THE FAIRY QUEEN
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Theater an der Wien
19. Jänner 2017
Premiere

Musikalische Leitung: Christophe Rousset

Regie: Miriame Clément
Ausstattung: Julia Hansen
Licht: Ulrik Gad
Zusatztexte: Lucy Wadham

Les Talens Lyriques
Arnold Schönberg Chor

Anna P., Sopranistin - Anna Prohaska
Kurt S., Regisseur - Kurt Streit
Florian B., Ausstatter - Florian Boesch
Marie-Claude C., Dramaturgin - Marie-Claude Chappuis
Rupert C. Schauspieler - Rupert Charlesworth
Florian K., Regieassistent - Florian Köfler
Carolina L., Requisiteurin - Carolina Lippo

Die Mitglieder des Arnold Schönberg Chors übernahmen im Rahmen des Regiekonzepts weiteren Rollen wie Dirigent, Chorleiterin usw.


Zu viel geprobt?
(Dominik Troger)

Barocken Pomp und „Sommernachtstraum“-Flair hat diese Neuproduktion von Henry Purcells „The Fairy Queen“ nicht zu bieten. Im Theater an der Wien wird das Stück entzaubert und als Bühnenprobe gegeben.

Der Abend beginnt mit dem Verbeugen der Künstler und der anschließenden Premierenfeier, dann folgen Rückblenden auf die Probenwochen eins, zwei und vier. Nach der Pause folgen der Tag der Premiere, die Premierenfeier – und natürlich das Verbeugen der Künstler. Geprobt wird in dieser „Zeitschleife“ origineller Weise „The Fairy Queen“ von Henry Purcell. Das wars dann.

Das Bühnenbild des Theaters an der Wien zeigt also wirklich eine Probebühne, auf der Purcells frei nach dem Sommernachtstraum-Stoff komponierte, und mehr im Sinne einer Schauspielmusik zu begreifende „Semi-Opera“ von den Künstlern erarbeitet wurde. Purcells Gesangspartien wurden in dementsprechendes Personal „umgedeutet“: Es gibt also einen Regisseur, eine Dramaturgin, einen Ausstatter, die Darsteller. Die Inszenierung hat aber nicht nur eine Probensituation nachgestellt, sondern Purcells Sommernachtstraumpersonal und „musikalische Allegorien“ (Nacht, Jahreszeiten ...) sollten zugleich etwas über die emotionalen Befindlichkeiten der probenden Künstler verraten – vor allem über ihre Liebesgeschichten und Eifersüchteleien.

Regisseurin Mariame Clément, Ausstatterin Julia Hansen und die um Zusatztexte nicht verlegene Lucy Wadham haben also versucht, angereichert um Purcells torsohafte Musikstücke, eine neue Geschichte zu erzählen. Diese Geschichte berichtet etwa von der Gruppendynamik künstlerischer Arbeitsprozesse, sie berichtet von den divenhaften Allüren der Titania, die dann aus der Produktion aussteigt, sie berichtet von der Sopranistin Anna P., die im Laufe der Proben die Rolle der Titania übernimmt und dabei wohl eine Art von „künstlerischem Durchbruch“ erlebt.

Zwischen den Arien oder zu den Ballett- und Zwischenaktmusiken werden deshalb Gedanken der Protagonisten auf die Bühne projiziert, die sich meist um sehr banale Dinge drehen. Sätze wie: „Soll ich mir die Haare färben?“ oder „Scheiße, ich habe mein Aufladegerät vergessen.“ sollen die „Fiktion“ einer Handlung aufrechterhalten. Zugegeben, diese Zitatauswahl ist ein wenig tendenziös, aber sie erläutert bestens den ganz persönlichen Eindruck, den der Schreiber dieser Zeilen gewonnen hat: nämlich den, eine schläfrig machende „Society-Kolumne“ vorgesetzt zu bekommen. Dass ein paar Elfenchoristen des Arnold-Schönberg-Chors mit Flügelchen über diese Probebühne „hopsten“, war zu wenig der Aufmunterung. (Der Chor wurde auch zweimal in den Orchestergraben gestaucht. Solche Art der Chorführung ist meist ein grundsätzliches Anzeichen für mangelnde szenische Gestaltungskraft.) Der im Laufe der Vorstellung immer heftiger genährte, brennende Wunsch, an diesem Abend einer Aufführung (!!) von „The Fairy Queen“ beiwohnen zu dürfen, wurde – naturgemäß – nicht erfüllt.

Dabei hat sich die Regisseurin die Antwort gleichsam selbst gegeben. Wenn gegen Schluss endlich das naturalistische Bühnenbild in der emotionalen Verwirrung der Premierenfeier kurz mit einer Waldkulisse getauscht wird, spürt man deutlich, wie im schummrigen grünlich-grauen Bühnendunkel Purcells Musik wieder zum Leben erwacht. Die Phase ab der berühmten „Weep“-Arie bis zum Finale war dann auch die stärkste des Abends – während zum Beispiel der zweite Akt mit seinem musikalischen Vogelgezwitscher von der Probebühnenatmosphäre förmlich „erdrosselt“ wurde.

Die Sängerinnen und Sänger vermittelten auch wenig von der ins Traumhafte gewobenen Laszivität aller Wald-, Wiesen-, Wasser- und Luftgeister. Auch hier gelang vor allem der letzte Teil, als Anna Prohaska mit dem „O let me weep...“ allen szenischen Verhinderungsversuchen zum Trotz doch noch so etwas wie sommernächtliche Sentimentalität herbeizauberte, um wenig später zusammen mit Marie-Claude Chappuis lustvoll die Beschwörung Hymens zu vollziehen – von der „Entnaturalisierung“ der Szene emotional positiv beeinflusst und endlich vom Probebühnenstaub befreit. Florian Boesch war als alkoholfreundlicher Ausstatter mit seinem durchschlagskräftigen und wohlgerundeten Bassbariton die prägnanteste Bühnenerscheinung, während der darstellerisch beflissene Kurt Streit in seinen tenoral lyrischen Ambitionen da und dort schon ein wenig begrenzt schien. Durchwegs guten Eindruck machte eine Garde junger Sängerinnen und Sänger: Rupert Charlesworth, Florian Köfler und Carolina Lippo; gewohnt gesangs- und spielfreudig: der Arnold Schönberg Chor.

Die auf historische Aufführungspraxis eingeschworenen Les Talens Lyriques unter Christophe Rousset hatten es gegenüber dieser Szene schwer, Purcell zu seinem Recht zu verhelfen (außerdem wurde zu (!) deutlich demonstriert, wie schwer im „Originalklang“ fehlerfreies Trompetenspiel zu realisieren ist). Purcells Musik hätte ruhig etwas mehr „Atmosphäre“ entwickeln können und eine stärkere Prise an „britischem Humor“. Auch hier war es wieder der finale Part, der mich vor allem beeindruckte, beginnend mit dem solistisch feinfühlig begleiteten „O let me weep...“. Aber wenn man als Zuseher das Gefühl hat, dass zwischen Szene und Musik eine riesige, vor allem Desinteresse erzeugende Lücke klafft, dann muss durchaus in Rechnung gestellt werden, dass die eigene Konzentrationsfähigkeit darunter gelitten haben könnte.

Am Schluss gab es zwar einige Missfallensbezeugungen dem Regieteam gegenüber, aber rund acht Minuten langer Schlussbeifall (und auch schon der freundliche Applaus zur Pause) lassen darauf schließen, dass der Abend von einem Teil des Publikums sehr positiv aufgenommen worden ist.