IL BARBIERE DI SIVIGLIA

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Wiener Staatsoper
19. 2. 2015

Dirigentin: Michael Güttler

Graf Almaviva - Antonino Siragusa
Bartolo - Alfred Šramek
Rosina - Isabel Leonard
Figaro - Tae-Joong Yang
Basilio - Sorin Coliban
Fiorello - Clemens Unterreiner
Ambrogio - Jaroslav Pehal
Marcellina (Berta) - Simina Ivan
Ein Offizier - Daniel Lökös


Alfred Šramek und sein 173. Wiener Bartolo
(Dominik Troger)

Montag „Il barbiere di Siviglia“ in der Fassung von Giovanni Paisiello im Theater an der Wien, Donnerstag Gioachino Rossinis Vertonung von Beaumarchais Meisterstück in der Staatsoper: Das war eine reizvolle Programmplanung, die es auszunutzen galt.

Mit zwei „Barbier“-Vorstellungen ehrte die Staatsoper diese Woche das 40-Jahr-Jubiläum von Alfreds Šrameks Staatsopernzugehörigkeit. Die erste dieser beiden Vorstellungen fand parallel zur Paisiello-Premiere im Theater an der Wien am Montag statt, mit einer Ehrung von Šramek auf offener Bühne. Die hier besprochene zweite Vorstellung war die „Zugabe“ – allerdings in Folge von Erkrankungen mit leicht veränderter Besetzung.

Alfred Šrameks Dottore Bartolo ist eine Wiener Institution. An diesem Abend wurde laut Programmzettel die 405. Vorstellung dieser Produktion gespielt – und Šramek hat seit 1980 173. Mal (!) den Bartolo gesungen (laut der Onlinedatenbak der Staatsoper). In seinem Spiel mischt sich altersweise Gemütlichkeit mit jugendlichen Anflügen von Liebhaber-Allüren und einem verschrobenen, trockenen Humor. Das verleiht der Rolle eine kauzige Liebenswürdigkeit, wobei die komischen Effekte, die Šramek anwendet, oft ganz einfacher Natur sind. Ein wichtiges Requisit von Šrameks Bühnenhumor ist zum Beispiel ein rotes Taschentuch. Unglaublich, was sich mit einem Taschentuch alles anstellen lässt, wenn zum Beispiel Don Basilio eine feuchte Aussprache hat und im zweiten Akt sein angeblicher Vertreter unter einem schrecklichen, spuckefördernden „S-Fehler“ leidet. Für Šramek waren das aufgelegte Elfmeter für eine herrliche Bühnenblödelei.

Dass die Oper für den Sänger eine Art von „Jungbrunnen“ darstellt, hat er schon öfters in Interviews angemerkt. Möge dieser Jungbrunnen für den Jubilar noch lange sprudeln, und er sein Publikum noch viele Jahre nicht nur mit dem „Rindvieh“ ergötzen, dass er dem Grafen scheinbar extemporierend an den Kopf wirft, als dieser, in der Maske eines betrunkener Soldaten auftretend, Bartolos Namen verdreht. Gesanglich teilte sich Šramek die Partie sehr gut ein. Die Stimmökonomie ging vor.

Antonino Siragusa sang wieder einen überzeugenden Grafen Almavia. Sein Tenor klingt zwar etwas „trocken“, aber der Sänger vermag die Stimme sehr flexibel zu führen, und so gehen ihm zum Beispiel die furiosen „Läufe“ beim finalen „Cessa di più resistere“ locker und mit feiner Gestaltungsgabe von der Kehle. Siragusa hat die Partie schon oft in Wien gesungen (laut Online-Datenbank der Staatsoper gab er an diesem Abend seinen 25. Almavia am Haus!), vermag sie mit viel Humor zu präsentieren und es macht ihm sichtlich Spaß. In seiner Kanzone für Rosina brach beispielsweise spanisches Feuer durch und er legte mal ein kräftiges „Ole!“ ein, oder er ließ von Bartolo entdeckt an der Balkonsäule hängend, um Rosina ein Briefchen hochzustrecken, einen alpenländischen Jodler hören und machte auf „Fernsicht“. Wie schon angedeutet harmonierten Sramek und Siragusa im Spiel bestens miteinander, und das braucht es wohl auch, um den erwähnten lapidaren „S-Fehler“ in eine solche Pointenschleuder zu verwandeln – hier haben sich zwei Sänger gefunden, die auf der selben Wellenlänge „Komödie“ machen.

Auf dieser Wellenlänge funkte auch Sorin Coliban, dessen Rheingold-Riesen-erprobter Don Basilio die Steigerungen der Verleumdungsarie mit effektvoller Lautstärke zu präsentieren wusste. Er und Šramek setzten diese „Verleumdung“ außerdem mit genussvoller und pantomimisch unterfütterter Akribie „in Szene“.

Besonders erfreulich war die jugendfrische Rosina von Isabel Leonard. Die Sängerin hat 2011 als Cherubino in Wien debütiert und die Rosina bereits 2012 am Haus gesungen. Ihr Mezzo ist nicht zu breit und tönt vor allem in der Mittellage mit apartem Finishing, das ihrer geschmeidigen Stimme ein starkes, individuelles Flair verleiht. In der Tiefe ließ das Volumen etwas nach, in der Höhe klang sie etwas kühler. Die Sängerin zeigte eine starke Bühnenpräsenz und viel Spielwitz. Es war köstlich, wie sie zum Beispiel beim „Una voce poco fa“ das sanftmütige „Kätzchen“ herausstrich, um dann wieder mit glühenden Blicken die Krallen auszufahren. Dass die Sängerin außerdem „bildhübsch“ ist, ist eine gern gesehene Zugabe.

Für den erkrankten Marco Caria musste Tae-Joong Yang einspringen. Yang hat den Figaro seit 2008 rund ein Dutzend Mal am Haus gesungen und wusste sich gut in die Inszenierung einzufügen. Sein „robuster“ Bariton ist nicht unbedingt das ideale Werkzeug für Rossini, der Barbier lag ihm aber besser als der Dandini. Clemens Unterreiner sang einen hyperaktiven Fiorello und Daniel Lökös ließ als Offizier seine soldatische Befehlsgewalt so richtig „anschlagen“, bis ihm bei der Lektüre des Grafenpasses „Hören und Sehen“ verging. Simina Ivan vertrat die erkrankte Caroline Wenborne als Marzellina.

Daniel Güttler am Pult eines animiert spielenden Orchesters überzog das Tempo nicht und ließ allen genug Luft zum Singen. Der insgesamt vergnügliche Abend wurde vom gut unterhaltenen Publikum mit rund fünf Minuten Schlussapplaus bedacht.

Aber was ist jetzt mit Paisiello? Eigentlich ist es unfair, die beiden „Barbiere“ miteinander zu vergleichen. Paisiello gehört einer anderen Epoche an, seine Musik ist ohne Zweifel charmanter – aber der Publikumsgeschmack hat die Sache ohnehin längst entschieden: Rossini hat auf allen Linien gesiegt.