GESPENSTERSONATE
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Kammeroper

16.2.2010

Musikalische Leitung: Daniel Hoyem-Cavazza
Inszenierung: Peter Pawlik
Ausstattung: Cordelia Matthes
Lichtdesign: Christian Weißkircher


Premiere: 13.2.2010

Direktor Jakob Hummel, der Alte - Hans Gröning
Der Student Arkenholz - Alexander Mayr
Der Oberst - Brian Galliford
Amalie die Mumie, Frau des Oberst - Karin Goltz
Fräulein Adele, ihre Tochter - Cornelia Horak
Johansson, Diener bei Hummel - Ted Schmitz
Bengtsson, Diener - Andreas Jankowitsch
Die dunkle Dame - Annette Schönmüller
Die Köchin beim Oberst - Elisabeth Wolfbauer
Das Milchmädchen, eine Vision -
Fiona Hammerl, Ylva-Maj Rohsmann (alternierend)
Die Portiersfrau - Renate Schawitz
Der tote Konsul - Gerhard Dominek
Baron Skanskorg - Ottwald John
Fräulein Holsteinkrona - Susanne Cycha


„Sehenswerte Gespenster in der Kammenoper
(Dominik Troger)

Mit einer gelungenen Produktion von Aribert Reimanns „Gespenstersonate“ legt die Wiener Kammeroper ein deutliches Bekenntnis zur zeitgenössischen Oper ab – und mehrt zugleich den Gusto auf die für Ende Februar an der Staatsoper angesetzte Uraufführung von Reimanns „Medea“.

Der 1936 geborene Aribert Reimann hat die moderne Oper schon um so manches wichtige Werk bereichert. Sein „Lear“ wäre längst wieder einmal für eine Aufführung an einem hiesigen Operntheater fällig – aber immerhin, bald wird es sogar eine Uraufführung geben.

Die „Gespenstersonate“ (1984 uraufgeführt) gibt sich weit weniger aufwendig, als der vertonte Shakespeare, obwohl der Besetzungszettel wirklich nicht zu kurz geraten ist. Die Orchesterbesetzung hingegen ist kammermusikalisch, vom Gestus stark individualisierend auf die einzelnen Instrumente ausgelegt. Reimann sieht in jedem einzelnen der Musiker einen Darsteller, der gleichsam seinen Charakter nach der Anlage des gespielten Instruments entwickelt. Er setzt hier neben viel Flageolett in den Streichern auch auf Klavier und Harmonium und auf sechs im Tonfall markante Bläser.

Überhaupt fasziniert an diesem Werk die Entschlackung der Strindberg'schen Vorlage, die Reduktion auf ein Wesentliches, das gleichsam wie ein Destillat in kristallener, feingearbeiteter Klarheit die Frage nach der Absurdität von Lebensläufen stellt. Was dieses „Wesentliche“ allerdings genau zu sein habe, darüber darf man schon Regalmeter von Bibliotheken füllen. Es geht über den Versuch, die Doppelbödigkeit bürgerlicher Moral zu enthüllen, jedenfalls weit hinaus. Sicher hat schon jemand das Stück auf sein Verhältnis zur Schopenhauer'schen Philosophie abgeklopft, das wäre gewiss ein naheliegendes Unterfangen.

Die Menschen in dieser „Gespenstersonate“ werden in ihrer Persönlichkeit dechiffriert, keiner ist, was er zu sein vorgibt, sondern die anderen sagen ihm, was er zu sein hat. Das Spannungsfeld zwischen selbst geglaubter oder dargestellter Identität und einer, durch ein „soziales Umfeld“ festgestellten kollektiv zugeschriebenen „Persönlichkeit“ ist jedenfalls ein wichtiger Bestandteil, den Reimann herausgehoben hat. Das „pseudo-religiöse“ Fruchtfleisch, mit dem Strindberg den schizophren-existentiellen Kern der handelnden Figuren umhüllt hat, jesuanische Erlösungssehnsucht und Buddhas Geduld bemühend, erscheint im Libretto, das im Vergleich zur Vorlage stark gekürzt wurde, deutlich reduziert.

Die Bühnenwirkung, die sich daraus ergibt, bläst die Staubschichte, die hundert Jahre auf diesem Werk hinterlassen haben, mit selbstironischem Lächeln davon. Möglich, dass heutige Generationen, an Thomas Bernhards „Theatermachereien“ geschult, deutlicher die nihilistische Groteske hinter diesen Bühnenmenschen sehen, als es Strindberg lieb gewesen wäre. Die Musik scheint zumindest davon zu wissen, ihr Mitgefühl verweigert sich dem Verklären, spielt in ihrer Prägnanz durchaus mit sarkastischem Humor. So stellt sich rasch der Eindruck ein, dass sie aus diesem Text erst macht, was er sein soll – und das wäre dann eine der Anlage des Stückes sehr gemäße Sichtweise.

Prägnanz und Klarheit sind auch wesentliche Merkmale der szenischen und musikalischen Umsetzung an der Kammeroper. Das Bühnenbild ist spartanisch gehalten, deutet mit Glaswänden und dem notwendigsten Mobiliar einen modernen Wohnraum an. Der Orchestergraben ist auf der linken Hälfte abgedeckt, um Spielfläche zu gewinnen. Die Kostüme deuten auf die Gegenwart. Die Sängerinnen und Sänger werden sehr gut geführt. Man scheint großen Wert auf ein entsprechendes Wort- und Musikverständnis gelegt zu haben, was in einem sehr kompetent wirkenden Gesamteindruck resultiert. Auch die manchmal etwas extremen Gesangslinien klingen nie überzeichnet, sondern gut in das Gesamtkonzept integriert – und von den Ausführenden werden sie ohne Kraftmeierei oder allzu deutliche stimmliche Überspannung dargeboten. Auch die hohe Wortdeutlichkeit soll nicht unerwähnt bleiben – trotzdem war man dankbar, dass der Text über der Bühne „mitlief“.

Von den Ausführenden muss man zuallererst Hans Gröning als alten Direktor Hummel nennen. Mit herrischem, kühlem Bariton zog er die Fäden, zuerst im Rollstuhl sitzend, dann als großer „Aufdecker“ im Salon des Oberst, bis ihm selbst seine (angeblich?) wahre Identität enthüllt wird und er abzutreten hat. Für Alexander Mayr scheint eine Partie wie die des Studenten Arkenholz ideal. Mayr ist ein versierter Sänger für zeitgenössisches Repertoire, sein Tenor ist sehr elastisch und kann auch noch einen „Counter“ vorne dran setzen. Dadurch klingt sein Gesang sogar in extremeren Lagen natürlich und glaubwürdig.

Karin Goltz lieh der „Mumie“ ihren Alt und war zugleich ein koketter Papagei – zuletzt mit „erdahafter“ Autorität. Cornelia Horak musste von Hyazinthen schwärmen, ihr mädchenhafter Sopran gab dem Fräulein Adele viel Liebenswürdigkeit. Die beiden Diener (Ted Schmitz, Andreas Jankowitsch), der Oberst (Brian Galliford) und die dunkle Dame (Annette Schönmüller) sowie Elisabeth Wolfbauer als Köchin hatten an dem Erfolg regen Anteil. Weiters gab es noch eine Menge an „stummem“ Personal.

Beeindruckend auch das kleine Orchester unter Daniel Hoyem-Cavazza, das mit viel solistischem Einsatz für musikalische Qualität sorgte.

Fazit: Eine rundum gelungene, empfehlenswerte Aufführung!