„25 Jahre jung“
(Dominik Troger)
In
zeitloser Frische präsentiert sich Achim Freyers „La
cenerentola“-Inszenierung an der Volksoper. Die neue Direktion hat
dieser fünfundzwanzig Jahre alten Produktion eine Wiederaufnahme
gegönnt und damit auf allen Ebenen gewonnen.
Es war eine gute Idee, diese Inszenierung aus dem Jahr 1997 wieder auf
den Spielplan zu setzen und einer szenischen und musikalischen
Neueinstudierung zu unterziehen. Achim Freyes Blick auf Giacomo
Rossinis „Aschenbrödel“ begeistert nach wie vor: mit
phantasievollen Kostümen, mit einem einfachen, praktikablen
Bühnenbild und mit einer an die Commedia dell'arte angelehnten
Personenregie, die aus jeder Figur einen individuellen Charakter formt.
Dazu gesellen sich ein paar pointierte Theatereffekte: das aus
Choristen gebildete „Tausendfüsslerferd“ oder das überraschende Finale,
in dem die verzeihende Angelina auf einem Podest in die Höhe fährt und
ihr Brautkleid sich weiß über die Bühne breitet.
Freyer belässt die Handlung in einer Märchenzeit, er bricht sie nicht
durch Inhalte, die von außen an die Oper herangetragen werden. Im
Finale, wenn sich die Kulisse öffnet und schemenhaft eine
Hügellandschaft mit Mond angedeutet wird, stellt sich sogar Poesie ein.
Sie huldigt Cenerentolas naiver Humanität und ihrer Tugendhaftigkeit
und lässt die Hoffnung gelten, dass man solchen Menschen nicht nur im
Märchen begegnet. Dabei werden die misslichen Lebensumstände
Aschenbrödels nicht verschwiegen. Bereits zur Ouvertüre trägt sie Holz
auf die Bühne, beheizt im schummrigen Licht der Morgenfrühe einen
großen Ofen, damit ihre undankbaren Schwestern samt dem widerlichen Don
Magnifico nicht frieren müssen und ein warmes Frühstück bekommen.
Achim Freyers Inszenierungen haben nicht immer zu einem solch
einfachen, menschlichen Ausdruck gefunden, oft genug hat er die
künstlerische Stilisierung der Figuren zu weit getrieben und sie
unter einem puppenhaften „Symbolismus“ begraben. Spuren davon
findet man etwa bei der Kostümierung und Gestik von Clorinda und Tisbe.
Doch unterlegt mit Rossinis musikalischer „Mechanik“ erkennt man daran
nichts willkürlich „Aufgesetztes“, sondern mit angemessener
Übertreibungslust ausgeführte Charaktere. Die Neueinstudierung hat Dorike van Genderen mit viel Lust am Detail besorgt.
Auf der musikalischen Seite hat Carlo Goldstein
die Neueinstudierung betreut, der auch an diesem Abend am Pult stand.
Wie schon am Samstag bei „Jolanthe“ unter dem neuen Musikdirektor des
Hauses überraschte das Volksopernorchester mit feiner
Klangpolitur und animiertem Spiel. Dank des „La cenerentola“-Gastspiels
der Opéra de Monte-Carlo an der Staatsoper im Juli hat man den direkten
Vergleich mit der sogenannten „historisch informierten
Aufführungspraxis“: Les Musiciens du Prince Monaco haben die
Möglichkeiten zwar mehr ausgereizt, ließen Rossini mehr Witz und
Ausdruck angedeihen, aber ziemlich harsch getönt – angereichert
mit manch verunglücktem Bläserton. Das elegantere Spiel des
Volksopernorchesters war von milderer Fröhlichkeit und mehr
Klangschönheit beseelt und sorgte genauso für gute Laune. Goldstein
hielt dabei die Zügel in der Hand, sorgte für eine ausgewogen flotte,
in den Tempi nicht überzogene Aufführung.
Zudem ist es gelungen, für diese Wiederaufnahme junge, aufstrebende Kräfte ans Haus zu holen. Allen voran: Timothy Fallon als Prinz und Misha Kiria als
Don Magnifico. Misha Kirias Karriere ist seit einigen Jahren im
Höhenflug. Den Don Magnifico gab er als buffoneken Ungustl mit einem
jugendlich-kernigen, elastischen und parlandoflotten Bassbariton
und starker schauspielerischen Präsenz. Timothy Fallons Prinz
besaß süße Lyrik und raumfüllende Effekttöne, bei guter Höhe und Gespür
für geschmeidige Phrasen. Im Spiel war er sympathisch, die Rolle vom
schüchternen, von der Liebe ins Herz getroffenen Liebhaber bis zum
begehrenden Prinzen genussvoll auskostend. Fallon wird diese Saison
noch öfter an der Volksoper zuhören sein, im kommenden Juni als
Belmonte.
Annelie-Sophie Müller
verlieh mit ihrem mildgestimmten Mezzo Angelina einen
naiven-mädchenhaften Zug, der sich auch im Aufbegehren jene Milde
bewahrte, die ihr von der Handlung zugedacht ist. Im Finale fehlte ein
wenig der Glanz, mit etwas Anstrengung bei den Spitzentönen. Im Rahmen
der Inszenierung bleibt eigentlich nur Cenerentola sie selbst. Sie
bewegt sich als einziger „Mensch“ zwischen diesen mehr oder weniger
stark gezeichneten Buffa-Karikaturen. Selbst der Prinz ist nicht ganz
von diesen ausgenommen. Was die Inszenierung artifiziell
herausgearbeitet hat, wurde von Annelie-Sophie Müller passend
umgesetzt.
Lauren Urquhart und Stephanie Maitland gaben ein köstliches Porträt schwesterlicher Boshaftigkeit. Ebenfalls von mit viel Humor ausgestattet waren Modestas Sedlevičius als Dandini und Aaron Pendleton
als hier noch sehr junger Alidoro, mit leicht gerautem Bass bei
insgesamt noch etwas unausgewogenem Vortrag. Der Chor steuerte mit viel
Humor die „Hofschranzen“ bei. Der Gesamteindruck legte nahe, dass das
Publikum an diesem Abend einer aufstrebenden jungen Sängergeneration
begegnen konnte, von denen einige möglicherweise auf dem Sprungbrett zu
einer großen Karriere stehen.
Durch meine Platz auf dem Balkon hatte ich nicht den Überblick, was die
Auslastung betrifft. Das Parterre dürfte gut gefüllt gewesen sein, am
Balkon gab es schon viele leere Plätze und noch viel mehr davon auf der
Galerie. Das Publikum bedankte sich mit starkem Applaus für den
amüsanten Abend. Leider war es die letzte Aufführung der
Wiederaufnahme-Serie.
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