GUILLEAUME TELL

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Rossini-Portal

Wiener Staatsoper
Musik. Neueinstudierung
(24. Aufführung dieser Inszenierung)

19.9.2005

Dirigent: Bertrand de Billy

Guillaume Tell - Thomas Hampson
Melchtal - Ain Anger
Arnold,Melchtals Sohn - Marcello Giordani
Walter Fürst - Dan Paul Dumitrescu
Jemmy, Tells Sohn - Bori Keszei
Gesler - Alexandru Moisiuc
Rudolphe, Untergebener Geslers - Marian Talaba
Ruodi, Fischer - Cosim Ifrim
Leuthold, Hirte - Boaz Daniel
Mathilde, habsburgische Prinzessin - Iano Tamar
Hedwig, Tells Frau - Janina Baechle


Britischer Humor und Schweizer Ehre

(Dominik Troger)

Rossinis Meisterwerk und Tells Meisterschuss stehen bis Anfang Oktober wieder auf dem Staatsopernspielplan. Die Produktion der französischen Fassung aus dem Jahr 1998 (Regie: David Pountney) wurde musikalisch neu einstudiert. Der Eindruck war trotzdem kein überwältigender.

Vielleicht liegt es an Pountneys ironischer Handschrift, an seinem britischen Humor, der zuviel absurd-bösartigen Touch, aber zuwenig ehrenhaftes Schwyz, Unterwalden und Uri auf die Bühne zaubert. Dabei wirkt die Inszenierung, im Vergleich zu Staatsoper-Produktionen der jüngeren Vergangenheit, fast ein wenig bieder. Der Buhruf nach dem Ballett im dritten Akt, galt er den manchmal etwas windschief paradierenden Habsburgischen Soldaten – die mehr nach preußischen Karikaturen aussehen? Immerhin hat Pountney einen Soldatenmarsch einen Soldatenmarsch sein lassen. Die Ballettchoreographie an sich, das Gegeneinander von Besatzungsmacht und unterdrücktem Volk, ist gut choreographiert; ganz unpeinlich und mit Elan. Aber die Schweizer-Verschwörer auf dem Rütli, denen der Wald aus dem Kopf wächst (wohl eine Art von Tarnung), werden einer (un-?)freiwilligen Komik preisgegeben, ein Kontrastprogramm zum hehren Anspruch dieser Szene. Pountney dürfte manchmal vergessen haben, dass er einen Wilhelm Tell in französischer Fassung einem deutschsprachigen Publikum schmackhaft machen soll – und dass sich die Anzüglichkeiten britischen Humors damit vielleicht weniger gut vertragen. Aber der Einfall mit Tells Schuss verfehlte auch diesmal seine Wirkung nicht, damit meinte es der Regisseur doch ernst?!

Insgesamt würde ich meine Anmerkungen zur Premiere, die ich damals noch kursorischer behandelt habe, in dieser Direktheit nicht mehr unterschreiben. Vielleicht erwartet man, geschult an deutschem und italienischem Repertoire, eine „plakativere Art von Spannung". An der unterschiedlichen Art, die Partie des Arnold zu singen, kann man das vielleicht festmachen – denn Marcello Giordanis mehr veristischer Tonfall ist weit vom französischen Stilgefühl eines Giuseppe Sabbatini, dem Arnold der Premiere, entfernt. Aber die Wirkung ist natürlich eine stärkere, wenn Giordani seine „Cs“ mit „voller Brust nimmt“ – und wenn sie ihm gelingen. Giordani ging an diesem Abend als Sieger vom Platz. Er sang die Partie mit professionell-sportlicher Einstellung, und sparte nicht bei den Höhenflügen. Aber er ist ein Abfahrer und kein Slalomläufer. Das mag auch manche Unebenheiten in der Mittellage erklären, die den ersten Akt und kurz das Liebesduett mit Mathilde im zweiten trübten.

Thomas Hampson als Tell hatte seine stärksten Momente im dritten Akt vor dem Apfelschuss, Augenblicke starker emotionaler Berührung. Da trat er aus dem Schatten dieser Rolle, die mehr im Hintergrund die Fäden zieht. Ein forscheres Auftreten als Anführer der Schweizer Mannen hätte vielleicht die Akzente betont, die Spannung erhöht. Das müsste man raumgreifender spüren, den politischen Kopf des Tell. Iano Tamars Mathilde bot eine ziemlich tadellose Leistung, aber in dramatischen Passagen erzeugt ihre Art zu singen eine Gravitation, die den Tönen das Davonsegeln erschwert. Ziemlich rollendeckend besetzt, Bori Keszei als Jemmy. Cosim Ifrim muss als Ruodi & Fischer gleich zu Beginn in einigen Metern Höhe über die Bühne „rudern“ und er wurde trotzdem den hohen gesanglichen Anforderungen des einleitenden Liebesliedes gerecht. Das restliche Ensemble inklusive Chor brachte die gewohnten Qualitäten mit ein. Bertrand de Billys Dirigat wirkte nur phasenweise animiert. Vor allem der erste Akt konnte sich schwer aus einer langatmigen Gleichförmigkeit befreien, der vierte Akt kam hingegen ganz gut an. Viel Schwung erzeugten die Ballettmusiken.

Das Publikum, das sich bis zum Schluss ziemlich bedeckt gehalten hatte, feierte die Sänger gebührend und mit Blumenwürfen.