TOSCA

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Staatsoper
9.2.2025

Dirigent: Pier Giorgio Morandi

Floria Tosca - Sonya Yoncheva
Mario Cavaradossi - Piotr Beczala
Scarpia - Ambrogio Maestri
Cesare Angelotti - Attila Mokus
Der Mesner - Dan Paul Dumitrescu
Spoletta -Andrea Giovannini
Sciarrone - Markus Pelz
Schließer - Simonas Strazdas

Ein Hirt - Nare Kazanjian


„Gute Mischung“

(Dominik Troger)

Zu vier sehr gut besetzten „Tosca“-Vorstellungen lädt die Wiener Staatsoper im Februar: Sonya Yoncheva, Piotr Beczała und Ambrogio Maestri sorgten für einen gelungenen Opernabend.

Bereits im Mai 2021, noch ganz  im Schatten des zweiten langen Covid-Lockdowns, sind die drei genannten angetreten, um die ehrwürdige „Tosca“-Inszenierung der Wiener Staatsoper zu beleben. Viele Opernliebhaber waren jedoch auf Grund behördlicher Vorsorgemaßnahmen zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage, diese Vorstellungen besuchen zu können. Während Piotr Beczała und Ambrogio Maestri bereits zuvor in Wien als Cavaradossi bzw. Scarpia aufgetreten sind, hat Sonya Yoncheva die Tosca in Wien bisher nur an diesen zwei Maiabenden kurz nach der Wiedereröffnung der Kulturstätten gesungen. Jetzt lässt sich dieses Manko glücklicherweise bequem nachholen – ganz ohne „3G-Regel“.

Im Gegensatz zu vielen anderen Rollenvertreterinnen, die dem ikonenhaften Stellenwert der Partie zu wenig individuelles Format abringen können, verlieh Sonya Yoncheva der Titelfigur eine starke Präsenz: In dieser Tosca verschmolzen „primadonnenhafte Allüre“ und „privates Frausein“ zu einer pathetisch-überspannten, vielleicht sogar leicht arroganten Persönlichkeit – Zweifel an ihren Selbstwertgefühlen kannte diese Tosca eher nicht. Am besten drückte sich das in ihrem „Vissi d’arte“ aus: Sie bewegte sich dabei zuerst langsam nach vorne zur Rampe, so als würde sie sich nicht im Palazzo Faranese, sondern auf der Bühne befinden. Entsprechend richtete sie ihr Gebet nicht nur an Gott, sondern auch an ein imaginäres Publikum. Erst nach dem Szenenapplaus sank sie auf die Knie, wie wenn sie sich erst jetzt wieder ihrer misslichen Lage bewusst würde, gedemütigt von diesem Scarpia – der ihr wirklich mit falschem Charme die Hand reichte, um ihr auf die Beine zu helfen.

Yonchevas Tosca versuchte mit Scarpia auf „Augenhöhe“ zu verhandeln, nicht nur ihr „Il prezzo!“ machte deutlich, was sie von ihm hält. Das Niedersinken nach dem „Vissi d’arte“ war der höchste Grad an Demütigung, den sie Scarpia zugestand – und als sie sich dann mit einem Schluck Wein „Beruhigung“ verschafft hatte, fiel ihr Blick wie zufällig auf dieses Messer. Sie rückte den Sessel weg, lehnte sich an das Tischchen, ein wenig so, als würde sie Scarpia heranlocken wollen – und als dieser sich sinnenfroh näherte, schien ihre Tosca plötzlich allen Plan zu verlieren und sie stach mehrmals zu wie in „hysterischem Affekt“. Im Finale im dritten Akt bewies Yoncheva ihre Mantelwurfkünste – aber auch sie ist zu früh zur Treppe geeilt:  Die Schlussszene müsste in einem atemlosen Fluss ablaufen, nur kurz von Toscas finalem „Statement“ unterbrochen.

