„Gute Mischung“
(Dominik Troger)
Zu vier sehr gut
besetzten „Tosca“-Vorstellungen lädt die Wiener Staatsoper im Februar:
Sonya Yoncheva, Piotr Beczała und Ambrogio Maestri sorgten für einen
gelungenen Opernabend.
Bereits im Mai 2021, noch ganz im Schatten des zweiten langen
Covid-Lockdowns, sind die drei genannten angetreten, um die ehrwürdige
„Tosca“-Inszenierung der Wiener Staatsoper zu beleben. Viele
Opernliebhaber waren jedoch auf Grund behördlicher Vorsorgemaßnahmen zu
diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage, diese Vorstellungen besuchen
zu können. Während Piotr Beczała und Ambrogio Maestri bereits zuvor in
Wien als Cavaradossi bzw. Scarpia aufgetreten sind, hat Sonya Yoncheva
die Tosca in Wien bisher nur an diesen zwei Maiabenden kurz nach der
Wiedereröffnung der Kulturstätten gesungen. Jetzt lässt sich dieses
Manko glücklicherweise bequem nachholen – ganz ohne „3G-Regel“.
Im Gegensatz zu vielen anderen Rollenvertreterinnen, die dem
ikonenhaften Stellenwert der Partie zu wenig individuelles Format
abringen können, verlieh Sonya Yoncheva der
Titelfigur eine starke Präsenz: In dieser Tosca verschmolzen
„primadonnenhafte Allüre“ und „privates Frausein“ zu einer
pathetisch-überspannten, vielleicht sogar leicht arroganten
Persönlichkeit – Zweifel an ihren Selbstwertgefühlen kannte diese Tosca
eher nicht. Am besten drückte sich das in ihrem „Vissi d’arte“
aus: Sie bewegte sich dabei zuerst langsam nach vorne zur Rampe, so als
würde sie sich nicht im Palazzo Faranese, sondern auf der Bühne
befinden. Entsprechend richtete sie ihr Gebet nicht nur an Gott,
sondern auch an ein imaginäres Publikum. Erst nach dem Szenenapplaus
sank sie auf die Knie, wie wenn sie sich erst jetzt wieder ihrer
misslichen Lage bewusst würde, gedemütigt von diesem Scarpia – der ihr
wirklich mit falschem Charme die Hand reichte, um ihr auf die Beine zu
helfen.
Yonchevas Tosca versuchte mit Scarpia auf „Augenhöhe“ zu verhandeln, nicht nur ihr „Il prezzo!“ machte deutlich, was sie von ihm hält. Das Niedersinken nach dem „Vissi d’arte“ war
der höchste Grad an Demütigung, den sie Scarpia zugestand – und als sie
sich dann mit einem Schluck Wein „Beruhigung“ verschafft hatte, fiel
ihr Blick wie zufällig auf dieses Messer. Sie rückte den Sessel weg,
lehnte sich an das Tischchen, ein wenig so, als würde sie Scarpia
heranlocken wollen – und als dieser sich sinnenfroh näherte, schien
ihre Tosca plötzlich allen Plan zu verlieren und sie stach mehrmals zu
wie in „hysterischem Affekt“. Im Finale im dritten Akt bewies Yoncheva
ihre Mantelwurfkünste – aber auch sie ist zu früh zur Treppe
geeilt: Die Schlussszene müsste in einem atemlosen Fluss
ablaufen, nur kurz von Toscas finalem „Statement“ unterbrochen.
Ihren Sopran wusste
Yoncheva dabei gut zu führen und seine Ressourcen zu nützen. Sie nahm
die Stimme zurück oder ließ sie kräftiger aufleuchten – und das
deutliche Vibrato verwandelte sich zu einem passenden Merkmal
pathetischer Überhöhung. Die leicht angedunkelte Samtborte ihrer
Mittellage ist allerdings etwas ausgeblasst, den silbrigen Höhenglanz
hat sie dosiert „abgeschmeckt“, damit er nicht in Schärfe umschlägt.
Insofern hörte man der Stimme zwar auch die Karriere an, die hinter ihr
liegt, aber Yoncheva hat mögliche Nachteile sehr gut in ihr
„Tosca-Gesamtkonzept“ eingebunden.
Dem Scarpia von Ambrogio Maestri fehlte
es an vordergründigem Sadismus, aber das muss kein Mangel sein. Ganz im
Gegenteil: Er begegnete Tosca mit einer fast schamlos zu nennenden
Süffisanz – etwa wenn er ihr, nachdem sie von Cavaradossis
Folterschreien erschöpft das Versteck preisgegeben hat, kurz ans Kinn
fasst, so als wollte er ihr besitzergreifend klar machen: „Siehst du,
es geht ja doch.“ Dieser im Charakter von fleischlichen Genüssen ein
wenig molluskenartig angeweichte Scarpia verströmte mehr
unterschwellige Brutalität, als offensichtliche Gewalt. Den Einsatz
seiner Stimmmittel hat Maestri gut kalkuliert, sich manchmal fast zu
stark zurücknehmend. Das Schwergewicht seiner Bühnenwirkung lag aus
meiner Sicht mehr im zweiten Akt, als dass er sich im ersten gleich mit
einem „furchterregenden“ Auftritt Autorität verschafft hätte.
Piotr Beczałas
Cavaradossi ist inzwischen fast schon ein Fixpunkt im Jahreslauf: 2019,
2021, 2023, 2024 und jetzt 2025 ist er im Haus am Ring als Maler
angetreten und hat sein „Vittoria!“ geschmettert. Der erste Akt gelang an diesem Abend vorzüglich, die Stimme klang frisch, schon das „Recondita armonia“
ertönte mit der dem Sänger eigenen Eleganz und fein abgestuft. Im
zweiten Akt wirkten die „Vittoria“-Rufe auf mich fast ein wenig
überdehnt. Die „Sternenarie“ wurde wiederholt. Ein bisschen fehlte in
Folge dann die tenorale Frische, die den ersten Akt so belebend
durchweht hatte. Beczałas Cavaradossi ist ein mehr geerdeter,
sympathischer Charakter, der um Toscas Schwächen weiß und insgesamt
seinen Standpunkt mit Haltung und manchmal mit feiner Ironie, aber ohne
Übertreibung, vertritt.
„Sportlich sprang Spoletta“ im zweiten Akt auf die Bühne, fast so, als
sollte man daraus einen Wagnerschen Stabreim schmieden. Dem Mesner hat
man die viele Arbeit, die ihm sein Job zwischen Sakristei und lärmenden
Ministrantenbuben bereitet, angemerkt – auch der Dienst an der Kirche
hat seine Höhen und Tiefen. Pier Giorgio Morandi
wirkte kapellmeisterlich im Orchestergraben und das Orchester folgte
dem Geschehen auf der Bühne mit wertschätzender Aufmerksamkeit und
manch schön ausfomuliertem, solistischem Detail. Manches geriet
vielleicht eine Spur zu laut, manches etwas gemächlich, aber deshalb
war es nicht langweilig: Die Einleitung zum dritten Akt beispielsweise
verströmte eine verhaltenes, fast impressionistisches Schwelgen, bei
dem sich die Seele noch einmal ausruhen durfte, ehe das Drama dann
unwiderruflich mit falsch genährter Hoffnung seinem tragischen Ende
zulief.
Der Schlussapplaus für diese in Summe sehr ansprechende Vorstellung lag bei etwa acht Minuten.
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