IL BARBIERE DI SIVIGLIA

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Wiener Staatsoper
24.9.2003

Dirigentin: Fabio Luisi

Graf Almaviva - Juan Diego Flórez
Bartolo - Alfred Sramek
Rosina - Enkelejda Shkosa
Figaro - Carlos Alvarez
Basilio - Maurizio Muraro
Fiorello - Eirijo Kai
Ambrogio - Oleg Savran
Marcellina (Berta) - Aarona Bogdan
Ein Offizier - Johann Reinprecht

Rossini-Genuss
(Dominik Troger)

Wenn man beschwingt Rossini’sche-Melodien trällernd morgens in das Büro marschiert, dann kann das nur eine gutes Zeichen sein. In der Tat: diese „Barbier“-Aufführung hätte ich nicht missen mögen!

Vereinigen sich Gesangeskunst und komödiantisches Talent, dann kann man den Geniestreich, der Rossini mit dem „Barbier“ gelungen ist, so richtig auskosten. Aber selten genug kommt man in den gleichzeitigen Genuss dieser beiden Eigenschaften. Meist mangelt es an der einen oder an der anderen. Doch diesmal brauchte man sich weder um den Gesang noch um die Komödiantik Sorgen zu machen: Mit Juan Diego Flórez und Carlos Alvarez waren Graf und Figaro ausgezeichnet besetzt – ein in jeder Hinsicht ideales Gespann. Der Bartolo lag bei Alfred Sramek in bewährt buffonesken Händen und die Rosina von Enkelejda Skohsa war stimmlich zwar schon ein wenig zu gut entwickelt, aber sie spielte mit keckem Liebreiz und passte sich gewitzt ins turbulente Bühnengeschehen ein. Maurizio Muraro gab als Basilio sein Hausdebüt und hatte es da ein wenig schwerer, sich „einzuspielen“. Seine Leistung war in Ordnung, ohne allerdings wirklich Akzente zu setzen. Nicht vergessen darf man auch Aarona Bogdan, die als Marcellina (Berta) mit ihrer Arie den allgemein guten Gesamteindruck keinesfalls getrübt hat.

Doch der große Star des Abends war natürlich Juan Diego Flórez. Der Almaviva ist für ihn wie maßgeschneidert. Das fängt schon bei seinem blendendem Aussehen an - schlank und aristokratisch, mit feinen Gesichtszügen und kurzem, löckchenschwarzem Haar – gepaart mit jugendlichem Feuer, das aber auch in aller Leidenschaft nie die Contenance verliert. Ja, und wenn er erst singt, dann meint man, er könne, ein neuer Orpheus, kraft seines Gesanges Rossini von den Toten auferwecken. Mühelos meistert er Koloraturen und Höhen, er verleiht den zartesten Liebesregungen Ausdruck mit weichem schmachtvollem Ton, er lässt das Feuer seiner Leidenschaft erglühen, er weiß einen betrunkenen Soldaten ebenso mit Haltung und Witz abzugeben wie einen etwas einfältigen Musiklehrer. Und wenn er dann sogar noch diese Arie kurz vor dem Schluss einlegt, dann versinkt das Publikum in atemloses, andächtiges Lauschen. Diese Arie – im Klavierauszug mit Nr. 18 bezeichnet – wird meistens gestrichen, weil sie, wie es heißt, „musikalisch weniger wertvoll“ sei. Nun, auch wenn sie das wirklich wäre, man muss sie jedenfalls erst einmal so singen wie Flórez, der hier nach zweieinhalb Opernstunden, noch einmal alle seine Künste auspackte und makellos Rossinis reich verzierten Notenreihen folgte. Und da habe ich mir wieder fest vorgenommen, möglichst keine Abend zu versäumen, an dem Flórez die Staatsoper mit seinem so nuancenreichen und stilvollen Gesang erfüllt.

Auch das Orchester war diesmal mit hoher Qualität unterwegs: von Fabio Luisi zu einem beschwingten Rossini mit südländischer Leichtigkeit animiert, der das Geschehen auf der Bühne mit so manchem Augenblinzeln kommentiert. Kurzum, musikalisch ein Abend von hoher Qualität. Den auch das Publikum mit viel Applaus und einem Blumenstrauß für Flórez bedachte. Der Mittwochabend sorgte allerdings dafür, dass man sich dann doch relativ schnell davon machte – schließlich ging es schon langsam auf halb Elf.

Die Inszenierung stammt aus dem Jahr 1966, damals von Günter Rennert umgesetzt, in einem äußerst zweckmäßigen Bühnenbild (ein Haus in südspanischem Stil mit maurischen Anklängen) von Alfred Siercke. Dieses Haus mit zwei Stockwerken besitzt Rolläden, die nach Bedarf hochgehen und den Blick auf das Innere freigeben. Da gibt es im Paterre rechts eine liebevoll eingerichtete Apotheke, in der Bartolo und das Faktotum u.a. ein dampfendes Gebräu zubereiten, um Basilios „Fieber“ zu bekämpfen, da gibt es darüber das Zimmer Bartolos, in dem er von Figaro rasiert wird, da gibt es links im Paterre das Cembalo, für amouröse Gesangstunden und darüber Rosinas Zimmer. In der Mitte verbindet eine Wendeltreppe die Stockwerke bis hinauf unter das Dach. Das Haus hat einen schmalen von zwei Säulen getragenen Vorbau über dem Eingangstor. Darüber befindet sich der Balkon. Das ganze ist hübsch zum Anschauen, aber auch sehr zweckmäßig im Fortschreiten der Handlung, bietet viele Spiel-Möglichkeiten für die SängerInnen, die von der Inszenierung auch weidlich genützt werden. Es war die 306. Aufführung dieser Inszenierung und es mögen noch drei Mal, nein zehn Mal, nein zwanzig Mal so viele werden.