IL TURCO IN ITALIA
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Theater a.d. Wien
2.7.2009
Premiere

Musikalische Leitung: Fabio Luisi

Szenische Neueinstudierung: Benedikt von Peter
Nach einer Inszenierung von : Christof Loy
Ausstattung: Herbert Murauer
Licht: Reinhard Traub

Wiener Symphoniker
Arnold Schoenberg Chor (Ltg. Erwin Ortner)

Neueinstudierung des Theaters an der Wien, Kooperation mit der Bayerischen Staatsoper München

Donna Fiorilla - Nino Machaidze
Zaida - Paola Gardina
Selim -
Ildebrando D'Arcangelo
Don Geronio - Renato Girolami
Don Narciso - David Alegret
Poeta - Enrico Marabelli
Albazar - Erik Arman

 


Sommeroper
(Dominik Troger)

Das Theater in der Wien eröffnete den Wiener Opernsommer mit Rossinis „Il Turco in Italia“ – dem starken Beifall des Publikums nach zu schließen mit großem Erfolg.

„Il Turco in Italia“ ist nicht unbedingt das zugkräftigste Werk aus der Feder des Meisters aus Pesaro. Die Geschichte rund um einen Librettisten, der verzweifelt einen Opernstoff sucht, um ihn dann mit Fortlaufen des Abends zu entwickeln, ist wohl ein bisschen zu konstruiert – und Rossinis Musik kann das nicht wirklich wettmachen. Der Lustspiel-Charakter leidet unter diesem „Experiment“ und die Handlung rund um Donna Fiorilla, die ihrem älteren Gemahl die Hörner aufsetzt und mit einem reisenden Türken anbandelt, driftet gegen Schluss schon zu sehr in eine Sphäre ab, wo sich die Leichtigkeit der Opera buffa mit ernsteren Fragen nach der Selbstbestimmung individueller Liebeswünsche trifft.

Fiorillas Klage, „Sqallida veste e bruna“, die ihr in Anbetracht der drohenden Scheidung über die Lippen kommt, geht schon tiefer als gewöhnliches „Liebesschmachten“. Da ergeben sich plötzlich gewisse Ähnlichkeiten mit dem Liebesexperiment einer „Cosi fan tutte“ und das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Der positive Schluss hier wie dort erscheint mehr als ein Übertünchen der Widersprüche. Der Moral wird Genüge getan – doch ob Fiorilla mit aufgeklärter Einsicht ihr Schicksal annimmt oder aufgrund der repressiven sozialen Situation?

Die im Theater an Wien gezeigte Produktion hat schon eine längere Reise hinter sich und war zuletzt in München „geparkt“. Sie ist ein typisches Produkt gängiger deutscher „Bühnenkunst“ – dafür allerdings überraschend erträglich. Das ursprüngliche Inszenierungskonzept stammt von Christof Loy, inwieweit hier noch geändert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Programm nennt Benedikt von Peter als Verantwortlichen für die szenische Neueinstudierung. Immerhin gelingen sogar ein paar köstlich-absurde Szenen, auch wenn der Humor sonst mehr nach „Wiener Würstchen“ schmeckt als nach raffiniert garnierter Pizza.

Dazu gibt es die gewohnt schäbigen Bühnenbilder (Herbert Murauer), die meist gleich die ganze Bühne freilassen und nur mit Versatzstücken und Licht arbeiten: ein großer roter Teppich für das Fest, Paravents, ein ältlicher Wohnwagen am Beginn. Wichtig dabei ist, dass ja keine Stimmung aufkommt, dass man nur das Destillat eines Sinnzusammenhanges porträtiert, welches möglichst billig und abgeschmackt auszusehen hat.

Wie gesagt, einige Pointen waren gut: der fliegende Teppich, mit dem Selim in Italien landet, der Wohnwagen, aus dem der Zigeunerchor klettert, der Boxkampf zwischen Selim und Don Geronio, ein kleines Ländermatch Italien – Türkei. Doch dieser Gegensatz der Kulturen, er kam überhaupt nicht zur Geltung und reduzierte sich auf die Farben der Boxershorts. Ansonsten stolzierte Selim selbstbewusst in modernem Outfit und mit Sonnenbrille über die Bühne: die Zuschreibung nationaler Eigenheiten verpuffte an diesem Dresscode, der zwischen Kalifornien und Istanbul zur globalisierten Gegenwart gehört.

Nicht nur auf der Bühne mangelte es an eleganter Übertreibungskunst, auch im Orchestergraben unter der Stabführung von Fabio Luisi war nicht alles eitle Wonne. Die Ouvertüre wurde vom rabenschwarzen Tag eines der beiden Hornisten überschattet, aber auch sonst entwickelte sich nicht jene leichte Spritzigkeit Rossini’scher „Läufe“, die elastisch auf die Klimax chaosvortäuschender Ensembles zu jagen. Alles klang eine Spur zu angespannt und schwerfällig, dem ironischen Augenzwinkern des Komponisten abhold.

Auf der Bühne brillierte Ildebrando D’Arcangelo als frauenbezirzender türkischer Fürst, der – wie angedeutet – sich in nichts von ähnlichen Charakteren in Caorle oder Grado unterschied. Aber ein Titel wie „Der Italiener in Italien“ macht natürlich nicht so viel Sinn. D’Arcangelo zog alle Register seines sängerischen und schauspielerischen Könnens. Er trug dabei auch seinen gut gebauten Körper zur Schau – im Boxershort: „Wow“! Das alleine hätte ihm schon jeden erdenklichen Applaus garantiert.

Donna Fiorilla, Nino Machaidze, bestach durch ihr Aussehen und viel schauspielerischen Witz. Aber es wäre unfair, diese junge Sängerin nach ihrem letztjährigen Auftritt bei den Salzburger Festspielen mit Anna Netrebko zu vergleichen, für die sie damals eingesprungen ist: Ihrer Stimme fehlt bei aller technischen Raffinesse noch die geschmeidige Geläufigkeit. Vieles klingt hart bis sehr hart timbriert und „schmeckt“ mehr nach Arbeit, als nach lockerer selbstbewusst absolvierter Gesangsdarbietung.

Das restliche Ensemble entsprach, ohne einen mit besonderer sängerischer Kulinarik zu verwöhnen. Es waren solide Kräfte an der Arbeit: Renato Girolami als witziger Don Geronimo, David Alegret als gefühlvoll singender Don Narciso (in den entscheidenden Momenten mit zu wenig „gerundetem“ und zu stark nasal timbriertem „Rossini-Tenor“).Paola Gardina belebte die undankbare Rolle der Zaida, Enrico Marabelli die des Poeten.

Der heftige Schlussapplaus für eine, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ganz nette, aber keineswegs erstklassige Produktion, überraschte dann doch.