TURANDOT
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Staatsoper
17. April 2018

Dirigent: Fredéric Chaslin


 

Turandot - Lise Lindstrom
Altoum - Wolfram Igor Derntl
Kalaf - Roberto Alagna
Liù -Aleksandra Kurzak
Timur - Ryan Speedo Green
Manadrin - Paolo Rumetz
Ping - Boaz Daniel
Pang - Jinxu Xiahou
Pong - Leonardo Navarro
Prinz von Persien - Oleg Zalytskiy
Mägde - Irene Hofmann, Wilma Mallert

Der weiße Clown - Josef Borbely


„14. Aufführung in dieser Inszenierung“
(Dominik Troger)

Die aktuelle „Turandot“-Produktion der Wiener Staatsoper ist zwei Jahre alt. 14 Aufführungen wurden bis jetzt gespielt, verrät der Programmzettel. An der aktuellen Aufführungsserie interessierte vor allem das Wiener Rollendebüt von Roberto Alagna als Kalaf.

Manrico, Otello – und jetzt Kalaf. Roberto Alagna hat sich dem Wiener Publikum seit dem Februar 2017 in drei neuen Partien vorgestellt: Während sein Otello überzeugte, lag der Manrico seinem Tenor – nach meinen Eindrücken – weniger. Den Kalaf packte Alagna vor allem durch seinen dramatisch-virilen Einsatz „am Schopf“, Momente geschmeidig-sinnlicher Lyrik gab es kaum. Insofern war das mit Krafteinsatz erzielte Ergebnis mehr Kompromiss, als stimmlich restlos überzeugend. Aber diese unstillbare Leidenschaft Kalafs, dieser heroische Wille, das eigene Leben für die Liebe Turandots aufs Spiel zu setzen, sprang von dem Sänger rasch auf das Publikum über und gewann es im Handumdrehen. Auf diese Weise dominierte Alagna vom ersten Akt an das Geschehen und hob sich vom übrigen Ensemble deutlich ab. Es gab zwei, drei Momente, in denen seine Stimme leicht in Gefahr zu geraten schien, aber diese verhuschten glücklicherweise wie ein Staubkörnchen, dass man davon pustet.

Mit Lise Lindstrom war wieder die Turandot der Premiere aufgeboten worden – und wieder habe ich mir die Frage gestellt, warum die Sängerin ihren Sopran mit dieser Rolle strapaziert. Ihre Stimme klang angespannt und unstet, die Mittellage und Tiefe für die Partie zu flach, die Spitzentöne wurden forciert und tendierten dazu, grell zu färben. Die Sängerin erzwang sich gewissermaßen die Partie. Das ist schade, weil sie als Salome das Potenzial ihres Soprans an der Staatsoper bereits bewiesen hat. Dass Turandot in dieser Inszenierung von Marco Arturo Marellei stark vermenschlicht wird, ist für Lindstrom von Vorteil, weil ihre Stimme nicht die kühle Selbstsicherheit einer grausamkalten mythischen Märchenprinzessin ausstrahlt.

Die Liu wurde von Aleksandra Kurzak gesungen. Wie schon bei ihrer Desdemona zu hören war, ist die Stimme nach ihrer „Babypause“ dem lyrischen Koloraturfach zwar entwachsen, aber bei Verdi oder Puccini noch nichzt wirklich angekommen. Und deshalb schwebte über ihrer emotional starken Bühnenpräsenz eine Hauch von stimmlicher Fragilität, der sich auch in einer nicht immer ganz exakten Intonation niederschlagen konnte.

Die übrige Besetzung bewegte sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten; Ryan Spido Green (Timur) besitzt nun mal einen etwas rauen, kantigen Bass, der sich nicht für alle Partien gleich gut eignet. Wolfram Igor Derntl war ein noch sehr stimmkräftiger und gesanglich gar nicht so „weltferner“ Kaiser, die Minister gingen mehr oder weniger eindrucksvoll ihren, in dieser Inszenierung etwas „kruden“ Amtsgeschäften nach, und Frédéric Chaslin am Pult sorgte für das, was man in Summe unter einem unspektakulären Repertoireabend verbuchen kann. Es folgte der übliche Applaus.

PS: Die Inszenierung von Marco Arturo Marelli verschenkt die Auftritte der Turandot. Wahrscheinlich wollte er sie „menschlicher“ zeigen, aber dass er damit das Machtgefälle zwischen Turandot und Kalaf einebnet – und damit auch die überirdische Kraft der „Liebe“ schmälert, die diese unüberwindbar scheinende Kluft überbrückt, hat er offenbar nicht einkalkuliert. Wie so oft heutzutage orientieren sich Regisseurinnen und Regisseure an der Banalität des Alltags und verschmähen das starke emotionale Potenzial, das Märchen und Mythen besitzen (ein Potenzial, dessen Handhabe allerdings auch nicht ganz ungefährlich ist). Im Märchen macht Kalafs Liebeswerben nur dann einen Sinn, wenn er dabei ohne Rücksicht auf sein Leben das Unmögliche (!!) versucht. Und in der Oper spielt auch die Bühnenoptik eine große Rolle: Turandot muss in der Rätselszene so unnahbar und hoch wie nur möglich über Kalaf thronen, sie muss auf diesen herabschauen wie auf ein Würmchen zu ihren Füßen, dass sie kaum mehr wahr nimmt.