DIE ZAUBERINSEL
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Kammeroper
3. Oktober 2018

Premiere am 29.9.18

Musikalische Leitung: Markellos Chryssikos

Regie: Jean Renshaw
Ausstattung: Christof Cremer
Licht: Franz Tscheck

Bach Consort Wien

Neuproduktion des Theater an der Wien in der Kammeroper mit der Oper Köln

Prospero - Kristjan Jóhannesson
Miranda - Jenna Siladie
Dorinda - Ilona Revolskaya
Ariel - Tatiana Kuryatnikova
Ferdinand - Johannes Bamberger
Hippolito - Riccardo Angelo Strano
Trincalo - Dumitru Madarasan

Caliban (Sprechrolle) - Martin Dvorak


Bücherregal mit Meeresblick
(Dominik Troger)

Passend zur „Alcina“-Premiere im Theater an der Wien wurde an der Kammeroper „Die Zauberinsel“ aus der Taufe gehoben: ein Opernpasticcio mit der Musik Henry Purcells auf eine adaptierte Version von William Shakespeares „The Tempest“ geschneidert. Anbei Eindrücke von der dritten Aufführung.

Das Produktionsteam um Regisseurin Jean Renshaw hat sich bei der Konzeption des Abends vor allem von Adaptionen des Stoffes im 17. Jahrhundert inspirieren lassen: etwa durch John Dryden und William Davenant (1667) bzw. einer nach dieser Fassung verfertigten Semi-Opera von Thomas Shadwell (1674). Die Musiknummern für die Semi-Opera-Pasticcio-Fassung in der Kammeroper wurden größtenteils Werken Henry Purcells entlehnt (u.a. „The Fairy Queen“, „King Arthur“). Im Programmheft ist dankenswerter Weise ein Aufstellung der Musiknummern samt ihrer Herkunft enthalten.

Als Bühnenbild wählte man ein großes, vollgeräumtes Bücherregal, das zuerst den Blick auf den Bühnenhintergrund verstellt, im Laufe des Abends aber „geleert“ und schließlich abmontiert wird: Im Finale genoss das Publikum ungehindert einen „romantischen“ Meeresblick. Seitlich der Bühne waren die Wände mit Dschungelmotiven bemalt – auch der von den Darstellern gebildete kleine Chor war als Pflanzen verkleidet.

Die Spielfläche in ihrer Mischung aus Vergangenheits- und Gegenwartsbezügen mit Bücherregal und Dschungeldekor ließ offen, ob sich das Publikum Prosperos Insel als realen Ort oder als Phantasieprodukt exzessiver Lektüre vorstellen soll. Die Gleichzeitigkeit sich scheinbar widersprechender Elemente ergab manch skurrilen Effekt, wirkte aber etwas uneinheitlich und hat eine stringente Entwicklung der Handlung nicht gefördert.

Die sehr flexible und bis in Details durchgearbeitete Personenführung erforderte von den Mitwirkenden viel Beweglichkeit und Geschick (etwa das Klettern auf dem Bücherregal) und war ein Plus des Abends. Jean Renshaw kommt vom Ballett und weiß, was man mit „Körpern“ alles anstellen kann. Diese körperliche Beweglichkeit konnte der sperrigen Beharrlichkeit des Bücherregals aber nur punktuell entgegenwirken – und war auch vor Übertreibungen nicht gefeit. Hier ist vor allem der (auch körperlich) „überdrehte“ Caliban zu nennen (von Martin Dvorák mit unermüdlichem Einsatz gegeben). Außerdem waren er und Trincalo, trotz unübersehbarer Bühnenpräsenz, mehr Anhängsel der Handlung als dramaturgische Notwendigkeit.

Die Handlung entwickelte sich im ersten Akt etwas zäh, die dramaturgische Verzahnung mit der Musik war nicht immer „zwingend“. Die Auswahl orientierte sich offensichtlich mehr an einem „Best of Purcell“-Prinzip. Bei drei Stunden Spieldauer (inklusive einer Pause) fallen solche Details ins Gewicht. Auch nach der Pause hätten ein paar Striche der Unternehmung gut getan.

Mit der Produktion stellte sich ein neues Junges Ensemble des Theaters an der Wien in der Kammeroper dem Publikum vor. Für die jungen Stimmen waren die Rollen der beiden Liebesspaare, Miranda und Ferdinand, Dorinda und Hippolito als „Erstpräsentation“ sehr gut geeignet. Jenna Siladie, Ilona Revolskaya (beide Sopran) sowie der lyrische Tenor Johannes Bamberger und der Countertenor Riccardo Angelo Strano sorgten für überzeugend „schmachtende“ bzw. pointierte Liebesszenen – wobei die Damen den Herren an Spielwitz handlungsbedingt etwas überlegen waren.

Der Prospero von Kristjan Jóhannesson vermittelte zwar zwischen (belesenem) mächtigem Zauberer und liebendem Vater, wirkte auf mich aber etwas steif und in seinem Pathos für die Kammeroper überdimensioniert. Dumitru Madarasan ließ eine – zumindest in der Kammeroper – sich bereits recht kräftig anfühlende Bassstimme hören. Aber weil er als Trincalo die ganze Zeit einen Betrunkenen zu mimen hatte, waren seine Ausdrucksmöglichkeiten etwas begrenzt. Als Ariel hatte Tatiana Kuryatnikova wenig Möglichkeiten, ihren wendigen Mezzo in die Auslage zu stellen – wie insgesamt die Stimmen mehr auf Kommendes neugierig machten, als bei Purcell schon ihre „Erfüllung“ zu finden.

Das Bach Consort Wien unter Markellos Chryssikos sorgte für eine mäßig zündende Begleitung und steuerte für die Dialogpassagen eine hörspielähnliche„Geräuschkulisse“ bei – ein kreativer Ansatz, um dieser „konstruierten“ Semi-Opera doch noch etwas „Pfiff“ zu verleihen.

Viel Gelächter gab es im Publikum, als statt der projizierten Übertitel kurz das Logo einer sehr bekannten Softwarefirma, die in Redmond, USA, ihren Hauptsitz hat, über dem Bühnenrahmen zu sehen war. Die Projektion wurde daraufhin unterbrochen. Nach ein paar Minuten war die Panne behoben und der deutsche Text wurde wieder angezeigt.

Das Publikum in der sehr gut besuchten Kammeroper spendete starken Schlussbeifall. Weitere Aufführungen gibt es noch bis 19. Oktober 2018.