TURANDOT
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Puccini-Portal

Wiener Volksoper
27.10.2006
Premiere

Dirigent:Leopold Hager

Inszenierung & Choreographie: Renaud Doucet
Bühne & Kostüm: André Barbe
Licht: Guy Simard
Choreinstudierugn: Michael Tomaschek

 

Turandot - Eva Urbanova
Altoum - Peter Minich
Timur - Albert Pesendorfer
Kalaf - Roy Cornelius Smith
Liu - Melba Ramos
Ping - Enrico Marucci
Pang - Karl-Michael Ebner
Pong - Sebastian Reinthaller
Mandarin - Karl Huml
Erste Hofdame - Lidia Peski
Zweite Hofdame - Katharina Ikonomu

„Augenschmaus“
(Dominik Troger)

Ein Fest fürs Auge brachte die Neuinszenierung der „Turandot“ an der Volksoper: mit allerhand Insekten bevölkert sich die Bühne, es gibt eine Unmenge phantasievoller Kostüme, eine schwungvolle Massenchoreographie, viel Show und ein bisschen Romantik. Der musikalische Teil bleibt hinter dem szenischen Volltreffer deutlich zurück.

Volksoperndirektor Rudolf Berger hat ein „Märchen“ bestellt – und er hat eines bekommen. (Vielleicht sollten Operndirektoren öfter solche Wünsche äußern?!) Das Regieteam handelte dem Auftrag entsprechend und entwickelte eine zeitlose „Turandot“-Inszenierung, die sich ihre künstlerische Inspiration aus der Vielfalt des Insektenreiches holt: schillernde Laufkäfer und Schmetterlinge, drohende Gottesanbeterinnen und emsige Ameisen, tanzen, marschieren, singen, spielen die Geschichte von „Turandot“. Romantisch und bedrohlich, poetisch und ein bisschen psychologisch, vermengt mit ein paar Gags, machen sie den Abend zum schwungvollen und begeisternden Bühnenfest. Solch visueller Pracht durch das depressiv-karge Weltuntergangstheater deutscher Provenienz entwöhnt, staunt man als Zuseher wie das Kind vorm zuckerlbehängten Weihnachtsbaum.

Dabei soll nicht der Eindruck erweckt werden, hier würde mit dem Turandot-Stoff in nachlässiger, unstatthafter Weise verfahren. Ganz im Gegenteil: das revuehafte Ambiente steckt in den Massenszenen eines cineastischen Phantasiechinas ebenso wie in Puccinis Musik. Der geschickt auf der Gefühlsklaviatur des Publikums spielende Hollywood-Sound ist nur mehr eine Handbreite weit entfernt. Außerdem lässt sich gerade anhand des Insektenreichs die aggressive Uniformierung und Lenkung von Massen bestens visualisieren, denen ein einzelnes Individuum bedroht gegenüber steht.

André Barbe (Bühne und Kostüme) hat aus diesem „natürlichen“ Fundus großartige Kreationen geschaffen – mit Zangen verschiedenster Art, panzerartigen, schillernden Flügeldecken, leuchtenden glühwürmchenähnlichen Gestalten. Am eindrucksvollsten ist das Design der Henkerin, mit langgestrecktem, sich verjüngendem Helm und langen silbernen Sichelarmen, mit schwarzem Gesicht und schwarzer Brust, eine düstere Verbindung von Eros und Tod. Liu wird sich in sie stürzen, um Selbstmord zu begehen.

Eine Einschränkung muss sein: Turandot als weißer Nachtfalter kommt nicht immer gleich gut zur Geltung – im dritten Akt, wenn sie Kalaf als „Frau“ gegenübersteht, leidet ihre Reputation ein wenig unter dem Kostüm. Auch Kalaf als „wolliges Etwas“ entbehrt ein wenig des „Besonderen“. Ihre ganz besonderen Vorzüge spielt die Inszenierung in den Massenszenen aus und in der geschickten Illustration der Handlung. Dazu gehört auch der Einsatz der Drehbühne, die sich mal in die Unterbühne, dann wieder Richtung Schnürboden schraubt, einmal als Plattform für die Henkersknechte, dann wieder als Podest für das im Sonnenaufgang erstrahlende Brautpaar.

Dass die Musik vor soviel szenischer Üppigkeit in den Hintergrund tritt, hat Vorteile, man hört nicht so aufs (wenig ausgefeilte) Detail. Dirigent Leopold Hager hielt gut die Spannung und sorgte für knallige Effekte. (Gespielt wird der klassische Schluss von Franco Alfano, der das von Puccini hinterlassene Fragment zu einem stilsicheren Abschluss führt.)

Von der Besetzung schlug sich Roy Cornelius Smith als Kalaf am überzeugendsten. Das Timbre ist ein wenig hart und schmelzlos, gewinnt aber in der Höhe an metallischer Beimischung. Er hat mit Verve gesungen und den Abend publikumswirksam über die Runden gebracht – nur hatte er in der Turandot von Eva Urbanova eine teils sehr angestrengt wirkende Partnerin, die in lyrischeren Passagen öfters kaum noch zu hören war (ein Problem der Akustik auf meinem Rangplatz?). Melba Ramos hat als Liu einigermaßen mitgehalten, so richtig rund und weich und zum Hinschmelzen wurde es nicht. Peter Minich „sang-sprach“ den Kaiser, es klang wie ein berührendes Abschiednehmen... Recht witzig die Minister, und soweit rollendeckend der Timur von Alfred Pesendorfer. Mit viel Einsatz waren die TrägerInnen teils komplizierter Kostüme, die Chöre, die Elevinnen der Ballettschule, die Komparserie bei der Sache.

Zum Abschluss gab es viel Applaus von einem großteils sehr erfreuten Publikum – und keine Buhrufe!