GUILLEAUME TELL / WILHELM TELL

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Wiener Staatsoper
Premiere, 24.10.1998
Französischsprachige
Erstaufführung a.d. Staatsoper

Dirigent: Fabio Luisi
Inszenierung: David Pountney
Bühnenbild & Kostüme: Richard Hudson
Choreinstudierung: Ernst Dunshirn

Guillaume Tell - Thomas Hampson
Melchtal - Walter Fink
Arnold,Melchtals Sohn - Giuseppe Sabbatini
Walter Fürst - Wotjek Smilek
Jemmy, Tells Sohn - Dawn Kotoski
Gesler - Egils Silins
Rudolphe, Untergebener Geslers - John Dickie
Ruodi, Fischer - Mathias Zachariassen
Leuthold, Hirte - Yu Chen
Mathilde, habsburgische Prinzessin - Nancy Gustafson
Hedwig, Tells Frau - Mihaela Ungureanu

Kein "Tell-Schuss"
(Dominik Troger)

Fans der französischen Oper werden in diesen vier Stunden sicher auf ihre Rechnung kommen. Für den Rest sind der erste und dritte Akt entschieden zu lang. Der erste Akt besteht hauptsächlich aus Idylle, da hätte man schon nahezu eine halbe Stunde einsparen können (zB. unter Fortlassung eines wenig erbaulichen Balletts). Der dritte Akt enthält ebenfalls mannigfaltiges Kürzungspotential. Musikalisch am interessansten ist der zweite Akt, mit einem wunderschönen Liebesduett und der Rütlischwur-Szene.

Die Inszenierung versteht sich wiedermal als ironisierend erhobener Zeigefinger, macht da und dort eine Pointe, biedert den Gegensatz von lieblichen, ländlichen Schweizern und bösen deutschstämmigen Besetzern auf die Bühne und arbeitet mit symbolisierenden Versatzstücken, die dann halt einen Wald darstellen, oder die Schweiz oder sonst was. Wieviel würde man dafür geben, so einen alten Schinken mal wieder echt historisierend in voller Kostümherrlichkeit betrachten zu dürfen, weil das hätte denselben Erkenntniseffekt (nämlich - wie gehabt - gar keinen) wär aber wenigstens schöner anzuschauen. (Im übrigen hätte wahrscheinlich eine konzertante Aufführungserie den Bedarf an diesem Werk für die nächsten zehn Jahre durchaus gedeckt.)

Thomas Hampson als Tell hat eine sehr undankbare Rolle, nicht einmal eine Arie hat Rossini für ihn komponiert. So ist er mal rustikal, mal zornig, mal verzweifelt, aber alles in allem ohne der Bühnenpräsenz, die man erwarten könnte. Giuseppe Sabbatini schlägt sich als Arnold solide und mit wunderbaren Phrasierungen gespickt durch die mörderische Partie, Nancy Gustafson war eine brave Mathilde mit Höhenproblemen. Das übrige Ensemble war, ohne hier noch Zensuren verteilen zu wollen, der Aufgabenstellung weitesgehend gewachsen, und durchaus hörenswert. Das Orchester spielte eine sehr schöne Overtüre, der Rest kam mit seinem musikalischen Bouqet auch schon in "Portwein-Nähe", wobei insgesamt der Pragmatismus eines Fabio Luisi der Aufführung einen sicheren Rückhalt bot. In Summe ergab das viel Ästhetizismus für Genießer, richtige Spannung kam aber kaum auf.

Das Publikum buhte nach den Balletteinlagen im 1. und 3.Akt und quittierte Tells Apfelschuß mit zaghaftem Gelächter, obwohl es sich dabei um den einzigen wirklich kreativen Regieeinfall handelte. Der Pfeil wird nämlich langsam von einer Person zur nächsten weitergereicht, erreicht sein Ziel also bei weitem nicht "pfeilschnell", sondern im Zeitlupentempo, so wie wenn er von der Hoffnungen und Wünschen der umstehenden Schweizer abgebremst, auf sein Apfelziel hingezwungen würde. Das war schlichtweg ein genialer Moment.

Schlußendlich spendeten die Anwesenden den Sängern viel Beifall und Bravo und dem Regieteam viele Buhs (wobei auch die Lautstärke der üblichen Premierenclaqueure, die immer Bravo schreien, deutlich in der Minderzahl blieb). Alles in allem erreichte der Applaus nicht das übliche Premierenniveau (aber nach vier Stunden - um 23h - waren wohl wirklich alle schon ein wenig erschöpft...)