TOSCA

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"Caravadossi ist ein Juwel von einer Rolle. Jede einzelne Note ist ein Treffer und keine einzige Phrase zufällig oder nur nebensächlich geschrieben. (...) Jeder Tenor, der die Stimme für diese Rolle hat, hat den Sieg schon in der Tasche", meinte Jess Thomas in seiner 1986 erschienen Autobiographie "Kein Schwert verhieß mir der Vater".

100 Jahre Tosca

Dass Puccini überhaupt den Tosca-Stoff zum Komponieren bekam, lag auch an seinem Verleger Giulio Ricordi. Zwar hatte sich Puccini bereits 1889 bei diesem um den Stoff "beworben", doch da wurde nichts draus und Ricordi vergab dann die Rechte an den Komponisten Alberto Franchetti. Inzwischen wurde Puccini zum gefeierten Star. Als er sich 1896 erneut um den Stoff bemühte, musste man Franchetti sein "Erstlingsrecht" wieder "abluchsen". Im Jänner 1898 startete dann Puccini mit der Komposition zu seinem Meisterwerk. Es kam auch zu Zusammentreffen mit Sardou höchstpersönlich. Schließlich mußte das Drama gehörig gekürzt werden und da konnte man Sardou nicht so einfach übergehen. Sardou scheint auch Puccini vom dramatischen Schluss (Toscas Selbstmord) überzeugt zu haben. Puccini dachte da mehr an ein lyrischeres Ende. In Arnaldo Fraccarolis 1926 erschienener Puccini-Biographie liest sich das so - er lässt Puccini erzählen: "Aber auf einem Punkt wollte er [Sardou] unbedingt bestehen, auf der Möglichkeit, dass Tosca, sobald sie sich von der Engelsburg herabstürzt, in den Tiber fällt. 'Das ist nicht möglich Meister', sagte ich ihm. 'Der Tiber ist zu weit entfernt.' - 'Warum ist das nicht möglich?' begann Sardou zu schreien, dem offenbar diese Worte nicht sehr vertraut waren. Und vor unseren Augen entfaltete er eine riesige topographische Karte von Rom, um uns zu überzeugen."

Die Staatsopernaufführung am 14.Jänner 2000 war die 900. Aufführung seit 1910 an diesem Haus, zählt man Hof- und Staatsoper zusammen. Unverwüstlich wie das Werk, ist auch die derzeitige Inszenierung, die aus dem Jahre 1958 stammt und damals von Renate Wallmann (Regie) und Herbert von Karajan am Pult aus der Taufe gehoben wurde. Es sangen Renata Tebaldi (Tosca), Giuseppe Zampieri (Caravadossi) und Tito Gobbi (Scarpia). Diese Inszenierung brachte es bis jetzt auf 479 Aufführungen!

Die Uraufführung der Tosca am 14.1.1900 am Theater Costanzi in Rom fand großes Interesse. Wegen des Andrangs und der dadurch entstehende Unruhe im Theater musste die Vorstellung kurz nach Beginn abgebrochen werden, weil noch nicht alle Besucher ihre Plätze hatte erreichen können. Über die Aufführung berichtet ein Telegramm der "Gazetta musicale" unter anderem (leicht gekürzt): "Erster Akt: Arie des Caravadossi (De Marchi) wird wiederholt. Zwei Hervorrufe. Das Tedeum am Schluss von großartigem Effekt. Laute Ovationen erzwingen eine Wiederholung. Fünf Hervorrufe. Zweiter Akt: Folterszene, große und erregende Wirkung. Gebet der Tosca (Darclée) wiederholt. Am Aktschluss vier Hervorrufe. Der dritte Akt besiegelt den Erfolg. Caravadossis Szene "Und es blitzen die Sterne" wird wiederholt. Ebenso der Schluss des Duettes Tosca-Caravadossi. Im ganzen zehn Hervorrufe, darunter sechs enthusiastische für Puccini, am Ende der Oper. (...) Die gesamte Aufführung sehr nervös, teils auf Grund der Premierenaufregung, teils wegen Drohbriefen an die Darsteller und Gerüchte von einem wahrscheinlichen Attentat." (Zitiert nach Giuseppe Adami: Giacomo Puccini. 2. Auflage. Berlin 1944)

 

Warum wird das "Vissi d'arte" - das Gebet der Tosca im zweiten Akt - liegend gesungen? Weil Puccini es so angeordnet hat. Maria Jeritza war bei einer Aufführung in der Hofoper unbeabsichtigter Weise "zu Boden gegangen" und musste im Liegen weitersingen. Der anwesende Puccini war begeistert!
Den historischen Hintergrund für die Tosca liefern die Versuche Frankreichs Italien zu "republikanisieren". In der Tosca spielt nun die Schlacht von Marengo (14. Juni 1800) eine entscheidende Bedeutung. Die Meldung, Napoleon habe gesiegt, verleitet Caravdossi zu seinen fatalen "Vittoria"-Rufen, die ihm schnurstracks sein Todesurteil einbringen. Scarpia ist nämlich Monarchist. Bei Marengo hat aber Napoleon für das republikanische Frankreich die österreichischen Truppen entscheidend geschlagen. Damit ist auch der Versuch, der im zweiten Koalitionskrieg gegen Frankreich vereinigten Herrscherhäuser (u.a. Österreich, Preußen, Russland) Italien zu "restaurieren" gescheitert. Bereits 1798 hatten die Franzosen den Kirchenstaat aufgelöst und den Papst deportiert. Ebenso wurde das Königreich Neapel in eine Republik umgewandelt. Österreichische Truppen konnten jedoch ein Jahr später die französische Heere aus Italien zurückschlagen. In Neapel wurde unter Ferdinand IV. die Monarchie wieder hergestellt, in Rom die Restaurierung des Kirchenstaates durchgeführt. Tosca selbt ist bei Sardou übrigens Monarchistin, die sozusagen ihrer Liebe zum Opfer fällt. Musikalisch ist die Tosca - als Nachfolgerin der Boheme - fast ein Stilbruch. Puccini schuf hier einen Höhepunkt der veristischen Oper, jenseits der händchensuchenden Verliebtheit in einer Pariser Künstlerkolonie. Aber es ist ja wirklich auch ganz ein anderes Sujet. An manchen Stellen erinnert der packende nahezu gewalttätige Zugriff des Orchesters an die archaischen Tongebilde einer Elektra - freilich um die entsprechende "Italianita" gemildert. Dazwischen eingebettet dann wie Inseln in ruhigeren Gewässern die "Arien" Caravadossis und Toscas. Für das Te deum konsultierte Puccini sogar einen ihm bekannten Priester.