LA BOHÈME

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Staatsoper
11. April 2019

Dirigent: Ramón Tebar

Rodolfo - Bryan Hymel
Mimì - Olga Bezsmertna
Marcello - Boaz Daniel
Schaunard - Manuel Walser
Colline - Ryan Speedo Green
Musetta - Andrea Carroll
Benoit / Alcindoro - Wolfgang Bankl
Parpignol - Dritan Luca
Sergeant - Dominik Rieger
Zollwächter - Jeong-Ho Kim
Obstverkäufer - Daniel Lökös


„Repertoirealltag“

(Dominik Troger)

„Wunder und wilde Märe“ gibt es von dieser Staatsopern-„La Bohéme“ nicht zu berichten. Natürlich, dafür war es auch die „falsche“ Oper. Aber mit Bryan Hymel war ein Gast angesetzt, der dem vorwiegend aus dem Staatsopern-Ensemble rekrutierten Abend einen gewissen „Starglanz“ hätte verleihen sollen.

Dem US-amerikanische Tenor, der beim Alter immer noch einen „3er“ vorne stehen hat, ist in den letzten Jahren eine steile Karriere gelungen. Der große Durchbruch kam mit dem Einspringen für Jonas Kaufmann als Énée am Royal Opera House im Jahr 2012. Der Sänger hat sich in Folge vor allem für das französische (Helden-)Fach empfohlen, ein biegsamer Tenor mit „Muskeln“ und sicherer Höhe. 2014 erfolgte sein Debüt an der Wiener Staatsoper als Pinkerton, dem aber keine weiteren Auftritte im Haus am Ring mehr folgten.

Bryan Hymel begann die Vorstellung wenig erfolgversprechend mit eigenartig „gedrückt“ klingenden, leicht nasal eingefärbten Tönen – zum Glück für ihn und für die Zuhörerschaft legte sich das im Laufe des ersten Aktes relativ schnell. Aber sein Tenor vermittelte den ganzen Abend lang wenig Schmelz, klang in der Mittellage geraut und die sicher gesetzten Spitzentöne gingen nicht wirklich auf, auch wenn sie über ein metallisch gefärbtes Squillo verfügten und genug Stamina besaßen. Eines der berühmtesten Tenorstücke der Opernliteratur wurde seitens des Publikums nur mit kurzem, beifälligem Applaus quittiert: sein wenig ausdifferenziert vorgetragenes „Che gelida manina“ hatte nicht zu zünden vermocht.

Wie die Vorstellung insgesamt fand auch Hymel nach der Pause zu stärkerer Intensität und mehr „puccini’schem Melos“. Die Stimme klang jetzt entspannter und die wohldosierten Schluchzer im vierten Akt vermittelten die erwartete Betroffenheit des Tenors über den Bühnentod des Soprans. Aber ein besonderes „Glanzlicht“ hat Hymel dieser Vorstellung nicht „aufgesetzt“, dazu blieb sein Bühnenleben zu stark dem Repertoirealltag verhaftet, aus dem sich diese „La Bohème“ den ganzen Abend lang nicht hat aufschwingen können.

Olga Bezsmertna gab mit dieser Aufführungsserie ihr Staatsoperndebüt als Mimi. Ihr Sopran besitzt ein melancholisches „Flair“, das gut zur Rolle passt. Aber diese Mimi umgab eine Ausstrahlung, als wäre sie schon im ersten Akt von ihrer Krankheit siech vereinnahmt worden: Bei all ihrer Bescheidenheit müsste doch noch ein Funken Lebensfreude in dieser jungen Frau zu finden sein, eine kurze Berauschung an der ersten Liebe. Das „Mi ciamano Mimi“ machte kaum Eindruck – wurde auf der Galerie aber von einem sekundenlangen Handygeklingel gestört.* Das „hohe C“ als Schlusspunkt des ersten Aktes klang dünn und „zittrig“, Spitzentöne hatten insgesamt eine Tendenz zur Schärfe. Stärkeren Eindruck hinterließ auch bei ihr der Teil nach der Pause, ein paar schöne Pianophrasen, die Gefühlsaufwallung im Duett mit Rodolfo im dritten Akt – und im vierten Akt kann eine Mimi ohnehin kaum etwas falsch machen.

Als Musetta gab Andrea Carroll ihr Rollendebüt am Haus: eine sympathische Musetta, ohne den Bogen im zweiten Akt zu überspannen und ihren warmtimbrierten Sopran mit Gewalt zur Outrage zu verleiten. Marcello lag bei Boaz Daniel in bewährter Kehle – ansonsten zeigten die „Freunde“ vor allem Spielfreude. (Der Mantel, den Ryan Speedo Green als Colline zu besingen hatte, war hoffentlich nicht so grobschlächtig gestrickt wie die Stimme seines Trägers.) Wolfgang Bankl gab die beiden älteren Herren mit gebotener Komödiantik: Auch das Umfallen mit einem Sessel (Finale zweiter Akt) will gelernt sein.

Die musikalische Begleitung unter Ramón Tebar am Pult war auf die ganze Vorstellung bezogen zu uneinheitlich, im Klang spröd und oft zu laut. Vor allem der erste Akt litt unter dem wenig einfühlenden Dirigat, das insgesamt mehr schwärmerische Sinnlichkeit und mehr Humor gut vertragen hätte.

Die stimmungsvolle und nach wie vor passende Inszenierung von Franco Zeffirelli ist bekannt und feierte an diesem Abend laut Programmzettel ihre 436. Aufführung. Der Schlussapplaus dauerte vier bis fünf Minuten lang. Es war wenig Stammpublikum im Haus – und das hat nichts „Epochemachendes“ versäumt.

* Die Dame saß Galerie Halbmitte Rechts. Sie wühlte verzweifelt in ihrer großen Tasche, um ihrem „mobile device“ den „Garaus“ zu machen. Nach gefühlten Ewigkeiten ist ihr das dann gelungen.