LA GUILANDE / ZEPHYRE
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Kammeroper
30.9.2008

Musikalische Leitung: Bernhard Klebel
Inszenierung & Choreographie: Giorgio Madia
Ausstattung: Cordelia Matthes
Lichtdesign: Norbert Chmel

Barockorchester der Wiener Kammeroper auf historischen Instrumenten

(Premiere 25.9.2008)

La Guirlande

Zélide - Diana Higbee
Myrtil - Erik Leidal
Hylas - Michael Havlicek

Zéphyre

Zéphyre - Marelize Gerber
Cloris, Flore - Liudmila Shilova
Diane - Diana Higbee


Erotische Landschaftsmalerei
(Dominik Troger)

Die Kammeroper lädt derzeit zu einer erotischen Entdeckungsreise ins französische Barock des 18. Jahrhunderts. Zwei kurze „Ballett-Opern“ von Jean-Philippe Rameau (beide um 1750 entstanden) bieten zärtliche Weisen und bacchantische Tänze.

Rameau folgte mit seinen Huldigungen an das „Carpe diem“ einer „anakreontischen Antike“, die sich bei Schäferspielen vergnügt und humorvoll einem geschmacklich verfeinerten Eros huldigt, dem Stilgefühl des Rokoko. Dass sich dieses Stilgefühl auch in das 21. Jahrhundert übertragen lässt, beweist die aktuelle Produktion der Wiener Kammeroper. Mit einer österreichischen Erstaufführung („La Guirlande“) und einer szenischen Uraufführung (!) „Zéphyre“ hat man zwei „Ballet en un acte“ auf den Spielplan gesetzt, in denen sich Gesang und Ballett – entgegen dem Genrebegriff – durchaus die Waage halten. Ob die szenische Uraufführung wirklich eine solche genannt werden kann, dieses Urteil muss die Forschung sprechen: offenbar ist zu Lebzeiten Rameaus und auch danach keine bühnenmäßige Umsetzung belegt.

Rameau erweckt Hirten, Nymphen und Götter zum Leben und arrangiert sie zu „Tableaus der Liebe“, bei denen die Handlung stark in den Hintergrund rückt. Mag auch Myrtil seiner Zélide untreu geworden sein, mag sich auch der Windgott Cloris, einer Dienerin Dianas, lustvoll nähern, es handelt sich nur um Vorwände, die mit zartem Liebesflüstern, viel Vogelgezwitscher und einer tänzerisch hinreißenden Apotheose des Eros ausgekleidet werden.

Das Resultat gleicht kunstvoll geknüpften Gobelins, die ganze Wände in reizvolle Landschaften verwandeln, mit Wiesen und Hecken, hinter denen die weißen Chitons der Nymphen lustvoll hervorblitzen. Und so, wie der Wind mal als zärtliches Lüftchen, mal als ungestüm ästebiegender Gott über die Fluren weht, weiß auch die Musik vom Nachtigallflöten der Sehnsucht bis zum satyrischen Gestampfe der Lust sich in viele Facetten zu streuen – eine erotische Landschaftsmalerei der Liebe.

Der kleine Saal der Kammeroper kommt diesem Einfühlungsvermögen in die bukolische Liebeslyrik der Hirten sehr entgegen und fördert die Wahrnehmbarkeit der körperlichen Sinnlichkeit von Tanz und Gesang. Giorgio Madia hat seine Inszenierung und Ballettchoreographie ganz darauf abgestimmt, Cordelia Matthes Kostüme geschaffen, die nicht immer alles verhüllen, was züchtiger Weise verhüllt werden müsste. Prunkstücke waren die schlanken, zartbeflügelten goldene Helme des Windgottes und seiner nacktschenkeligen Begleiter, Zéphyrs Rüstung selbst, ein Hauch von Variete mit Sopranstimme. Dazu diese Blumen, gelbblütig und auf kleine Bälle gespießt, mit denen sich allerhand Symbolisches und Spassiges anfangen ließ – wie wenig es manchmal doch braucht um eine Bühne zu füllen. Dazu kamen die angedeuteten leichtfüßigen und schwerblütigen körperlichen Vereinigungen, Liebeswerben und tänzerischer Akt, das Schweißschimmern auf der Haut der Tänzer und das Ahnen der Nacktheit unter den durchschimmernden Gewändern der Balletteusen, geschmackvoll und doch eindeutig, das Versprechen und die angedeutete Erfüllung.

Es überrascht mich noch jetzt, wie punktgenau bei dieser Produktion gearbeitet wurde, mit welchem Mut man sich zu einer genusserfüllten Zeitlosigkeit bekannt hat und wie rasch sich das eigene besserwisserische Lächeln über die antikisierenden Gewänder in der Begeisterung für das Dargebotene verlor. Allerdings – die weiß ausgekleidete Bühne, eine Art von Theaterraum mit wellenförmig verbauten Wänden, hatte vor allem den Zweck, für die Tänzer viel Platz zu schaffen – und wirkte ziemlich steril. Es bedurfte der Protagonisten, um ihn zu beleben. Es sei auch angefügt, dass Madias Konzept erst im zweiten Teil nach der Pause, dem „Zéphyr“, voll aufging – „La Guirlande“ brauchte einige Aufwärmzeit und war auch von Rameau mit weniger „extatischen“ Gustostückerln bedacht worden. Allerdings lässt er Zélinde ein ausgesprochen hübsches, sehnsuchtsvolles Klagelied singen – ja, ja, die Nachtigall ...

Als Zélinde überzeugte Diana Higbee mit einem klaren, kühlen Sopran, der eine Aura der Unnahbarkeit vermittelte, was dann bestens zur strahlenden Diane passte, in deren Rolle sie in der Pause hinüberwechselte. Myrtil, der betrügerische Hirte, wurde von Erik Leidal nicht ganz so ausdrucksstark gesungen, ein Haute-Contre, dem es ein wenig an der technisch optimalen Stimmführung zu fehlen schien. Michael C. Havlicek steuerte den Hylas bei – als Stichwortgeber.

Zéphyre lebte auch stark von der prächtigen Erscheinung des Windgottes selbst: Marelize Gerber in diesem goldenen, ritterlichen Kostüm, umwerbend die später zur Frühlingsgöttin Floris geadelte Cloris. Selbige wurde von Liudmila Shilova gesungen, zuerst schüchtern, dann immer koketter von Amors Pfeilen gereizt.

Das Orchester unter Bernhard Klebel sorgte für eine belebende Neuentdeckung dieser Musik, manchmal fast orgiastisch, dann wieder zartbesaitet soweit es die historischen Instrumente zuließen. Das Publikum war schon nach der Pause sehr angetan. Eine empfehlenswerte Aufführung für sinnenfrohe Menschen, die im Theater und der Oper nicht nur den Platz für gesellschaftsdidaktische Übungen sehen.

Weitere Vorstellungen: 2., 4., 7., 9., 11., 14., 16., 18., 21., 23., 25. Oktober 2008, Spieldauer ist inklusive Pause knappe zwei Stunden.