DER BARBIER VON SEVILLA

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Volksoper
8. Februar 2017

Dirigent und Hammerklavier:
Wolfram-Maria Märtig

Graf Almaviva - Jörg Schneider
Bartolo - Martin Winkler
Rosina - Beate Ritter
Figaro - Ben Connor
Basilio - Stefan Cerny
Fiorello - Alexandre Beuchat
Ambrosio - Martin Bermoser
Berta - Sulie Girardi
Ein Offizier - Hubertus Reim
Notar - Michael Weber


Rosina schupft den Laden
(Dominik Troger)

„Der Barbier von Sevilla“ darf im Haus am Währinger Gürtel wieder seinem eheanbanderlischem Gewerbe nachgehen. Die Produktion ist Anfang Jänner als Wiederaufnahme reaktiviert worden und das turbulente Bühnenspektakel, das sich Regisseur Josef Ernst Köpplinger dazu ausgedacht hat, steht noch bis 6. März auf dem Spielplan.

Die schwungvolle Produktion hat es seit der Premiere im Jahre 2008 laut Programmzettel auf 31 Vorstellungen gebracht – und hoffentlich kommen noch viele dazu. Die Drehbühne zeigt Bartolos Behausung mal von der Straße, mal von innen. Viele, von der Regie detailfreudig gezeichnete Bewohner bevölkern dieses „Bühnensevilla“, das die Handlung so um die Mitte des letzten Jahrhunderts ansetzt. Gesungen wird nach wie vor in deutscher Sprache (eine Ausnahme ist das Ständchen des Almaviva gleich zu Beginn). Das Parlando klingt dadurch etwas „eckiger“, darauf muss man sich einstellen. Was außerdem für die aktuelle „Barbier“-Serie spricht: Die Volksoper hat derzeit einige sehr gute Kräfte zur Hand, die sowohl gesanglich als auch von der darstellerischen Charakterisierung die Köpplinger’sche „Tour de Force“ zu absurd-humorvollem Bühnenleben erwecken können.

Da wäre einmal die Rosina der Beate Ritter. Eine Rosina mit kecker Aufmüpfigkeit, die dank eingelegter stratosphärischer Spitzentöne das Publikum an der ganzen Bandbreite ihres lyrischen Koloratursoprans teilhaben ließ. Die Sängerin hat sich seit ihrem Operndebüt als Yniold 2009 im Theater an der Wien famos entwickelt – und in wenigen Monaten wird sie laut ihrer Homepage in Nancy erstmals die Zerbinetta (!) singen. Die Lockerheit, die Klarheit und die Sicherheit ihrer Tonproduktion bestechen. Für das mit sauberem Verzierungswerk versehene „Una voce poco fa“ (bzw. dem deutschen Äquivalent) gab es starken, längeren Szenenapplaus und Bravorufe.

Der von ihr „durcheinander gewirbelte“ Bartolo wurde von Martin Winkler als schräge Type gegeben, sehr zur Inszenierung passend, die dem Doktor sogar ein Tänzchen mit einem lebensgroßen, auf Räder gestellten Gerippe verordnet. Winkler ist als Sänger immer ein „markanter Kopf“, der mit markanter Stimme auch an die bösartigeren Seelenzustände seiner Bühnenfiguren glaubt. Der Sänger lebt seine Rolleninterpretationen bis ins kleinste Detail: Sogar wenn sich dieser Bartolo im ersten Akt an seinem Schreibtisch sitzend zwei Nasenhaare zupft, lohnt sich der Blick durchs Opernglas. Den alten, kauzigen Liebhaber im Sinne eines klassischen „Bassbuffos“ wie ihn Alfred Sramek als Bartolo in Dutzenden Staatsopern-Vorstellungen verkörpert hat, wird man in Winkler eher nicht entdecken.

Jörg Schneider ist von Statur und Stimme schon „buffonesker“ und turnte als Almaviva mit untersetzter Wendigkeit das Gerüst zu seiner Angebeteten hinauf. Er handhabte seinen lyrischen Tenor mit Humor und selbstironischer Grazie und wird – so steht es auf seiner Homepage zu lesen – ab nächster Saison an die Wiener Staatsoper wechseln. Das ist schön für ihn, aber nicht für die Volksoper, die damit eine qualitativ hochwertige tenorale Stütze (hoffentlich nicht ganz) verliert.

Mit Ben Connor war ein jugendlich-eleganter (und nicht so sehr stimmgewaltiger) Nachwuchsbariton aus dem Ensemble mit dem Figaro betraut worden. Connor hatte es nicht ganz leicht, sich die Bühnenpräsenz zu verschaffen, die von einem Figaro erwartet wird. Möglicherweise machte ihm die deutsche Fassung einen Strich durch die Rechnung. Die Aussprache schien ihm ein bisschen zu weit in den Hals zu rutschen – im Vergleich mit den obgenannten, die mit recht deutlicher Artikulation der Aufmerksamkeit des Publikums „näher“ waren.

Stefan Cerny steuerte den Basilio bei – mehr ein „deutscher Bass“ und deshalb in der richtigen Sprachfassung unterwegs. Der Chor unter der Offiziersleitung von Hubertus Reim tobte sich im Finale des ersten Aktes ganz im Sinne der Regie mit Lust und Laune aus. Szenisch werden in dieser Produktion eben auch die kleinen Nebenrollen gefordert, weil die großen und die kleinen Rädchen nahtlos ineinandergreifen müssen, damit die schwungvolle Inszenierung von Josef Ernst Köpplinger funktioniert. Deshalb freute man sich über den köstlichen Notar von Michael Weber genauso wie über das perfekt getimte „Martyrium“, dass Köpplinger dem armen Ambrosio (Martin Bermoser) als Running Gag zugedacht hat: Es gibt (fast) keine Türe in Bartolos Haus, die ihm nicht auf die Nase kracht.

Das Orchester unter Wolfram-Maria Märtig überraschte schon in der Ouvertüre mit einem leicht seidigen Streicherklang und schlank-wendigem Musizieren. An diesem Abend wurde Rossinis Musik nicht als rasante technische Musikmaschine aufgezäumt, die alles nieder rennt, sondern erfreute mit sängerfreundlicher Lautstärke und einer fast mozartischen Sensibilität. Das hatte Charme.

Leider hatte es das Publikum am Ende der Vorstellung sehr eilig und gönnte den Mitwirkenden für diese szenisch unterhaltsame und musikalisch erfrischende Aufführung nur knappe vier Minuten Schlussapplaus.