutnant spielt im Geschlechterkampf das Zünglein an der Waage – ähnlich Don Alfonso in „Cosi fan tutte“. „Cosi fan tutte“ als „La scuola degli amati“ war als „Fortsetzung“ der sehr erfolgreichen „La scuola de' gelosi“ geplant. Ursprünglich hat Da Ponte das „Cosi“-Libretto Salieri überlassen, dieser hat die Komposition des Werkes aber schnell aufgegeben und das Libretto an Mozart weitergereicht.

Man könnte „La scuola de' gelosi“ als „präformierte“ Da Ponte-Oper bezeichnen: Anklänge an „Cosi“, „Don Giovanni“ und „Figaro“ sind immer wieder herauszuhören. Die Handlung ist aber ziemlich lose gestrickt, wirbelt die Paare turbulent durcheinander, um sie schließlich wieder zusammenzuführen. Musikalisch ist der Teil nach der Pause der ergiebigere. Er enthält ein schon von den Zeitgenossen Salieris gerühmtes Quintett und vor allem zwei große Arien – eine für die Gräfin und eine für Esmeralda. Die Arien, die Salieri laut Programmheft für Wien neu komponiert hat, lösen sich vom Buffo-Genre und vertiefen den Figurencharakter.

Vor zwei Jahren hat die Kammeroper im Rahmens des obgenannten Forschungsprojektes „Gli uccelatori“ („Die Vogelfänger“) von Florian Leopold Gassmann erfolgreich aufgeführt – und für „La scuola de' gelosi“ wieder Stefan Gottfried als musikalischen Leiter, Jean Renshaw wieder für die Regie und Christof Cremer wieder für die Ausstattung gewinnen können. Und nach dieser Premiere darf man sagen, die gelungene Umsetzung der Gassmann-Ausgrabung war keine „Eintagsfliege“: Mit „La scuola de' gelosi“ ist der Kammeroper nach meiner Einschätzung eine der besten Wiener Opernneuproduktionen der Saison 2016/17 gelungen.

Stefan Gottfried hat am Pult des Bach Consort Wien den Klang des Concentus Musicus beschworen, etwas rau, aber mit viel Verve und vor allem mit einer akzentuierten Detailfreude, die der „Klangrede“ eines Nikolaus Harnoncourt alle Ehre machte. Und im Gegensatz zum Meister, der für meinen Geschmack im letzten Jahrzehnt seines Wirkens den musikalischen „Eigensinn“ bei einigen seiner Operneinstudierungen ein wenig übertrieben hat (Stichwort: Tempowahl), ließ Gottfried hier einen „natürlicheren“, bühnenaffineren und erfrischenderen Zugang walten.

Jean Renshaw sorgte auf der Bühne für ein Feuerwerk an Situationskomik, die gegen Ende des ersten Teils („Narrenhaus“) mit skurril-absurdem Humor aufzuwarten wusste. Der kleine Bühnenraum der Kammeroper wurde mit einem „Türenkarussell“ in Schwung gebracht, das aus einer Wand mit drei Türen bestand, die bühnenmittig drehbar montiert auf der einen Seite die erotische Rückenansicht einer Frau zeigte, auf der anderen räkelte sich ein „Adonis“ mit nackter Brust und schamhaft verhüllten Lenden. Es handelte sich um großformatige Reproduktionen, die wohl die Erotik des Rokoko beschwören sollten. Das gedämpfte, meist in Blautönen gehaltene Bühnenlicht passte zur weiß-blauen, mit Rosenmuster versehenen, geschmackvollen Tapete – ein Muster, dass sich teilweise auch auf den Kostümen fortsetzte, die alte und neue Mode munter durchmischten: hier auf einem Kleid, dort auf einem Halstuch, da auf einem Schuh. Auch der Boden war mit dieser „Tapete“ ausgelegt. Es gab wenig Requisiten, zum Beispiel einen alten Staubsauger, ein Bügelbrett oder einen großen Schlüssel. Renshaw hat eine stumme Figur (Irene Bauer) hinzugefügt, deren getanzter Kommentar im turbulenten Vorwärtsschreiten der Handlung etwas unterging, aber die Darsteller fanden in ihr auch eine Hilfe beim Drehen der erotisch ausgeschmückten Trennwand.

Die rasante Personenregie war perfekt abgestimmt und wurde von den Sängerinnen und Sängern mit viel Spielfreude umgesetzt. Gesanglich waren die jungen Stimmen bei Salieri am richtigen Platz auch wenn musikalisch die Möglichkeiten zur gesanglichen Selbstdarstellung etwas ungleich verteilt waren. Aber in Summe zählt hier ohnehin die gelungene Ensembleleistung. Shira Patchormik (mit Debüt an der Kammeroper) und Carolina Lippi nützten ihre Chance bei den schon erwähnten, gehaltvolleren Arien. Patchornik ließ von den beiden das im Ausdruck subtilere Organ hören und schwang sich zu Mozart’schen Gefühlen auf. Ihr Sopran klang fundiert und füllte die Kammeroper locker aus.

Julian Henao Gonzalez gab den umtriebigen Grafen und Frauenhelden, der in seiner Auftrittsarie dem Publikum erklärt, was ihn an Frauen fasziniert (ein Vorläufer der „Registerarie“ aus „Don Giovanni“). Die beiden Dienstboten Florian Köfler und Anna Marshania waren als Buffopaar vor allem szenisch gefordert mit wenigen Möglichkeiten gesanglich zu glänzen – wobei die Carlotta der Anna Marshania mit ihrem Spielwitz an diesem Abend alles in den Schatten stellte. Matteo Loi gab einen köstlichen Blasio, und der schlanke, lyrische Tenor des Aleksander Rewinski umgab sich, als die Paare gängelnder Leutnant, mit Hintergründigkeit. Diese Figur hätte seitens der Regie eventuell noch markanter als Drahtzieher herausgearbeitet werden können.

Fazit: Starker Beifall für eine sehr gute Produktion.