TOSCA

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Wiener Staatsoper
4.2.2002

Dirigent:Marcello Viotti

Floria Tosca, berühmte Sängerin - Maria Pia Ionata
Mario Cavaradossi, Maler - Salvatore Licitra
Scarpia, Polizeichef von Rom - Alan Titus
Cesare Angelotti - István Gáti
Der Mesner - Alfred Sramek
Spoletta, Polizeispitzel - John Dickie

"Tosca ohne Tosca?"
(Dominik Troger)

Die Neugierde galt an diesem Abend dem Tenor-Shooting-Star Salvatore Licitra, der 1998 sein Debut gegeben hat und erst knapp über 30 Lenze zählt. Weil Licitra durchaus entsprach, die Tosca allerdings weniger, ergab das in Summe eine etwas seltsame Vorstellung, die eine grundsätzliche Frage in den Raum stellte: Kann man Tosca ohne Tosca spielen?

Deshalb ist wohl besser, zuerst das Unangenehme hinter sich zu bringen. Der Abend litt unter der Hauptdarstellerin mehr, als selbst einer Tosca gut tut. Maria Pia Ionata mühte sich redlich, ihrer stark oszillierenden Stimme da und dort noch eine schöne und weich gesetzte Pianophrase zu entlocken - wie einen letzten Hoffnungsschimmer. Der Rest, nun ja. Der kurze, seichte Applaus nach dem "Vissi d'arte" spricht hier ebenso für sich, wie der dünne Schlussbeifall beim Einzelvorhang, durchsetzt mit einigen Missfallensäußerungen. Im Normalfall sind für die Sängerin der Tosca am Schluss immer ja ein paar Bravorufe drinnen - der "Emotionsbonus" zwingt das Publikum ja förmlich dazu - doch dieser Tosca hat sich niemand mehr erbarmt.

Weil so etwas natürlich immer schmerzt, und man mit solchen Aussagen ja nicht gerne allein dasteht, tut es gut, weitere Zeugen aufzurufen:

Ionata sang im September 2001 die Tosca-Premiere an der Oper Frankfurt. Ein Premierenbericht vermerkt hierzu: "Immerhin entlockte sie ihrem eigenwilligen, charaktervoll-reifen, nicht wirklich dramatischen, von mancher Unebenheit und nicht geringem Flackern befallenen, mitunter auch schrillen Sopran einiges an interpretatorischen Zwischentönen, wobei besonders die enorm durchschlagskräftige, sichere Höhe Erwähnung verdient." (Thomas Tillmann http://www.omm.de/veranstaltungen/musiktheater20012002/F-tosca.html)

(Man beachte das Wort, mit dem diese Beschreibung beginnt; "Immerhin"!)

"As Madame Lidoine, Maria Pia Ionata made more of the text, but her impure tone and uneven vibrato undermined the character's moral stature" (OPERA NEWS, September 2000 Copyright © 2000 The Metropolitan Opera Guild, Inc http://www.operanews.com/archives/900/InReview.900.html Stephen Hastings anlässlich einer Aufführung von Poulenc's "Karmeliterinnen-Dialog" in Mailand)

Also lass ich es lieber gut sein...

Slavatore Licitra ist vom Typus her ein etwas untersetzter, stämmiger Tenor, dem der Cavaradossi keine Schwierigkeiten macht. In seiner junger Karriere wurde er schon mit allerhand, marktschreierischen Etiketten beklebt: "Ausnahmetenor", "Ein neuer Pavarotti?" (Wobei solche Fragen mehr rhetorischer Natur sind und vor allem auf die Neugierde des Publikums, denn auf eine wirklich künstlerische Einschätzung gesanglicher Leistungen abzielen.) In Anbetracht der gut sitzenden Stimme, die auch über kraftvolle Höhenreserven verfügt, ist das kein Wunder und sein impulsiver Gesangsstil sorgt für das nötige Feuer. Lyrischere Töne bleiben da deutlich zurück und man wird hören, ob die Stimme im Laufe der Zeit ein wenig "aufschmilzt". Jedenfalls ist ihm für's erste die Dankbarkeit der weltweiten Operngemeinde sicher, weil sie sich endlich wieder über einen jungen Verdi- und Puccini-Tenor italienischer Herkunft freuen darf, bei dem die stimmlichen Qualitäten außer Frage stehen.

Trotzdem hielt sich meine Begeisterung in Grenzen, sei es, weil man sich nicht gerne mit all dieser Sensationslüsternheit in ein Boot setzen möchte, sei es, weil einiges von Licitras jungem Erfolg schon eine Vorauszahlung auf erhoffte zukünftige künstlerische Höhenflüge ist. Das Wort "ausbaufähig" bringt diese Einschätzung etwas trocken auf den Punkt.

Der Abend selbst verlief bis auf den Beginn (seine Stimme klang zuerst etwas eng und nicht ganz ausdifferenziert) zur vollsten Zufriedenheit. Im Anschluss an "Recondita armonia" wurde mit einem gut getimten Bravo versucht, Stimmung zu machen. Die darauf replizierte und in den Galeriestehplatz halblaut geworfene Anmerkung "des kann nur a Derrischer gwesen sein" ("das kann nur ein Gehörloser gewesen sein") hat Licitra in Folge aber überzeugend widerlegt. Auch wenn er von Pavarotti - um bei diesem rhetorischen Vergleich zu bleiben - noch ziemlich weit entfernt ist, für sein jugendliches Alter ist er schon sehr gut. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Alan Titus zeichnete einen von machterfüllter Begierde getragenen Scarpia. Seine wuchtigen, an Wagner geschulten stimmlichen Drohgebärden wirkten in Anbetracht der angekränkelten Tosca gleich nochmal so brutal. Da musste Tosca sogar zweimal zu stechen, um ihn aus der Welt zu schaffen.

Und weil auch Marcello Viotti am Pult aus dem ganzen eine spannende Story machte, ergab es in Summe doch einen ganz guten Abend - eben eine gute Tosca ohne Tosca...