ZOROASTRE
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Theater an der Wien
16. November 2016
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Raphael Pichon

Ensemble und Chor Pygmalion

Zoroastre - Reinoud van Mechelen
Amélite - Katherine Watson
Abramane - Nicolas Courjal
Érinice - Emmanuelle de Negri
Oromasès / La Vengeance - Christian Immler
Céphie - Léa Desandre
Zopire - Virgile Ancely
Narbanor - Etienne Bazola




„Gut und Böse

In einer konzertanten Aufführung wurde im Theater an der Wien Jean-Philippe Rameaus „Zoroastre“ gegeben. Die „Tragédie en musique“ in fünf Akten wurde 1749 uraufgeführt – und 1756 in einer umgearbeiteten Fassung noch einmal auf die Bühne gebracht.

Im Mittelpunkt des Werkes steht der Gegensatz zwischen dem Religionsstifter Zoroastre und dem Magier Abramane, der eine gut, der andere böse, die um das Erbe des baktrischen Königreiches in den Ring steigen. Der verstorbene König hat zwei Töchter Amélite und Érinice hinterlassen, die beide ein Auge auf Zoroastre geworfen haben. Zoroastre hat sich in Amélite verliebt und Abramane weiß die Eifersucht ihrer Schwester geschickt für seine usurpatorischen Gelüste zu nützen. Zoroastre verkörpert zugleich das Reich des Lichts und des Guten – sein Gegenspieler repräsentiert die Unterwelt und die Dunkelheit. Der Kampf geht natürlich gut aus, Abramane wird mit seiner Priesterschaft von der Erde verschlungen.

Ein Artikel im Programmheft erläutert ein wenig die Unterschiede der beiden Fassungen, demnach rückte die Liebesgeschichte 1756 mehr ins Zentrum und es gab etwa in den Akten 2 und 3 auch auf Handlungsebene starke Umarbeitungen. Im Theater an der Wien wurde an diesem Abend eine Mischfassung gegeben, wobei das Programmheft dazu leider keine weiteren Details verlauten lässt. Es dürfte sich aber im Wesentlichen um eine mit einigen Strichen versehene Fassung von 1756 gehandelt haben, wobei das Finale des fünften Aktes in der Fassung von 1749 gegeben wurde mit dem Schlusschor „Vole, Amour, triomphe de nos ames“.

Auffallend war die von Raphael Pichon und dem Ensemble Pygmalion gewählte relativ große Orchesterbesetzung, die vor allem den bösen Mächten einen dunkel grundierte Begleitung bot, u. a. kamen zwei Kontrabässe, vier (oder waren es sogar fünf?) Celli und vier Fagotte zum Einsatz. Rameau hat in der Instrumentation die Licht- und Schattenwelt sehr anschaulich einander gegenübergestellt etwa wenn die Fagotte immer wieder den bösen Abramane begleiten, die Flöten hingegen für liebliche „Untermalungen“ sorgen.

Das Werk lebt von den Gegensätzen, von Zaubereien, Dämonenbeschwörungen, bleibt handlungsmäßig mehr schablonenhaft. Es gibt gewisse freimaurerische Anklänge im Libretto und ein bisschen fühlt man sich an die „Zauberflöte“ erinnert (Königin der Nacht gegen Sarastro). Die Liebes- und Eifersuchtsgeschichte ist „dünn“, die Charaktere bleiben blass. Der vierte Akt, eine Beschwörung im Tempel der Unterwelt, hat schon etwas von der szenischen „Grellheit“ der Grande opéra: ein blutverschmierter Altar, böse Geister treten in Scharen auf, Furien und die personifizierte Rache bevölkern die Bühne. Es kommt allerhand Schlagwerk zum Einsatz Trommel, Donnerblech, Tambourin und weiters mehr. Schon in der zwischen den ersten und zweiten Akt gesetzten effektvollen Ouvertüre werden die Gegensätze von „Gut“ und „Böse“ problematisiert. Pichon und das Orchester haben Rameaus Musik mit viel Gespür für ihren dramatisch-deklamatorischen Gehalt, aber auch für die Klangfarben realisiert, mit starkem Effekt ebenso wie mit viel Feingefühl. Die kernige Fülle bevorzugte die Bässe, und präsentierte ein Klangbild, bei dem man schon ein wenig den „imperialen Klassizismus“ eines Gluck herauszuhören vermeinte.

Es war eine gelungene Aufführung, die beiden Gegenspieler passend besetzt. Der junge Tenor Reinoud van Mechelen sang einen zwar etwas leisen, aber mit sehr gefühlvollem, sehr poetischem Haute-contre ausdeklamierten Zoroastre – ein Tenor, der den Schafwollenflaum von Schäferspielen in der Stimme trug wie eine Antoine Watteau’sche Idylle; ein religionsstiftender Poet, dem man seine dämonenkriegerischen Eigenschaften vielleicht nicht ganz so „abgekauft“ hat, zumal ihm mit Nicolas Courjal als Abramane ein leicht „schwarz“ gefärbter Bass gegenübertrat, der nicht zu kräftig und zu polternd für die barocken Nuancen, aber rau und gewichtig genug, mit aller Bosheit und Selbstüberschätzung gegen den lieblichen Zoroastre vorzugehen wusste.

Katherine Watsons Sopran passte in seiner unschuldigen Klarheit sehr gut zu van Mechelens Zoroastre, eine tugendreine Königstochter, deren feinfühlige Poesie auf einer festen, schon ein wenig in klingendes Erz gegossenen Liebe gründete. Emmanuelle de Negri unterschied sich im Timbre vielleicht eine Spur zu wenig von Watson, der Sopran etwas metallischer, expressiver. Léa Desandre sang die Céphie mit einem leichten Mezzo, fast ein bisschen kokett. Christian Immler war ein väterlicher Oromases und eine vielleicht etwas zu zahme La vengeance. Virgile Ancely und Etienne Bazola assistierten mit leicht gerautem Bassbariton und Bariton dem bösen Abramane. Der Chor des Ensembles Pygmalion spielte natürlich eine wichtige Rolle, die er auch ausfüllte.

Der Abend war besser besucht als der konzertante Salieri im Oktober. Der Applaus war lang anhaltend und herzlich.