MADAME BUTTERFLY
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Theater a.d. Wien
29.5.2003
Gastspiel Stadttheater Klagenfurt


Dirigent:
Marc Piollet
Regie: Dietmar Pflegerl
Bühne: Bernd-Dieter Müller
Kostüme: Annette Zepperitz

Wiener Symphoniker
Chor des Stadtheaters Klagenfurt

Cio-Cio-San, genannt Butterfly - Seo Hye-Yeon
Suzuki - Julia Kim
Pinkerton - Evan Bowers
Kate - Johanna Wölfl
Sharpless
- Andrew Golder
Goro - Alexander Nagy
Yamadori - Willi Jeschofnik
Bonze - Sorin Coliban
Kaiserlicher Kommissar - Vassil Slavov
Staatsbeamter - Reda-El Shennawi
Kind - Maximilian Turnovsky

u.a.

"Tödliche Gefühle"
(Dominik Troger )

Eine Produktion des Klagenfurter Stadttheaters bei den Wiener Festwochen? Dem Applaus nach zu schließen war es ein voller Erfolg.

Um Missverständnisse zu vermeiden, der Erfolg hat nicht wirklich mit den musikalischen Leistungen des Abends zu tun. Dieser Erfolg hat vor allem mit der Inszenierung zu tun, mit einer bis in jede einzelne Gestik ausgeformten Personenregie.

Diese Inszenierung ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie man auch aus einem insgesamt eher glanzlosen SängerInnen-Team, Charaktere schaffen kann, die den Handlungsfaden mit einer bewunderswerten Natürlichkeit und Glaubhaftigkeit bis zu seinem bitteren Ende ablaufen lassen. Regisseur Dietmar Pflegerl hat „seinen“ SängerInnen die Haut oberflächlicher „Opernhaftigkeit“ abgezogen, er hat sie als Menschen ernst genommen, als Menschen, die mit ihrer ganzen Emotionalität und hingebungsvoller Liebe in eine fatale Beziehung zu einander treten. Das trägt den Abend bis zum Schluss.

Pflegerls Personenführung erreicht die Qualitäten des Kinos, holt wie unter Großaufnahme die spielerische Leidenschaft Pinkertons, das beschämte Zögern des Konsuls, Cio-Cio-Sans Verzweiflung hervor. Die rituelle Gestik Japans (beide weiblichen Hauptpersonen sind mit Asiatinnen besetzt) kommt dabei ebenso zum Tragen wie die saloppere Art der Amerikaner, die sich mit zunehmender Irritation in diesem aus weißen luftigen Zwischenwänden gebauten Haus bewegen. So zweifelt man als Zuseher keine Sekunde an der Glaubwürdigkeit des von Puccini weidlich ausgebreiteten Liebes-Schmerzes. Pflegerl hat das Werk aus Folkore und Kitsch neu geboren. Was braucht es mehr?

Die Inszenierung rührt weder an die Zeit noch an den Ort der Handlung. Das helle Bühnenbild erzeugt eine gewisse Abstraktion, aber im Vordergrund gibt es einen kleinen Teich und weißes Sitzmöbiliar und es wird Tee serviert. Insofern atmet die ganze Umsetzung eine wohltuende Konventionalität, die es den Zuschauern ermöglicht, sich ganz auf die emotionsgeladene Handlung zu konzentrieren. Die heikelste Stelle, Cio-Cio-Sans Selbstmord, vollzieht sich hinter einer dieser Trennwände. Cio-Cio-San steht seitlich zum Publikum, das durchschimmernde Weiß der Wand mildert den dramatischen Effekt, im Vordergrund spielt das Kind am Teich mit einem Schiff. Schon schaut Frau Pinkerton vorbei...

Der rein musikalische Part war da schon weniger überzeugend. Marc Piollet lockte am Pult das Orchester immer wieder viel zu lautstark aus der Reserve. Er hielt sich zwar konsequent an die dramatische Pragmatik des Werkes, aber eine feinfühligere musikalische Artikulation ließ er ebenso vermissen wie das SängerInnen-Team. Puccinis Spiel mit unterschiedlich stimmungskolorierten Klangfarben blieb ziemlich ausgespart. Auch die melodischen Akzente wurden nicht allzu stark forciert, so als ob man fürchte, in kitschigem, operettenhaftem Fahrwasser auf Grund zu laufen.

Sowohl Evan Bowers (Pinkerton) als auch Seo Hye-Yeon (Cio-Cio-San) überzeugten weniger durch stimmliche Mittel als durch ihr rollendeckendes Spiel. Beide haben kein Stimme, die sozusagen von sich aus imstande wäre, die Zuhörer zu überwältigen. Bowers hat eine glanzlose, etwas eigenartig gestimmte Mittellage, die ihm als Pinkerton (und in dieser Inszenierung) zum interessanten Charakterisierungsmerkmal wurde. Es fehlte die Leichtigkeit der Übergänge ebenso wie eine gewisse lyrische Gestimmheit. Der Marineoffizier spielt mit Cio-Cio-San eher wie ein Bub mit einem Plüschbären. Das war kein Pinkerton für romantische Seelen.

Auch Seo Hye-Yeon, deren etwas flackernde, unsolide Stimmführung sich im Laufe des Abends merklich besserte, ist keine „Schön-Sängerin“ und gewinnt nur dann, wenn sie im gesanglichen Ausdruck ganz die Hingabe an die Emotionalität der von ihr dargestellten Person vollzieht. Da waren ihre fast barbarisch hinausgezielten Höhen dann vom Schmerz oder von der impulsiven Freude Cio-Cio-Sans so durchdrungen, dass man sie einfach glauben musste, obwohl man sie sich so nicht gewünscht hätte.

Letztlich siegte Puccini als genialer Musikdramatiker auf allen Linien, während der Komponist wohl kaum zum Schwelgen kam. Der Abend verging schnell und Betroffenheit stellte sich ein. Mir schien, dass Taschentücher weit weniger oft gezückt wurden, als bei Butterfly-Aufführungen üblich (was ich ja nicht unbedingt als Mangel empfinde). Aber vielleicht wird auch das Publikum immer abgebrühter?