Ihren Sopran wusste Yoncheva dabei gut zu führen und seine Ressourcen zu nützen. Sie nahm die Stimme zurück oder ließ sie kräftiger aufleuchten – und das deutliche Vibrato verwandelte sich zu einem passenden Merkmal pathetischer Überhöhung. Die leicht angedunkelte Samtborte ihrer Mittellage ist allerdings etwas ausgeblasst, den silbrigen Höhenglanz hat sie dosiert „abgeschmeckt“, damit er nicht in Schärfe umschlägt. Insofern hörte man der Stimme zwar auch die Karriere an, die hinter ihr liegt, aber Yoncheva hat mögliche Nachteile sehr gut in ihr „Tosca-Gesamtkonzept“ eingebunden.

Dem Scarpia von Ambrogio Maestri fehlte es an vordergründigem Sadismus, aber das muss kein Mangel sein. Ganz im Gegenteil: Er begegnete Tosca mit einer fast schamlos zu nennenden Süffisanz – etwa wenn er ihr, nachdem sie von Cavaradossis Folterschreien erschöpft das Versteck preisgegeben hat, kurz ans Kinn fasst, so als wollte er ihr besitzergreifend klar machen: „Siehst du, es geht ja doch.“ Dieser im Charakter von fleischlichen Genüssen ein wenig molluskenartig angeweichte Scarpia verströmte mehr unterschwellige Brutalität, als offensichtliche Gewalt. Den Einsatz seiner Stimmmittel hat Maestri gut kalkuliert, sich manchmal fast zu stark zurücknehmend. Das Schwergewicht seiner Bühnenwirkung lag aus meiner Sicht mehr im zweiten Akt, als dass er sich im ersten gleich mit einem „furchterregenden“ Auftritt Autorität verschafft hätte.

Piotr Beczałas Cavaradossi ist inzwischen fast schon ein Fixpunkt im Jahreslauf: 2019, 2021, 2023, 2024 und jetzt 2025 ist er im Haus am Ring als Maler angetreten und hat sein „Vittoria!“ geschmettert. Der erste Akt gelang an diesem Abend vorzüglich, die Stimme klang frisch, schon das „Recondita armonia“ ertönte mit der dem Sänger eigenen Eleganz und fein abgestuft. Im zweiten Akt wirkten die „Vittoria“-Rufe auf mich fast ein wenig überdehnt. Die „Sternenarie“ wurde wiederholt. Ein bisschen fehlte in Folge dann die tenorale Frische, die den ersten Akt so belebend durchweht hatte. Beczałas Cavaradossi ist ein mehr geerdeter, sympathischer Charakter, der um Toscas Schwächen weiß und insgesamt seinen Standpunkt mit Haltung und manchmal mit feiner Ironie, aber ohne Übertreibung, vertritt.

„Sportlich sprang Spoletta“ im zweiten Akt auf die Bühne, fast so, als sollte man daraus einen Wagnerschen Stabreim schmieden. Dem Mesner hat man die viele Arbeit, die ihm sein Job zwischen Sakristei und lärmenden Ministrantenbuben bereitet, angemerkt – auch der Dienst an der Kirche hat seine Höhen und Tiefen. 
Pier Giorgio Morandi wirkte kapellmeisterlich im Orchestergraben und das Orchester folgte dem Geschehen auf der Bühne mit wertschätzender Aufmerksamkeit und manch schön ausfomuliertem, solistischem Detail. Manches geriet vielleicht eine Spur zu laut, manches etwas gemächlich, aber deshalb war es nicht langweilig: Die Einleitung zum dritten Akt beispielsweise verströmte eine verhaltenes, fast impressionistisches Schwelgen, bei dem sich die Seele noch einmal ausruhen durfte, ehe das Drama dann unwiderruflich mit falsch genährter Hoffnung seinem tragischen Ende zulief.

Der Schlussapplaus für diese in Summe sehr ansprechende Vorstellung lag bei etwa acht Minuten.