DER BARBIER VON SEVILLA

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Volksoper
12. Jänner 2013
Wiederaufnahme

Dirigent: Enrico Dovico

Graf Almaviva - Jörg Schneider
Bartolo - Noé Colin
Rosina - Anja-Nina Bahrmann
Figaro - Mathias Hausmann
Basilio - Yasushi Hirano
Fiorello - Günter Haumer
Ambrosio - Martin Bermoser
Berta - Sulie Girardi
Ein Offizier - Hubertus Reim
Notar - Michael Weber


Unterhaltsamer Barbier am Währinger Gürtel
(Dominik Troger)

Die Volksoper hat ihre fünf Jahre alte Produktion von Gioacchino Rossinis „Barbier von Sevilla“ wieder in den Spielplan aufgenommen. Die schwungvolle Produktion wurde zwar durch Indispositionen ein wenig ausgebremst, aber Rossini ist am Währinger Gürtel nach wie vor gut aufgehoben.

Die ausschweifende, manchmal etwas „deftige“ Art, mit der Regisseur Josef Ernst Köpplinger die Geschichte erzählt hat, ist vielleicht ein bisschen gewöhnungsbedürftig – aber man kann sich schwer daran satt sehen. Das bunte Treiben im Hause des Doktor Bartolo und davor (!) sorgt für rege Unterhaltung. Allerdings – manchmal wird die Musik fast zum Beiwerk einer geschickten „Bewegungschoreographie“, die in der üppig ausgespielten Gewitterszene vor dem Schlussbild ihren Höhepunkt findet:

Da gibt es sogar einen Blitzeinschlag in die Stromleitung neben Bartolos Haus – und Ambrosio, der Diener des Herrn Doktor, der nur auf der Bühne zu stehen scheint, um vom Schicksal gequält zu werden, ist auch hier am Platz – oder besser am Balkon – um sein „Fett“ abzubekommen. Ambrosio erleidet Unfallserien wie ein Stummfilmstar (es ist ja auch eine stumme Rolle), vom Treppensturz bis zum kleinen Hündchen, das ihn beißt. Beim Schlussvorhang wundert man sich, dass dieser arme Kerl überhaupt noch stehen kann.

Aber das ist nur einer dieser mit Liebe zum Detail ausstaffierten Nebenschauplätze mit denen Köpplinger die Geschichten der Bühnenfiguren erzählt – mit einander verwoben, aber parallel (!) zur Haupthandlung, und mit einer Reihe an Komparsen angereichert, die im Vordergrund für eine belebte Gasse in Sevilla um 1960 (?) sorgen. Eine Fleischerei mit einem großen hängenden Schwein darf hier ebenso wenig fehlen wie ein Bordell, dessen „anrüchiges“ Personal sich genauso ins Geschehen mischt, wie Handwerker, die eine Hausfassade „bearbeiten“ – und Comic-Hefte lesen.

Weil man als Publikum natürlich geneigt ist, zuerst einmal auf die Hauptpersonen zu schauen, die gerade singen, entgeht einem einiges an Situationskomik, die rechts und links davon oder im Hintergrund passiert. Das auf der Bühne errichtete und nach vorne offene Doktor-Bartolo-Haus bietet inklusive Stiegenaufgang und zwei Stockwerken weitere Möglichkeiten: mal bügelt Berta ganz oben die Wäsche oder leert ganz unten den Mistkübel in die Tonne, während wieder ganz woanders Rosina ein Briefchen schreibt oder Ambrosio vor dem Fernseher sitzt.

Musikalisch gehörte der Abend der Figur, um die sich in dieser Oper alles dreht: nicht Figaro, sondern Rosina! Anja-Nina Bahrmann hat die Rolle schon an der Volksoper gesungen, aber die Stimme steht jetzt in ihrer ersten vollen Blüte: ein wendiger lyrischer Sopran ganz ohne „Soubretten-Tonfall“, der nicht nur locker der sprudelnden Leichtigkeit Rossini’scher Verzierungskunst zu folgen vermochte, sondern den quirligen Charakter Rosinas mit einem warmen, leidenschaftlichen Timbre unterlegte. Das mischte Koketterie mit Liebesträumen und verströmte das Flair von italienischer Oper, obwohl in deutscher Sprache gesungen wurde. Verbunden mit ihrem komödiantischen Talent blieben da keine Wünsche offen.

Jörg Schneider war ein nicht minder komödiantischer Almaviva, bei seiner als Ständchen dargebrachten Auftrittskavatine allerdings leicht indisponiert. Die Stimme konsolidierte sich glücklicher Weise im Laufe des ersten Aktes. Schneider fügte sich als stämmiges, aber trotzdem körperlich sehr agiles „südländisches Tenor-Klischee“ passend in dieses humoristisch übersteigerte Bühnen-Sevilla ein.

Der von Mathias Hausmann sehr sympathisch gezeichnete Figaro trug vielleicht eine „Fönlocke“ zu wenig in Gesang und Spiel (aber interessanter Weise hat schon Köpplinger den Figaro recht geradlinig gezeichnet). Er wirkte mehr als Ruhepol, um den sich alles dreht. Hausmann ließ einen angenehm timbrierten, lyrischen Bariton hören, der auch schon mal kräftiger loslegen kann, und Rossini eloquent und flüssig zu folgen vermochte.

Noé Colin (Doktor Bartolo) klang schon vor der Pause stimmlich angeschlagen, und wurde vor dem zweiten Akt als indisponiert angesagt. Yasushi Hirano absolvierte ein erfolgreiches Rollendebüt als Basilio. Dass er über eine ausgesprochen vielversprechende Bassstimme verfügt, davon konnte man sich auch an diesem Abend wieder überzeugen.

Der bodenständige Spielwitz der Sulie Girardi als Haushälterin erfreute in dieser Aufführung ebenso wie die pantomimische „Standfestigkeit“ des oftmals eine Türe auf die Nase bekommenden Ambrosio (Martin Bermoser) sowie der Einsatz aller weiteren Mitwirkenden – und das sorgte für einen unterhaltsamen Opernabend.

Enrico Dovico reizte am Pult das Rossini’sche „Beschleunigungsvermögen“ nicht bis zum letzten „Drücker“ aus – und manchmal klang es etwas zu liebevoll-geruhsam. Schon die hübsch gespielte, aber nicht sehr zündend vorgetragene Ouvertüre hat kein „Feuerwerk abgebrannt“, danach verstärkte die Rücksichtnahme auf die Sänger wohl diesen Eindruck.

Das Publikum „erapplaudierte“ sich ein paar Vorhänge und verließ gut gelaunt das Haus. Es war laut Programmzettel erst die 19. Aufführung dieser Produktion seit der Premiere im Frühjahr 2008.