MANON LESCAUT
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Wiener Staatsoper
29. Oktober 2023

Dirigent: Jader Bignamini

 

Manon Lescaut - Anna Netrebko
Lescaut - Davide Luciano
Des Grieux - Yusif Eyvazov
Geronte - Evgeny Solodovnikov
Edmondo - Carlos Osuna
Der Wirt - Marcus Pelz
Ein Sergeant - Simonas Strazdas
Musiker - Juliette Mars
Vier Madrigalisten - Daliborka Lühn-Skibinski, Irena Krsteska, Anna Lach, Katarina Porubanova


„Glamoursopran und Krafttenor

(Dominik Troger)

Anna Netrebko ist als Manon Lescaut an die Wiener Staatsoper zurückgekehrt. Sie taucht die Partie wieder in ihren dunklen Sopran und spielt die verführte und verführerische Manon mit kokettem Lebenshunger, der sie von der französischen Provinz schlussendlich und schicksalshaft bis nach Nordamerika entführt.

Das Ambiente der Inszenierung ist leider nach wie vor dasselbe: Manon Lescauts Tod im Shopping Center als moralisierende Paraphrase auf ein konsumlüsternes Zeitalter. Die Premiere ging im Jahr 2005 über die Bühne, laut Programmzettel wurde an diesem Abend die 41. Vorstellung dieser Produktion gespielt, in der Regisseur Robert Carsen viel zu krampfhaft versucht hat, „zeitgemäß“ und „kritisch“ zu sein.

Dass der Abend vor allem von Anna Netrebko geprägt werden würde, war keine Überraschung. Ihr üppiger Sopran schwelgte in Puccinischer Lebensfreude samt einer großen Portion Liebesleid. Das Mädchenhafte dieser Bühnenfigur, so manche musikalisch ausgezierte Seelenregung wird von der breitströmenden Mittellage ihrer Stimme inzwischen zwar weitgehend überdeckt, der Anflug von „Backfischgehabe“ im ersten Akt wirkte trotzdem nicht aufgesetzt.

Der zweite Akt liegt Netrebko wahrscheinlich am besten, zwischen Glanz und Glamour und stürmischen Liebesgefühlen kann sie sich und ihre Stimme in die „Auslage“ stellen. Beim von der Regie geforderten Fotoshooting garnierte sie manche Pose mit viel Erotik und wenig später lockte und verführte sie Des Grieux mit ihrem mezzogrundierten, nougatcremigen Sopran zu einer kurzen Liebesszene. Im vierten Akt prunkte Netrebkos Stimme noch einmal in aller Fülle, ihre Energie flutete das Haus, und während Manon Lescaut irgendwo hinter New Orleans in fiebrigem Durst verschmachtete, labte sich das Publikum an diesem sattrunden „Wohlfühl-Sopran. In der Höhe klang die Stimme fragiler als bei der Aufführungsserie 2016, aber nach wie vor ohne Schärfe.

Yusif Eyvazov gab sein Wiener Rollendebüt als Des Grieux. Aufschmelzende „Kantilenen“ waren seine Sache nicht, das charakteristische sprödmetallische Timbre seines Tenors drängte sich an diesem Abend zu kräftig in den Vordergrund. Seine gesanglichen Liebesbezeugungen gestalteten sich etwas lautstark, aber er bewältigte die Partie sicher, mit gutem Gespür für Puccinis tenorale Höhepunkte.

Davide Luciano gelang als Lescaut in Summe ein gutes Rollendebüt an der Staatsoper, ein Eindruck, der sich aber erst im Laufe der Vorstellung verfestigte. Evgeny Solodovnikov fiel als Geronte schon zu deutlich ab, Carlos Osuna, der als Edmondo regiebedingt einen  Fotografen zu mimen hat, punktete vor allem darstellerisch. Das Orchester unter Jader Bignamini wird sich in den kommenden Aufführungen der Serie hoffentlich in der Lautstärke etwas einbremsen, für mehr Glanz sorgen und sich einfühlsamer auf Puccinis Emotionen einlassen. Der erste Akt diente noch dem allgemeinen „Zusammenfinden“ und schwächelte, im Publikum kam zuerst auch keine Stimmung auf. Der Schlussapplaus dauerte rund acht Minuten lang.

PS: Vor der Oper beim Zugang Kärntnerstraße war vor Beginn wieder ein sehr kleines Grüppchen an Demonstranten aufmarschiert, um gegen den Staatsopernauftritt von Anna Netrebko zu protestieren. Sie wurden kaum beachtet, auch im Haus gab es keinen Widerspruch.

PPS: Das Gehuste im Auditorium ließ darauf schließen, dass schon die erste große Verkühlungswelle im Anrollen ist, und ein saftiger „Nieser“ erschütterte im vierten Akt jäh die von Manon mit qualvollem Klagen gefühlte Einsamkeit ...