IL TURCO IN ITALIA
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Rossini-Portal

Staatsoper
3. Juli 2022
Gastspiel Opéra de Monte-Carlo

Musikalische Leitung: Gianluca Capuano

Inszenierung: Jean-Louis Grinda
Bühne: Rudy Sabounghi
Kostüme: Jorge Jara
Licht: Laurent Castaingt
Choreinstudierung: Stefano Visconti

Les Musiciens du Prince - Monaco
Choeur de l'Opéra de Monte-Carlo

Donna Fiorilla - Cecilia Bartoli
Zaida - José Maria Lo Monaco
Selim -
Ildebrando D'Arcangelo
Don Geronio - Nicola Alaimo
Don Narciso - Barry Banks
Prosdocimo - Giovanni Romeo
Albazar - David Astorga

 


Klamauk & Liebe
(Dominik Troger)

Das Gastspiel der Opéra de Monte-Carlo wurde mit Gioachino Rossinis „Il turco in Italia“ fortgesetzt. Dem reisefreudigen Türken begegnet man auf hiesigen Opernbühnen selten. In Wien gab es zuletzt eine Produktion in der Volksoper (2003) und eine im Theater an der Wien (2009).

„Il turco in Italia“ hat im Rahmen des Werkkatalogs von Rossini keinen leichten Stand, auch wenn es immer wieder mal als „unterschätztes Meisterwerk“ angepriesen wird. Solche Formulierungen sind an sich schon verräterisch genug, als dass man ihnen blind vertrauen dürfte. Oder – etwas sprichwörtlicher formuliert: Das Bessere ist oft genug der Feind des Guten.

Rossini und sein Librettist Felice Romani spielen bei „Il turco in Italia“ selbstironisch mit der Welt des Theaters und mit seinen Produktionsprozessen, steht im Zentrum der Handlung doch ein Dichter, der den Stoff für ein „dramma“ sucht. Er findet den Stoff in seinem Lebensumfeld, bei Figuren, die er im Sinne einer Komödie arrangiert, um sie schlussendlich, in bestem aufklärerischen Sinne, moralisch geläutert zu entlassen. Der musikalische Gesamteindruck wirkt – verglichen mit anderen Rossini-Opern – aber weniger inspiriert.

An der Wiener Staatsoper wurde das Werk bis jetzt überhaupt nur dreimal gespielt und zwar bei einem Gastspiel der Württembergischen Staatsoper im Jahr 1962 mit Fritz Wunderlich als Narciso. Jetzt folgen drei weiter Vorstellungen im Rahmen des Gastspiels der Opéra de Monte-Carlo. Nach dem dieses Gastspiel mit einer fulminanten halbszenischen Aufführung von „La Cenerentola“ begonnen hat, waren die Erwartungen hoch – und wurden nicht ganz erfüllt.

Der Abend benötigte eine „Anlaufphase“: nicht nur das Orchester auch Cecilia Bartoli starteten etwas ungeschmeidig. Die Sängerin warf wieder ihre ganze Spielfreude in die Waagschale, aber die „Cenerentola“ hat ihrem Mezzo das „Aufwärmen“ leichter gemacht. Die Rolle der kecken Fiorilla bringt keinen so großen Sympathiebonus mit sich wie das Aschenputtel und die seelische Tiefe des Bühnencharakters wird erst gegen Ende der Oper greifbar, wenn Fiorilla bemerkt, dass sie mit ihren Eskapaden ihr Lebensglück aufs Spiel gesetzt hat. Cecilia Bartoli führte die Fiorilla mit gewohnt sprudelnder Eloquenz und quirligem Spiel durch den Abend, um zu guter Letzt mit viel Einfühlungsvermögen ihre Ehekrise nachzuzeichnen – womit sie aus dem seichten Bühnenspaß schlussendlich sogar noch „große Oper“ machte.

Ildebrando d’Arcangelo war – wie schon vor dreizehn Jahren im Theater an der Wien – ein fescher Selim, dieses Mal wirklich als osmanischer Reisender kostümiert, und nicht (wie anno dazumal in der Inszenierung von Christof Loy) als strandgeschönter Lover. Sein füllig-eleganter Bassbariton ist für amouröse Bühnenabenteuer ohnehin wie geschaffen. D’Arcangelo hat die Partie vom ursprünglich angesetzten Ildar Abdrazakov übernommen. Nicola Alaimo steuerte Fiorillas Gemahl bei. Der Sänger ist ein komödiantischer Gewinn für jede Rossini-Buffa.

Stimmlich nicht so becircend und von Rossini etwas stiefmütterlich behandelt focht José Maria Lo Monaco als Zaida mit Fiorilla den Kampf um den begehrten Selim. Von der weiteren Besetzung gefiel David Astorga als Albazar. Der Dichter (Prosdocimo) von Giovanni Romeo hätte etwas prägnanter sein können, aber in diesem Punkt hat auch die Inszenierung von Jean-Louis Grinda wenig geleistet. Der Don Narciso wurde durch Barry Banks zu stark in die Richtung eines schon etwas ältlichen Charaktertenors gedrängt – vielleicht war das aber Absicht des Regiekonzepts.

Die Inszenierung war sehr konventionell. Die Handlung wurde auf einer zuerst weitgehend leeren Theaterbühne um die Mitte des 20. Jahrhunderts verortet. (Siehe Interview mit dem Regisseur im Programmheft.) Wahrscheinlich hat man dabei an eine Theaterprobe zu denken, auf der der Dichter wie ein Regisseur agiert. Das Personal des vom Dichter ersonnenen Stücks trug historisierende Kostüme. Ein auf den Bühnenhintergrund projizierter Schwarz-weiß-Film, den die Protagonisten anschauen, leitete den Abend ein, möglicherweise als Vorgeschichte gedacht. Stimmungsvoll wurden das kleine Segelschiff des Selim und das Meer dargestellt: eine „Theaterkulisse in der Theaterkulisse“ mit der Bucht von Neapel. Die Allgegenwart des Dichters wurde erwartungsgemäß für einige Gags genützt.

Das Orchester Les Musiciens du Prince – Monaco unter Gianluca Capuana bot wieder viel Spielwitz auf; beispielweise eingestreute Zitate von Mozarts „Entführung“ sorgten gutgelaunt für rezitativbegleitende „Aha-Effekte“ und opernhistorische Querverweise. An den etwas dünnen, angerauten „historisch-informierten“ Klang konnte man sich gewöhnen. Der Chor klang etwas leise. Der Schlussapplaus dauerte über eine Viertelstunde inklusive Zugabe des Ensembles. Bartoli wurde ein Strauss rosa Rosen geworfen. Zu guter Letzt kamen noch die Ehrengäste des Abends, Caroline und Fürst Albert II. von Monaco auf die Bühne.

PS: Weniger erfreulich war, dass während der Vorstellung so viel gehustet wurde wie sonst nur an grippevirenverseuchten Winterabenden. Dem von der Direktion propagierten freiwilligen Tragen von FFPII-Masken während der Vorstellung wird ohnehin nur mehr von einer kleinen Minderheit Folge geleistet.