LES BORÉADES
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Theater an der Wien
22. Jänner 2020
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Václav Luks

Collegium 1704 & Collegium Vocale 1704

Alphise - Deborah Cachet
Abaris - Mathias Vidal
Sémire - Caroline Weynants
Calisis - Benedikt Kristjánsson
Adamas - Benoît Arnould
Borilée - Tomáš Šelc
Borée - Nicolas Brooymans
Apollo - Lukáš Zeman
Erste Nymphe - Anna Zawisza / Collegium Vocale 1704
Zweite Nymphe - Tereza Malickayová / Collegium Vocale 1704
L’Amour - Helena Hozová / Collegium Vocale 1704
Polymnie - Pavla Radostová / Collegium Vocale 1704



„Sturmtief

Durchs Theater an der Wien wehte an diesem Mittwochabend eine heftige Prise „meteorologischen Aufbegehrens“: Gegeben wurde „Les Boréades“ von Jean-Philipp Rameau in einer konzertanten Aufführung.

Es handelt sich um die letzte Oper des französischen Meisters, er ist während der Proben zur Uraufführung im Jahr 1764 verstorben. Die geplante Aufführung fand nicht statt. Die Entstehungsgeschichte des Werkes ist nicht restlos geklärt, ein Artikel im Programmheft geht näher darauf ein. Das Manuskript überdauerte die Jahrhunderte in der Biliotheque nationale de France, die erste szenischen Aufführung fand 1982 statt. Es gibt aber offenbar Hinweise auf eine konzertante Aufführung des Werkes 1770 in Lille, die in dem Programmheft-Beitrag allerdings nicht erwähnt werden.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Alphise, Königin von Baktrien, die sich nur mit einem Abkömmling aus dem Geschlechte des Nordwindes, den „Borée“, vermählen darf. Zwei Kandidaten stehen zur Auswahl. Die Königin hat sich aber in den Priester Abaris verliebt, der sich zu guter Letzt als Sohn des Apollo entpuppt. Also geht die Sache, nachdem ein Sturmtief durch das Orchester und durch das Theater gebraust ist, doch noch gut aus. Die Tragedie lyrique in fünf Akten bietet wieder eine typische Rameau'sche Synthese aus Musik, Gesang und Tanz, ergänzt um den eifrigen Einsatz von Bühnenmaschinerie. Solch ein „multimediales Spektakel“ kann eine konzertante Aufführung natürlich nicht bieten.

Rameau hat die Oper raffiniert instrumentiert, das Thema Wind zieht sich in vielen Variationen durch das ganze Werk, von den Flöten bis zur Windmaschine. Musikalisch wecken vor allem das Finale des ersten Aktes und ein mit Gewitterluft gewürzter Contredance Erwartungen, die dann ab dem dritten Akt sogar noch übertroffen werden. Im dritten Akt, der sich vor versammeltem Volk zu einer Sturmmusik aufschaukelt, läuft der Komponist zu Höchstform auf, Alphise wird sogar vom Sturm entführt und davongetragen. Der vierte und der fünfte Akt bringen Klagen des Volkes und weitere bemerkenswerte meteorologische Tiefdruckgebiete. Doch dann erstrahlt in den Streichern plötzlich ein glänzendes Licht und Apollo erscheint. Die Königin darf ihren Geliebten Abaris doch noch heiraten und beiden wird ein zartes Liebesduett gegönnt. Danach stimmt Abaris ein Loblied auf die Liebe an. Tänze beschließen das Werk.

Die Aufführung benötigte allerdings bis zur Pause, um in Schwung zu kommen. Die Ouvertüre wurde vom Collegium 1704 etwas „holprig“ musiziert, es fehlte an Esprit und tänzerischer Leichtigkeit. Nach der Pause, wenn sich die Handlung zum Sturmtief aufschaukelt, gewann der Vortrag an Dichte, Spannung und Homogenität. Er hat dann auch das zur Pause noch etwas dezent applaudierende Publikum „mitgenommen“. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass Rameau nicht unbedingt zu den „Leibkomponisten“ dieses Ensembles zählt.

Die Besetzung bestand vorwiegend aus jungen Kräften. Deborah Cachet gab die Königin Alphise. Die junge Sängerin ist im Herbst bereits im Theater an der Wien in der Mozart’schen „Gärtnerin aus Liebe“ zu hören gewesen. Sie verfügt über eine leicht kristallinen „französischen Sopran“, dem es noch ein wenig an Farben und Pathos für die Ausgestaltung der Partie ermangelte – insofern blieb sie im Ausdruck zu blass. Ihr Geliebter wurde Mathias Vidal verkörpert, der mit schlankem lyrischem Tenor und mit starkem deklamatorischem Ausdruck dem Text folgte, dabei aber manchmal etwas angestrengt klang.

Caroline Weynants hatte als Sémire am Schluss des ersten Aktes ihren großen Auftritt. Rameau verlangt hier eine der italienischen Oper nachempfundene sängerische Virtuosität, der Weynants Sopran mit leicht soubrettigem Einschlag nachkam. Benedikt Kristjánsson – ein Isländer als Haute-contre – steuerte den Calisis bei, in der Höhe fehlte es steht der Stimme an Leichtigkeit und färbte dann leicht nasal.

Tomáš Šelc (Borilée) firmierte – ähnlich wie das Orchester – nach meinem Geschmack auch nicht unbedingt als Spezialist für die französische Barockoper und seinem Bariton fehlte ein wenig die Geschmeidigkeit und deklamatorische Klarheit. Benoît Arnould steuerte den Oberpriester Adamas bei und vermochte mich auch nicht wirklich zu überzeugen. In kleineren Partien kamen noch Nicolas Brooymanns als grimmiger Gott der Nordwinde und Lukas Zeman als Apollo zum Einsatz. Die Durchmischung der Protagonisten war bezogen auf die stilistischen Anforderungen nicht ideal, der Chor hinterließ einen guten Eindruck.

Der Schlussapplaus fiel dann doch noch recht begeistert aus.