LA BOHÈME

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Wiener Staatsoper
7.12.2012

Dirigent: Franz Welser-Möst

Rodolfo - Piotr Beczala
Schaunard - Alessio Arduini
Marcello - Adrian Eröd
Colline - Dan Paul Dumitrescu
Benoit - Alfred Šramek
Mimì - Anita Hartig
Musetta - Valentina Nafornita
Parpignol - Martin Müller
Alcindoro -
Alfred Šramek


„La Bohème, 396. Aufführung in dieser Inszenierung“

(Dominik Troger)

Paris im Winter, Wien im Winter, vorweihnachtlich ist es noch dazu: Also der beste Zeitpunkt, um Giacomo Puccinis „La Bohème“ auf den Spielplan zu setzen. Und die Aufführung hielt, was der Besetzungszettel versprach.

Anita Hartig ist als Mimi inzwischen zur Opern-Weltreisenden geworden. Sie singt diese Rolle an vielen großen Häusern und bei dieser Serie von vier Vorstellungen auch zum ersten Mal „offiziell“ in Wien. Ihr Rollendebüt am Haus gab sie aber schon letzte Saison: Hartig sollte die Musetta singen, sprang dann aber in einer einzigen Vorstellung als Mimi ein. Was Hartigs Mimi auszeichnet ist ein hohes Maß an Authentizität: Man spürt ihre schüchterne Zurückhaltung und wie die Einfachheit ihres bescheidenen Erdendaseins plötzlich von der großen Liebe überrascht wird. Hartig spielt und singt die Rolle feinfühlig und in lyrischer Grundhaltung. Ihr schlanker Sopran ist klar und eher „nüchtern“ timbriert, gewinnt nicht durch Sentimentalität, sondern durch Mitgefühl. In den dramatischen Momenten öffnet sich die Stimme raumfüllend. Sie klingt dabei kaum scharf oder forciert.

Mit Piotr Beczala stand ihr ein Rodolfo zur Seite, der ähnliche Vorzüge zu bieten hat: Ein junger Poet, der hier eine große Liebe erlebt, in einer Mischung aus Schüchternheit und Wagemut. Beczalas Tenor ist ebenfalls mehr lyrisch ausgerichtet und metallisch schlank. Er sang ein schön eingebundenes „hohes C“ im „eiskalten Händchen“ und steuerte auch am Schluss des ersten Aktes im Zusammenklang mit Mimi den passenden Spitzenton bei. Der glutvolle „italienische Tenor“ ist Beczala nicht, aber er hat sich die Rolle inzwischen sehr gut für seine etwas zurückhaltendere Natur zurechtgelegt. Hartig und Beczala passten in ihrer Art zu spielen und zu singen sehr gut zusammen.

Gekrönt wurde der Abend von einer starken Ensembleleistung: Valentina Nafornita gelang es, die Klippen der Musette ohne schrille Töne zu bewältigen, Adrian Eröd ist ohnehin einer der besten Schauspieler-Sänger des Staatsopern-Ensembles, Alessio Arduini brachte „echten“ italienischen Charme als Schaunard ein, lebhaft, schönstimmig und mit „Künstler-Mähne“, und Dan Paul Dumitrescu gab einen ruhigeren, schon gesetzter wirkenden Colline. Alfred Sramek steuerte als Benoit und Alcindor wieder seine Komik bei: zum Beispiel seine spezielle Art der „Weinverkostung" im Café Momus.

Sogar Franz Welser-Möst scheint inzwischen auf den „Geschmack“ von „La Bohème“ gekommen zu sein. Bei der Wiederaufnahme vor zwei Jahren klang vieles harscher und lauter als an diesem Abend. Im ersten Bild atmete das Orchester passend mit den Liebesbezeugungen der Protagonisten, im dritten Bild wurde die emotionale Gefühlsschaukel ansprechend nachvollzogen. Im Finale durften sich die Gefühle entfalten und wurden nicht durch eine zu harte Orchestersprache geleugnet. Wenn trotzdem eine eher sachliche Grundstimmung vorwaltete, so war das in Anbetracht der Besetzung der Hauptpartien durchaus passend: „La Bohème“ wurde an diesem Abend nicht zum schwülstigen „Groschenroman“.

Was sonst noch aufgefallen ist: Das Publikum spendete dem Bühnenbild zum zweiten Bild spontanen Szenenapplaus: Franco Zeffirelli sei es gedankt. Den wagenziehenden Esel, der zur Wiederaufnahme reaktiviert wurde, gibt es noch immer. Zum Sterben hat Mimi offenbar einen neuen Muff im Dalmatiner-Look bekommen?! Auf der Galerie war von den rückwärtigen Garderoben nur eine in Betrieb, dementsprechend stark war der Andrang bei den geöffneten. Das ist weder besucherfreundlich noch in Anbetracht des angesetzten Publikumsrenners und der winterlichen Außentemperaturen verständlich: eine weitere Sparmaßnahme im Billeteursumfeld? Die Ansage erfolgt jetzt erst, wenn das Licht abgedunkelt wird. Das ist zu begrüßen. Leider versteht man sie immer noch nicht deutlich genug.

Der Applaus dauerte rund sechs bis sieben Minuten lang und das Publikum beklatschte eifrig die gelungene Vorstellung.