„Unverwüstlicher Evergreen“
(Dominik Troger)
Rosina und Almaviva machen an der Staatsoper wieder ihr Glück – und gespielt wird ausnahmsweise die alte Rennert-Inszenierung.
Doch
die besonderen Umstände des Abends waren nicht zu übersehen:
Trauerbeflaggung am Haus und eine Gedenkminute vor Beginn der
Vorstellung. Gesten der Anteilnahme und des Gedenkens an die Opfer der
schrecklichen Geschehnisse vom Vortag in Graz. Doch Rossinis „Barbiere“
wirbelte den Trauerflor schon in der Ouvertüre davon.
Ein Hinweis auf dem Programmzettel erklärte, dass aufgrund „technischer
Probleme“ die Produktion von Günther Rennert gezeigt wird und nicht die
neue von Herbert Fritsch. Den vielen Touristen im Haus war das ohnehin
egal, aber das Stammpublikum war überglücklich, dieses Mal der
outrierenden Rossiniverblödelung aus dem Jahr 2021 zu entkommen. Die
bunten Plastikfolien dieser Neuproduktion wurden im Februar wegen übler
Geruchsbelästigung aus dem Verkehr gezogen, das alte Bühnenbild von Alfred Siercke reaktiviert. Dennoch wird für 2025/26 der „Barbiere“ wieder in der Regie von Herbert Fritsch angekündigt.
Für die aktuellen drei Juni-Vorstellungen hat man sich auch auf das
alte Regiekonzept besonnen und Bartolos Haus, dieser kluge Bühnenaufbau
mit den einsehbaren Zimmern, wurde sinnvoll bespielt. Die Sängerinnen
und Sänger trugen die alten Kostüme und schienen das Ambiente dieser
Inszenierung zu genießen, bietet es ihnen doch auch viel spielerischen
Freiraum. Sogar der eine oder andere eingestreute Witz war der
Vergessenheit entrissen worden; das „Rindvieh“ etwa, das Bartolo dem
als Soldaten verkleideten Almaviva scheinbar extemporierend in
deutscher Sprache auf den Kopf zusagt.
Ein ganz besonderer Genuss war es natürlich, Bryn Terfels
Wiener Rollendebüt als Basilio ausgerechnet in diesem Rahmen
erleben zu dürfen. Terfel sorgte im ersten Akt für eine verschmitzte,
aber doch ein wenig zurückhaltend präsentierte Verleumdungsarie.
Im Laufe des „Buona sera“ nach der Pause wirkte er gesanglich schon ein
bisschen angeschlagen, so als müsste sein Bassbariton dem Publikum bald
„Gute
Nacht“ sagen – oder hat hier der Sänger selbstironisch gescherzt?
Patricia Nolz sang eine
frische, mit klarem Mezzo ausgestattete Rosina – eine edle Rosina,
humorvoll, ohne die Emotionen zu übertreiben, eine „mozartische“
Rosina, weniger quirlig, sondern ein bisschen abgeklärt, im Timbre ein
fruchtiger Weißwein, mundend, aber nicht übersüß, bekömmlich und
ausgewogen: Diese Rosina trug bereits den Adel der zukünftigen Gräfin
in sich.
Mit Marco Filippo Romano hatte
sie einen umtriebigen, parlandofreudigen, stimmlich juvenil klingenden
Vormund als Gegenspieler. Dort war die Opera buffa zu Hause, aber ohne
den Bartolo mit Haut und Haar der Lächerlichkeit preiszugeben – und
Romano hat auch das Publikum schnell für sich eingenommen. Dazu
gesellte sich mit Stefan Astakhov ein kraftvoller, agiler Figaro mit sympathischer Bühnenpräsenz, den Handlungsfaden fest in der Hand.
Edgardo Rocha spielte
einen umtriebigen Grafen, stimmlich konnte er nicht recht mithalten.
Vielleicht hat sich sein Tenor karrierebedingt von den
Rossini-Kunststücken schon ein bisschen „verabschiedet“. (Die finale
Arie des Grafen wurde gestrichen.) Ana Garotic durfte sich als Berta wie die übrigen Mitwirkenden positiv einbringen. Das Staatsoperorchester unter Marco Armiliato
sorgte für eine gepflegte Begleitung, im Klang „traditionell“, im Tempo
überzeugend, flüssig und angenehm anzuhören. Am Schluss gab es viel
Applaus – rund fünf Minuten lang.
Laut Programmzettel handelte es die 437. Aufführung in dieser
Inszenierung, die 1966 Premiere hatte. Diese Produktion ist ein
unverwüstlicher „Evergreen“, schade, dass das an maßgeblicher Stelle
anders gesehen wird.
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