LA BOHÈME |
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Wiener Staatsoper Dirigent: Philippe Jordan |
Rodolfo
- Marcelo Alvarez Schaunard - Vladimir Moroz Marcello - Adrian Eröd Colline - Janusz Monarcha Benoit - Alfred Sramek Mimì - Tamar Iveri Musetta - Alexandra Reinprecht Parpignol - Martin Müller Alcindoro - Alfred Sramek |
Saisonstart an der Staatsoper: Vor allem Marcelo Alvarez überzeugte bei seinem Rodolfo-Debüt. Die Stimme ist in den letzten eineinhalb Jahren dramatischer geworden, ohne deshalb an lyrischer Hingabe zu verlieren. Sein Rodolfo ist ein unkomplizierter, liebenswürdiger junger Mann, der die starke Bühnenwirkung vor allem aus seiner Musikalität und den bestens disponierten gesanglichen Möglichkeiten bezieht. Das angenehme Timbre wirkt zwar etwas glatt und entwickelt wenig personales Eigenleben, aber die Stimme sitzt bei ihm wie angegossen, nahezu nahtlos erfolgt der Registerwechsel, und sie verfügt über viel Reserven. Locker und mit angemessenem Gestaltungswillen folgt er Puccinis schwelgerischem, in Noten gesetztem Poetentum. Dabei verpasst er dem verliebten Literaten durchaus dramatische Qualitäten, ohne lyrische Feinfühligkeit vermissen zu lassen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch seine homogen klingende und effektvolle Höhe, bei der er noch zulegen kann. Es verwundert nicht, dass Alvarez derzeit zielstrebig einen Fachwechsel vorbereitet, unlängst hat er in London mit dem Caravadossi reüssiert. Auf der schauspielerischen Seite bietet er ein mäßiges, teils recht einstudiert wirkendes Niveau – das Aufdecken psychologischer Nuancen durch perfekte Gestik und Mimik bleibt anderen Sängern vorbehalten. Tamara Iveri hat diese Partie schon vor ein paar Jahren in Wien gesungen. Hier wäre ein Vergleich lohnend, aber ich habe ihr Debüt damals verabsäumt. Sie gibt eine Mimi, die im ersten Akt bei aller befangenen Schüchternheit ihr Selbstbewusstsein deutlich hervorkehrt. Das passt gut zu ihrer Stimmfärbung, die mit leicht dunkler, angenehmer Grundierung der Zuhörerphantasie keine naive, sozusagen sich selbst noch unbewusste, mädchenhafte Sinnlichkeit vermittelt und beim Forcieren schon einen markanteren Charakter erhält. Auf allzu intensive Lyrismen hat sie sich nicht eingelassen. Insofern ist diese Mimi sehr modern, steht mit beiden Beinen im Leben und lässt die Zuhörerschaft ihr Schicksal ziemlich deutlich mitfühlen. Im vierten Akt gestaltet sie mit einfachen Mitteln und ohne Manierismen eine sehr berührendes Sterben. Alexandra Reinprecht ist als Musetta (Rollendebüt) eine Augenweide, aber ihre „skandalöse“ Launenhaftigkeit kam mehr im Spiel als in dem herausfordernden Walzerlied zum Vorschein. Allerdings hob das zweite Bild insgesamt nicht so richtig ab, was auch an Philippe Jordan gelegen haben dürfte, der das Orchester kaum zu schwungvollem, auf lange Bögen berechnetem Spiel angehalten hat (das manchmal fast gedehnt wirkte). Die Partitur wurde teils zwar fast kammermusikalisch ausgeleuchtet, aber der trockene, ungeschmalzene Klang ergab einen ziemlich nüchternen Puccini-Sound. Ein wenig mehr an Sentimentalität hätte nicht geschadet. Mit Adrian Eröd als Marcello stand Musetta ein „malerischer Weichzeichner“ zur Seite, in der Ausstrahlung und im Gesang wie gewohnt sehr sympathisch während Alfred Sramek in den kurzen Auftritten als Hausherr und als reicher Liebhaber wieder Gustostückerl seines pointenreichen Komödiantentums ablieferte. Die restliche Besetzung fügte sich gut ins Ensemble ein und Janusz Monarcha (Colline) nahm gerührt von seinem Mantel Abschied. Das Haus dürfte ausverkauft gewesen sein und die Mitwirkenden erhielten viel Applaus, allen voran Marcelo Alvarez und Tamara Iveri. Die jahrzehntealte Zeffirelli-Produktion macht im Repertoire ihre Sache nach wie vor bestens. |