IL TURCO IN ITALIA
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Wiener Volksoper
8.6.2003
(Premiere 2.6.2003)

Musikalische Leitung: Pietro Rizzo

Inszenierung: Dominique Mentha

Bühnebild: Werner Hutterli
Kostüme: Ingrid Erb

Donna Fiorilla - Akiko Nakajima
Zaida - Annely Peebo
Selim - Bjarni Thor Kristinsson
Don Geronio - Noé Colin
Don Narciso - Matteo Lee
Prosdomico / Poeta - Adrian Eröd
Albazar - Stephen Chaundy



"Rossini à la Rossini"
(Dominik Troger)

Die Hitzewelle machte auch vor der Volksoper nicht halt. Viele Plätze waren leer geblieben. So mancher Besucher hielt angesichts der tropischen Innentemperaturen ein kleines Nickerchen. Dabei war die Inszenierung durchaus ein „Muntermacher“. Aber die ermüdende Hitze hatte einen starken Verbündeten: Rossini selbst.

Das mag verwundern, aber man hat bei dem italienreisenden Türken beständig das Gefühl, als hätte hier jemand eine Oper ganz im Stile Rossinis komponiert, nur nicht er selbst. Sie wirkt ganz einfach zu Rossinisch. Verstärkt wurde diese Eindruck möglicherweise noch durch die musikalische Umsetzung an der Volksoper, die sich natürlich auf Rossini verließ, und nicht unbedingt die Besonderheit im Detail zu entdecken imstande war. Da gibt es zwar eine ganze Reihe an interessanten Ensembles, aber man hat es schwer, das spezielle musikalische Charakteristikum dieses Werks herauszuhören. Man sucht Rossini und sieht ihn vor lauter Rossini nicht – oder so ähnlich.

Dabei ist die Handlung schon fast eine Ironisierung landläufiger Opera Buffa-Konzepte. Ein Dichter sucht ein Libretto, und er baut es einfach aus den Menschen, die ihm begegnen. Diese selbstreflexive Beschäftigung von Librettisten und Komponisten hat sicher einen besonderen Reiz, geben dem Stück fast eine experimentelle Note. Eine Oper, die sozusagen aus dem Augenblick entsteht. Die Inszenierung verlegt das Werk in eine zeitgenössische Trattoria, die Dorfbewohner werden zu den Figuren in der Komödie des Dichters. Die Handlung beschreibt im wesentlichen die Entfremdung und Wiederfindung eine Ehepaares, in dessen Leben ein reisender Türke einige Verwirrung stiftet.

Dominique Mentha hat jedenfalls die Chance genützt, die der leicht ironisierende Ansatz von Rossini und Librettisten Felice Romani geboten hat. Er lässt nicht nur munter und krampflos auf der Bühne agieren, eine kurze Szene wird sogar, wie auf einer Probe, dreimal gespielt, bis sie „sitzt“. Die große Displayleiste über der Bühne, die den deutschen Text anzeigt, wird auch für weiter Botschaften an das Publikum genützt. Da werden die Sänger gleich zu Beginn während der Ouvertüre vorgestellt, da wird das bekannte „Rauchen kann ihr Gesundheit gefährden“ eingeblendet, wenn auf der Bühne eine Zigarette angezündet wird. Manchmal wird auch auf Deutsch rezitiviert, dann steht auf dem Display die italienische Übersetzung u.s.w. Diese Kommentare wirken gar nicht an den Haaren herbeigezogen, es hat alles eine gewisse buffohafte Leichtigkeit. Der Chor liest am Anfang „La gazetta della sport“, fussballspielende Kinder mischen sich hinein, südländisches Leben vermischt sich zu diesem Libretto-Traum des Dichters, der allerlei Liebeshändel ausheckt inklusive Verwechslungskomödie. Das Bühnenbild, großzügig die Bühnenweite nützend, ist ansprechend, bietet auch für die Souffleuse genügend Möglichkeiten, um dezent aus dem Hintergrund zu agieren. Denn die darf auch mitspielen, ebenso wie der Pianist. Und letztlich endet alles mit einem Spaghettiessen. Ich habe das Ambiente und die Personenführung als sehr angenehm und treffend empfunden. Ein gutes Beispiel für lebendiges, modernes Operntheater, mit vielen Einfällen und einer großen Portion Humor.

Man konnte insgesamt auch mit den gesanglichen Leistungen zufrieden sein. Adrian Eröd als Dichter bezauberte mit seiner angenehmen Stimme, seinem unprätentiösen Spiel. Akika Nakajima, eine quirlige Donna Fiorilla, um die sich alles dreht, konnte die bravouröse Geläufigkeit der Rossini’schen Koloraturen nicht immer nützen. Annely Peebo als ihre Gegenspielerin Zaida wurde von Rossini weit weniger mit effektvoller Musik bedacht, aber man konnte sich ganz auf ihre herzliche Art zu singen und zu spielen verlassen. Die beiden Nebenbuhler Noé Colin als Don Geronio und Bjarni Thor Kristinsson, Selim, konnten gesanglich nur bedingt, spielerisch aber durchaus überzeugen. Bleibt noch der „Hausfreund“ von Matteo Lee zu erwähnen, den eine undankbare Tenorarie im zweiten Teil in hohe Regionen entführt, wo man nur sehr schwer wirklich glänzen kann.

Dass Volksopern-Orchester folgte den Rossini’schen Läufen mit animiertem Spiel. Relativ viel Applaus nachher und einige Bravo-Rufe für die Sänger.