L'ITALIANA IN ALGERI |
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Wiener Staatsoper Dirigent: Jesús López
Cobos |
Mustafà
- Ildar Abdrazakov Elvira - Aida Garifullina Zulma - Rachel Frenkel Haly - Alessio Arduini Lindoro - Edgardo Rocha Isabella - Anna Bonitatibus Taddeo - Paolo Rumetz |
An der Staatsoper sorgte die letzte Vorstellung einer „L’italiana in Algeri“-Serie für einen unterhaltsamen Opernabend. Auch musikalisch hatte die Aufführung einiges zu bieten. Nachdem Javier Camarena den Lindoro für die vier „Italiana“-Vorstellungen absagen musste, konnte die Wiener Staatsoper mit Juan Diego Florez in der ersten Aufführung einen ganz prominenten „Einspringer“ aufbieten. An den folgenden drei Abenden kam mit Edgardo Rocha ein aufstrebender Rossini-Tenor aus Uruguay zum Zug. Rocha hat knapp 30-jährig im Dezember 2012 an der Wiener Staatsoper debütiert. Er sang damals als Einspringer im „Barbier“ den Almaviva. Seine schlanke Stimme besitzt in der Mittellage ein charmant klingendes Timbre, das dem von Juan Diego Florez nicht unähnlich ist, in der sicheren Höhe gesellt sich etwas Metall hinzu, das den gut gesetzten Spitzentönen Tragfähigkeit und Durchschlagskraft verleiht, sie aber auch ein wenig härter färbt. Rocha ließ agile Koloraturen hören, die flüssig und überzeugend dargeboten wurden, im eleganten Zuschliff noch ein wenig körnig. Bei seinem ersten Wiener Lindoro, Donnerstag vor einer Woche, soll Rocha noch eher vorsichtig an die Partie herangegangen sein, sich aber von Aufführung zu Aufführung gesteigert haben, wie mir in der Pause berichtet wurde. In der hier besprochenen letzten Vorstellung reüssierte er darstellerisch und gesanglich: In dieser Form ist der Sänger ein ganz großes „Rossini-Versprechen“ für die nächsten Jahre. Als Lindoros angebetete Isabella trat Anna Bonitatibus an. Bonitatibus war am Beginn der Serie, die zugleich ihr Wiener Rolledebüt markierte, gesundheitlich angeschlagen, demonstrierte an diesem Abend aber mit ihrem vor allem in der Tiefe und in der Mittellage überzeugenden Mezzo große technische Agilität. Das Timbre klang etwas trocken, leicht dunkel gefärbt, ohne besondere Leuchtkraft zu entwickeln – insofern passte es mehr zum „emanzipatorischen“ Inhalt dieser Geschichte und betonte Isabellas pragmatisch-selbstbewussten Charakter und weniger die erotisch-verführerische Seite ihre Persönlichkeit. Seltsam war, dass die Sängerin in der unmittelbaren Bühnenwirkung blass blieb, und es kaum vermochte, ihren akkuraten Rossini-Gesang für eine starke Bühnenpräsenz und das Vorantreiben der Handlung zu nützen. Mustafa wurde von Ildar Abdrazakov mit der gebotenen männlichen Selbstironie und viel Testosteronüberschuss gegeben. Dieser behinderte zwar einerseits seine Zielgenauigkeit beim Versuch das Blumensträußchen in den Serailerker zu befördern – nach dem dritten gescheiterten Versuch ließ er es lieber bleiben – andererseits zeigte er viel Muße mit den Spaghetti zu kleckern, die er schlussendlich sogar zornig als Wurfgeschoß benützte. Mustafas untaugliche Tischmanieren nötigten den übrigen Protagonisten einige Vorsicht ab. Stimmlich bot Abdrazakov einen Bass vom Allerfeinsten, ausgestattet mit cremigem Timbre und hintergründiger Brutalität. Leider scheint der Sänger – ebenso wie Rocha – in der Staatsopern-Spielplanvorschau 2015/16 nicht auf. Seine Gemahlin Elvira wurde von Aida Garifullina mit noch etwas leichtem, aber klangschönem Sopran gesungen, während der Haly von Alession Arduini (eingesprungen für Mihail Dogotari) mit Spielwitz sein Marterinstrument schärfte und mit seinem in der letzten Zeit offenbar ein wenig nachgerautem Bariton seine buffoneske Gefährlichkeit unterstrich. Paolo Rumetz gab einen phasenweise auf mich noch etwas steif wirkenden, wenn auch stimmkräftigen Taddeo, der erst nach der Pause auftaute. Rachel Frenkel ergänzte als Zulma das Ensemble. Für vergnügliche Minuten sorgte zudem der Staatsopernchor, der in dieser Produktion schon durch seine Kostümierung viel zum buffonesken Flair beiträgt. Jesús López Cobos, derzeit im Dauereinsatz, sorgte am Pult für einen gut getimten, unterhaltsamen Abend. (Wenn ihm die „Don Pasquale“-Premiere letzten Sonntag nur auch so überzeugend gelungen wäre.) Apropos „Don Pasquale“: Die Produktion der „Italienerin“ geht langsam aber sicher auf ihren 30er zu (an diesem Abend wurde laut Programmzettel die 89. Aufführung gespielt). Regisseur und Ausstatter Jean-Pierre Ponnelle ist ein knappes Jahr nach der Premiere verstorben. Die Lücke, die er hinterlassen hat, wurde einem gerade an diesem Abend wieder schmerzlich bewusst. Der
Schlussapplaus dauerte fast zehn Minuten lang. |