MADAME BUTTERFLY
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Staatsoper
29. September 2012

Dirigent: Stefan Soltesz

Cio-cio-san, genannt Butterfly - Raffaella Angeletti
B.F.Pinkerton - Joseph Calleja
Sharpless - Eijiro Kai
Suzuki - Zoryana Kushpler
Goro - Benedikt Kobel
Yamadori - Peter Jelosits
Kate Pinkerton - Lydia Rathkolb
Onkle Bonze - Il Hong
Der kaiserliche Kommissär - Mihail Dogotari
Der Standesbeamte - Martin Müller
Mutter Cio-Cio-Sans - Jozefina Monarcha
Base - Secil Ilker


Ansprechende Butterfly am Samstagabend
(Dominik Troger )

In der ersten von drei „Madama Butterfly“-Vorstellungen an der Wiener Staatsoper sang Raffaella Angeletti an Stelle der ursprünglich angekündigten Oksana Dyka die Titelpartie. Joseph Calleja gab sein Rollendebüt als Pinkerton.

Joseph Calleja hat zuletzt vor drei Jahren an der Wiener Staatsoper gastiert, und die Karriere des aus Malta stammenden Tenors hat sich seither erfolgreich weiterentwickelt. In Sachen Puccini zählt er derzeit zu den „ersten Adressen“ – und das bewies er auch an diesem Abend. Die Stimme ist eine Spur fülliger geworden, wird aber nach wie vor von einem charakteristischen Timbre bestimmt, das „nostalgische Eleganz“ versprüht und inzwischen als Callejas Markenzeichen gelten darf. Vor allem in der Höhe dürfte sein Tenor zugelegt haben, besitzt jetzt einen festen, klangvollen Kern, mit dem er sicher übers Orchester kommt.

Calleja sang den ganzen Abend über recht locker und ökonomisch, von einer lyrischen Haltung ausgehend, die sich sehr gut mit dem melodischen Fluss von Puccinis Musik verband. Nur in wenigen Passagen hatte ich das Gefühl, dass Calleja sein Stimmvolumen wirklich ausreizte, etwa als er sehr bestimmt dem Fluch von Onkel Bonze begegnete. Dafür gerieten ihm die „Butterfly“-Rufe im Finale wohl eine Spur zu leise und zu wenig expressiv. Als Figur stattete er den Pinkerton mit sympathischer, aber noch unreifer Jugendlichkeit aus: ein Mann, der nicht an die Folgen seines Tuns denkt und den Augenblick genießt.

Darstellerisch hatte Raffaella Angeletti mehr zu bieten: Dem Aussehen nach zwar der kindlichen Jugendlichkeit Butterflys entwachsen, fühlte sie sich sehr gut in den fremden Kulturkreis ein, zeigte eine erhabene, mit Feinheiten versehene Gestik. Den Vorbereitungen zum Selbstmord gab sie einen weihevollen, rituellen Ernst, und eine Ahnung vom heroischen Schicksal eines Samurai wehte durch die Staatsoper. Aber da lief Butterfly zum Glück ihr Sohn in die Arme und verhinderte die blutige Beendigung des Rituals vor dem Souffleurkasten. Der finale Akt fand kurze Zeit später hinter einem Wandschirm statt.

Angelettis Sopran hörte man an, dass er schon vor einiger Zeit „in Dienst gestellt“ wurde. Die Sängerin hatte aber ihre Stimme gut im Griff, formte zu expressivem Gefühlsausdruck, wo sich im dramatischen Gesang deutliche Schärfe und stärkeres Flackern hinzugesellten und bemühte sich ansonsten um eine lyrische Nuancierung, was über weite Strecken recht gut gelang. Butterfly wurde dadurch sehr selbstbewusst gezeichnet, glaubhaft in der unerbittlichen Konsequenz dem eigenen Schicksal gegenüber, ohne dass dabei die Handlung auch nur eine Minute lang in ein „Rührstück“ abgeglitten wäre. Das Kindliche der Figur blieb eher angedeutet – der „ausbeuterische Imperialismus“ ebenso, aber der ist auch kein Thema dieser Produktion, deren Bühnenbilder „originales“ japanisches Kolorit verströmen und die jetzt zum 355sten Mal (!) gespielt wurde.

Eijro Kai gab dem Sharpless Profil, zeichnete ihn als zwischen Entscheidungsschwäche und Mitleid schwankenden Mann, und zählte zu den positiven Überraschungen des Abends. Das übrige Ensemble schlug sich gesanglich solide bis verbesserungswürdig.

Stefan Soltesz leitete den Abend zügig, mit sensiblem Gespür für die musikalischen und emotionalen Höhepunkte und gewisse strukturelle Feinheiten. Er verfiel dabei weder in „Rührseligkeit“ noch spielte das Orchester mit „übertriebener Härte“: eine kompakte, mir persönlich zusagende Wiedergabe des Werkes.

Das Publikum applaudierte rund fünf Minuten lang. Der Applaus erstarb dann schlagartig. Der einzige Blumenwurf für Calleja blieb rechts (vom Zuschauerraum aus gesehen) auf der Bühne liegen. Das rosa Bukett fiel keinem der Künstler beim Schlussvorhang auf. Der Eiserne Vorhang hätte es fast zerquetscht, verfehlte es aber um ein paar Zentimeter – und so lagen die Blumen weiter einsam auf der Bühne, und die Blüten blinzelten traurig in den leeren Zuschauerraum, während das Publikum bei der Garderobe staute: eine kleine, lyrische Tragödie des Alltags gleich einer „Prosaskizze“ von Peter Altenberg.