TOSCA

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Wiener Staatsoper
4.1.2003

Dirigent:Jun Märkl

Floria Tosca, berühmte Sängerin - Daniela Dessi
Mario Cavaradossi, Maler - Marcello Giordani
Scarpia, Polizeichef von Rom - Marcello Mastromarino
Cesare Angelotti - Boaz Daniel
Der Mesner - Wolfgang Bankl
Spoletta, Polizeispitzel - Walter Pauritsch

"Ein Aquarell mit kräftigen Farben"
(Dominik Troger)

Italien auf der Bühne – und im Zuschauerraum. Für Daniela Dessi, Marcello Giordani und Alberto Mastromarino in den Hauptrollen war es in Anbetracht der reichlich erschienen Italiener, die einen Neujahrs-Besuch in Wien mit einem Opernabend verknüpften, fast ein „Heimspiel“. Und natürlich war die Vorstellung inklusive Stehplätze ausverkauft.

Keine Frage, die Besetzung war da fast eine zweitrangige Angelegenheit, und nicht einmal Jun Märkl als musikalischem Stabführer gelang es, diese Toscavorstellung auszubremsen, obwohl er zu Beginn des dritten Aktes, schon nahe daran war.

Trotzdem bot dieser Abend neben der erhofften und auch gebotenen Dramatik interessante Aufschlüsse – und vor allem das Debut von Marcello Giordani in der Rolle des Cavaradossi an der Staatsoper. Giordani zählt derzeit sicher zu den führenden Tenören einer jüngeren Sängergeneration, aber er hatte seine Stimme bis jetzt vor allem an Belcanto-Partien inklusive tenoraler Bellini-Akrobatik und dem süffigen französischen Fach geschult. Den Cavaradossi singt er zwar schon einige Jährchen, aber nicht allzuoft, und die Partie markiert sicher eine gewisse Grenze seiner stimmlichen Entwicklung. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass sich der Maler Cavaradossi in Giordanis Interpretation mehr dem Aquarell zuneigt, durchaus mit kräftigen Farben, aber auch in der imposanten, gesungenen (!) Höhe immer noch luzid und gestaltungsfähig. So hebt er sich eindeutig von der meist vorgebrachten breitstrichigeren Ölmalerei mit intensiverer Farbgebung ab, die den musikalischen Nuancen weit weniger huldigt. Für diese gewonnene, eindrucksvolle Höhenluft und Transparenz war man sehr dankbar und nach den ersten beiden Akten darüber geradezu begeistert. (Das „Vittoria“ bekommt man selten mit solch musikalischer Klarheit und reinem Ton zu hören. Es evozierte einen Bravoruf samt Zwischenapplaus). Im ersten und zweiten Akt reichte auch die Kraft, um die „veristischen“ Momente nicht zu kurz kommen zu lassen. Im dritten Akt, während er nach wie vor in der Höhe glänzte, brach ihm sein Tenor nach unten ein wenig ein. Und hier hätte man sich dann doch eine sonorere Breite und eine fundiertere Basis gewünscht. Das trübte aber nicht den ausgezeichneten Gesamteindruck, den Giordani hinterlassen hat.

War bei Giordani also fast alles im Lot, kann man das über die Tosca von Daniela Dessi so nicht sagen. Fast ist man geneigt anzunehmen, dass deren „Tosca“ schon bessere Zeiten gesehen hat. Die Stimme klingt nicht einheitlich, kennt Regionen wo die Töne plötzlich hart und unschön durchschlagen, neigte vor allem im ersten Akt zu einem starken Flackern und klang auch in der Attacke oft genug nicht wirklich voll und durchwachsen. Sie liebt es, den Ton lange auszuhalten, hatte dadurch auch bei Duetten meist das letzte Wort und krönte das "Vissi d'arte" mit einem etwas eigenwilligen Schluss. Im Vergleich zu dem sehr runden und auch musikalisch ausgeformten Cavaradossi Giordanis mussten diese „Unebenheiten“ im gesanglichen Vortrag Dessis noch stärker auffallen. Hingegen verfügt ihre Tosca zweifelsohne über eine starke Persönlichkeit und die notwendige Dramatik. Die nicht zu überhörenden stimmlichen Irritationen haben mich dennoch bewogen, ihre Tosca unter die Rubrik „Enttäuschung“ zu verbuchen. Das Publikum war aber durchaus gegenteiliger Meinung, dem Schlussapplaus nach zu schließen.

Alberto Mastromarino hat für meinen Geschmack doch eine zu weiche Stimme für den Scarpia. Aber er war redlich um die gebotene hintertriebene Boshaftigkeit dieses Charakters mit ansprechender Leistung bemüht.

Zwei hübsche szenische Einsprengsel seien auch nicht verschwiegen: am Schluss des zweiten Aktes verhedderte sich Toscas Mantel in dem Polstermöbel, auf das er eine dreiviertel Stunde zuvor in heftiger Gemütsbewegung geworfen worden war. Tosca konnte ihn nur durch einen zuerst zaghaften, dann durchaus heftigen Ruck wieder frei machen.
Am Schluss des dritten Aktes waren entweder Tosca zu langsam oder Scarpias Folterknechte zu schnell. Sekundenlang verharrten Verfolgte und Verfolger in der Mitte der Treppe, die zu Toscas Absprungrampe hinaufführt. Das raffinierte Mantelmanöver, mit dem Tosca den ersten Verfolger außer Gefecht setzt – sie wirft ihn im entgegen und er verfängt sich darin und stolpert – wirkte dementsprechend sinnentleert: ihr Verfolger war pflichtbewusst schon vorher gestolpert, um sein Opfer nicht unweigerlich einzuholen. Über sowas muss man halt schmunzeln...

Der Applaus war stark. Giordani bekam beim ersten Solovorhang zwei Blumensträuße geworfen, Dessi einen – bei Märkl fiel der Applaus sehr ab.