MANON LESCAUT
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Wiener Staatsoper
4. 9. 2005

Dirigent: Marco Armiliato

 

Manon Lescaut - Barbara Haveman
Lescaut - Eijiro Kai
Des Grieux - Robert Dean Smith
Geronte - Janusz Monarcha
Edmondo - Cosim Ifrim
Der Wirt - Clemens Unterreiner
Ein Sergeant - Johannes Wiedecke
Vier Madrigalisten - Erika Hatházi, Maria Gusenleitner,
Barbara Reiter, Gabriella Bessenyei

Auf nach Amerika!
(Dominik Troger)

Mit „Manon Lescaut“ hat die Staatsoper den Start in die neue Saison abgeschlossen. Robert Carsens kritischer Blick auf das Einkaufsverhalten der Menschen im 21. Jahrhundert gibt für diese reißerische Liebesgeschichte nach wie vor ein sprödes Ambiente ab. Musikalisch bot der Abend grellen Verismus.

Denn dafür sorgte ausgiebig Marco Armiliato am Pult. Das „Amerikamotiv“ am Schluss des dritten Aktes knallte durchs Haus wie eine schmetternde Fanfare zum amerikanischen Unabhängigkeitstag. An solchem „Realismus“ hätte sich Carsen ein Vorbild nehmen sollen und seine handschellengarnierte, magersüchtige High-Society-Modeshow wäre zu einem üppigen Defilee von Pariser Straßenmädchen in Cheerleader-Röckchen mutiert. Armiliato ließ das Haus vom Orchester gehörig durchblasen und vertraute mit sicherem Instinkt auf Puccinis emotionale Hochschaubahn. Damit blieb auch die Langeweile aus, die sich dem Werk zu bemächtigen sucht, sobald Manon und Des Grieux nicht zusammen auf der Bühne stehen.

Als Des Grieux schaute der Bayreuther Tristan, Robert Dean Smith, in Wien vorbei. Er sang einen ökonomischen Des Grieux, der zwar nicht immer mit der Lautstärke des Orchesters mithielt (oder mithalten wollte), aber mit Ausdauer und ohne hörbare Verschleißerscheinungen die grellen Leidenschaften beschwor. Die Stimme ist vom Grundcharakter zwar heldisch, aber schlank und beweglich trainiert. Sie kommt mit Puccinis leidenschaftlich-eruptivem Stil sehr gut zurecht. Den braven Sohn aus gutem Hause, der unvermittelt auf Abwege gerät, nimmt man ihm gerne ab, die zunehmende Verwahrlosung in seinem Abhängigkeitsverhältnis zu Manon weniger. Die Inszenierung ist in diesem Punkt aber völlig verfehlt, weil sie diese Entwicklung nicht kommuniziert, weder in der Personenregie noch in den Kostümen.

Barbara Havemann bot eine sich Genuss und Liebe aufopfernde Manon. Sie vermittelte eine intensive Rollengestaltung, die womöglich von ihrer Stimme stellenweise mehr fordert, als sie einen ganzen Abend lang zu geben bereit sein sollte. Die restliche Besetzung konnte nicht ganz an die Premierenserie anschließen: Eijiro Kai war für Boaz Daniel als Lescaut eingesprungen, Janusz Monarcha hat die Partie des Geronte vom pointierteren Wolfgang Bankl übernommen, Cosim Ifrim war Saimir Pirgu als Edmondo nachgefolgt.

Starker Applaus am Schluss – und die Erkenntnis, dass sich diese „Manon Lescaut“-Aufführung trotz anders gelagerter Qualitäten und Nachteile mit der Premierenserie vom letzten Juni durchaus messen konnte.