TOSCA

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Volksoper
12.10.2008
Premiere

Dirigent: Josep Caballé-Domenech

Regie - Alfred Kirchner
Ausstattung - Karl Kneidl

Floria Tosca, berühmte Sängerin - Ann-Marie Backlund
Mario Cavaradossi, Maler - János Bándi

Scarpia, Polizeichef von Rom - Morten Frank Larsen
Cesare Angelotti - Stefan Cerny
Der Mesner - Martin Winkler
Spoletta, Polizeispitzel - Karl-Michael Ebner
Sciarrone - Stefan Tanzer
Schließer - Heinz Fitzka
Ein Hirt - Florentin Fink


„Herbe Tosca“

(Dominik Troger)

Gestern „Faust“ an der Staatsoper – heute „Tosca“ an der Volksoper. Der Volksoper sind in den letzten Jahren immer wieder empfehlenswerte Opernaufführungen gelungen, diese „Tosca“-Premiere gehörte nicht dazu.

Gewiss, die „Tosca“ an der Staatsoper ist eine Institution. Sie als Maßstab für eine Volksopern-Aufführung zu nehmen, wäre ungerecht. Die Volksoper lässt zudem auf deutscher Sprache singen – eine ungewohnte und in Summe ziemlich holprige Angelegenheit. Aber selbst wenn man den bekannten Niveauunterschied in Rechnung stellt und die andere Sprachversion: diese Tosca-Aufführung war keine Ruhmestat.

Das begann schon beim Orchester. Viele Dirigenten haben in der Vergangenheit bewiesen, dass das Volksopernorchester mehr kann, als laut zu spielen, dass man es zu einem sinnlichen Klang ebenso verführen kann, wie zu einem differenzierten und genauen Spiel. Von all dem war bei dieser Premiere nur sehr wenig zu merken – und die unfreiwillige „Nachdenkpause“ der Klarinette in der Einleitung zur „Sternen-“Arie passte bestens zum Gesamteindruck einer sehr ungeschliffenen, brutal-knalligen Orchesterbegleitung.

Die SängerInnen kamen dadurch schwer unter Zugzwang – und waren durch ihre technisch zum Teil wenig gefestigt klingenden Organe benachteiligt. Die Mittellage des etwas trockenen und engen Soprans von Ann-Marie Backlund klang beispielsweise überraschend leise, und verschluckte Toscas emotionale Avancen im ersten Akt. Nur mit stark forcierten, scharfen Höhen übertrumpfte sie das Orchester und verschaffte sich derart beim Zuhörer eine gelittene Aufmerksamkeit. Außerdem störte starkes Vibrato ihr „Vissi d’arte“, das ihr dadurch ein wenig zerflatterte. Für die Seltsamkeiten der Regie konnte sie natürlich nichts, es ist im Gegenteil zu befürchten, dass sie sich genau daran gehalten hat.

János Bándi setzte bei seinem ebenso trocken klingenden Cavaradossi vor allem auf Kraftmeierei und das Deutsch zerstückelte ihm die Phrasierung, so er wert darauf gelegt haben sollte, sich dadurch besonders auszuzeichnen. So kam nicht einmal bei den beiden tenoralen Gustostückerln Stimmung auf, fehlte es an den von Puccini subtil und sinnlich entworfenen musikalischen Bögen, wurde insgesamt die veristische Extase an diesem Abend viel zu oft durch überlautes Musizieren und einem an die Schreigrenze stoßenden Singen ersetzt.

Morten Frank Larsen war sichtlich und hörbar ein Opfer der Regie, die Scarpia zu dem „Bösen-an-sich“ abgestempelt hat, sowie der musikalischen Begleitumstände. Larsen hat sich in der Vergangenheit durch eine schöne und geschmackvolle Stimme ausgezeichnet. Er ist vom Typ ein Kavalier, ein augenzwinkernder Verführer, ein unwiderstehlicher Herzensbrecher. Nun hätte sich über diese Eigenschaften vielleicht die Chance geboten, Scarpias genusssüchtige Sinnlichkeit zu entdecken, die auf der Hand liegt, wenn man sich den zweite Akt etwas genauer ansieht. Gewinnt doch erst dadurch die Figur ihren zwiespältigen, interessanten Charakter, gewinnt doch erst dadurch das Katz- und Maus-Spiel mit Tosca Scarpias Narzissmus befriedigenden Sinn. Aber solch mehrschichtiges Verfahren wurde an diesem Abend konsequent vermieden. Das Resultat war ein zweiter Akt, in dem auf der Bühne vor allem Lautstärke dominierte, von einem überhitzt und blechern klingenden Orchester angespornt.

Besser gelang der Mesner, gesungen von Martin Winkler. Er entwickelte eine spannende Mischung aus Humor, Angst vor Scarpia und Intrigantentum – das wäre ausbaufähig gewesen.

Das Bühnenbild war – solcher Grundkonzeption gemäß – funktionell, die modernen Kostüme ebenso (einzig Tosca durchbrach die Runde der Krawatten-Bösewichte ab dem zweiten Akt durch ein Kleid mit langer Schleppe): das Stahlrohrgerüst vor der projizierten Kuppel eines Kirchenraums, ein Kellerloch (!) als „Scarpias Zimmer“, eine weite offene Bühne mit einer großen, an der Seite halbversteckten Engelsfigur im dritten Akt ...

Ziemlich problematisch waren einige Regieeinfälle, die den Abend manchmal in die Nähe einer Parodie rückten. Wenn sich Scarpia im Te Deum den Oberkörper entblößt und mit seinem eigenen Gürtel geißelt, dann wirkt das mehr als seltsam. Am Ende des zweiten Aktes scheint Tosca Scarpia mit dem Messer förmlich zu zerfleischen - weniger ist oft mehr. Eigenartig auch, dass Cavaradossi vor seiner Exekution mit einem Papierflieger gespielt haben soll. Fast hätte er dadurch seine eigene Erschießung verpasst. Doch er wird noch einmal gerüffelt und an die Wand gestellt. Peng! Geradezu mitleiderregend wirkte der Auftritt des jungen Hirtenknaben zur Einleitung des dritten Aktes: auch hier der nackte Oberkörper, ein in den Händen gehaltener Blumenstrauß, geht er einmal dorthin, dann wieder zurück, lange Sekunden eines unmotivierten, absurden Bühnendaseins.

Kaum mehr zu überbieten war der „bittere“ Schluss: Tosca sinkt entseelt zu Boden – vor Erschöpfung, Ohnmacht oder wegen eines gebrochenen Herzens? Von ihren Verfolgern ist weit und breit nichts zu sehen. Ein seltsam luzider Abgesang auf einen Abend, bei dem am Beginn noch versucht wurde mit übergroßem Realismus zu punkten: Angelotti ist keine drei Sekunden auf der Bühne und da bekotzt er diese schon mit einem weitem, deutlich sichtbaren Schwall ...

Das Publikum spendete Tosca im zweiten und Cavaradossi im dritten Akt pflichtbewussten Szenenapplaus – der starke Beifall am Schluss kam dann doch überraschend.