„Nordische Kühle“
(Dominik Troger)
Nun
ist die „Tosca-Tour“ von Lise Davidsen und Freddie de Tommaso
schlussendlich auch an der Wiener Staatsoper angekommen: nach Berlin,
München und New York jetzt also Wien. Ob sich damit ein neues „Dream-Team“
von Sopran und Tenor dem Publikum präsentiert hat? Eher nicht.
Lise Davidsen
ist eine großgewachsene Bühnenerscheinung, deren Spitzentöne
silbergleißend das Auditorium fluten und das Publikum unter „Strom“
setzen. Aber das wars dann eigentlich schon. Ansonsten kleidete sich
diese Tosca in eine coole Naivität, deren Emotionen auf Sparflamme
kochten. Im ersten Akt umwehte die aus Norwegen stammende Tosca noch
ein zarter Charme, aber das Verhältnis zu ihrem Künstlerfreund
gestaltete sich fast ein wenig distanziert.
Und bald hatte ich den Eindruck, dass Davidsen ihren darstellerischen
Beitrag abhandelte wie eine auswendig gelernte Checkliste an
stereotypen Posen und einstudierten Bewegungsabläufen. Im zweiten Akt
saß sie zuerst wie unbeteiligt auf diesem Polstermöbel, auf dem Scarpia
Tosca so gerne vergewaltigt hätte. Aufstehen, ein paar Schritte zur
Rampe
– und dann pflichtbewusst doch zur Tapetentüre schreiten, hinter der
der Geliebte gefoltert wird: Kaum spürte man die Enge, in die Tosca
von Scarpia getrieben wird und die ihr schließlich voller Schmerz und
Verzweiflung den Verrat abpresst: „Nel pozzo... nel giardino“. Von einer „Diva“ war ohnehin wenig zu merken, die mit „Coolnes“ übertünchte emotionale Indifferenz auffallend.
Und wenn sie sich später kurz an das kleine Tischchen stellt, das
Messer im Blickfeld, ihre linke Hand in die Hüfte gestemmt, mit der
Rechten das Weinglas zum Munde führend, dann konnte einem diese Tosca
wie eine kühl-rächende Walküre erscheinen, die jetzt zur Tat
schreiten wird, um Scarpia mit zwei wuchtigen Stichen niederzumetzeln.
Danach zeigte sie vor dem Toten kaum Abscheu und nach geschäftsmäßiger
Verrichtung der vorgegebenen Handlungen (Ansichnahme des Passes,
Aufstellen der Kerzen etc.) verließ sie ohne besondere Not und Eile zu
erwecken die Stätte des Grauens.
Davidsen hat ihre Stimme, mit der sie Tenor und Bariton von der Bühne
hätte fegen können, gut dosiert. Die Mittellage schien dabei weniger
tragfähig – und das deutliche Vibrato, das sich immer wieder ins „Vissi d’arte“
mischte, war nicht so mein Fall. Im Finale hat sich Davidsen viel zu
früh zur „Absprungrampe“ begeben, von den Häschern war noch keine
Haarspitze zu sehen. Dafür hat sie ihren Mantel dem ersten Verfolger
dann effektvoll an den Kopf „geknallt“. Tragödie und Parodie liegen auf
dem Theater manchmal sehr eng beisammen. In Summe hat mich diese Tosca
allerdings mehr ratlos, als überzeugt zurückgelassen. Bei den beiden
Richards, dem Wagner und dem Strauss, ist die Sängerin wahrscheinlich
besser aufgehoben, aber warum soll sie nicht einmal einen Ausflug nach
Rom machen?
Freddie de Tommaso war
jetzt auch nicht der Bühnenpartner, um Toscas Gefühle kräftig wach zu
rütteln. Den darstellerisch etwas „gemütlichen“ Eindruck, den er
hinterließ, wollte er möglicherweise mit manch überlang und schon zu
forciert ausgestelltem Spitzenton ein wenig kompensieren. Aber die
„Sternenarie“ hat er recht stimmig präsentiert. Sein Tenor ist leicht
baritonal gefärbt, kam an diesem Abend aber nicht so recht ins
Leuchten. Stilistisch war De Tommaso beim Cavaradossi besser
aufgehoben, als seine Bühnenpartnerin bei der Tosca.
Den überzeugendsten Gesamteindruck hinterließ ohnehin Alexey Markov,
der den Scarpia mit einem prägnanten, aber nicht zu harten Bariton
präsentierte: flüssig im Gesang, mit genug Kraft im Te Deum, und mit
genug boshaft-schmeichlerischer Eleganz, um Tosca einen Nadelstich nach
dem nächsten zu versetzten. Markovs Scarpia zeigte weniger den
Genussmenschen, sondern mehr den hinter einer glatten Oberfläche
lauernden Sadisten, ohne sich dabei zu „pathologischen“ Übertreibungen
hinreißen zu lassen.
Dirigent Pier Giorgio Morandi sorgte
für eine manchmal etwas träge wirkende kapellmeisterliche Umsetzung –
die übliche „Repertoirekost“
eben, die auch das weitere Besetzungsumfeld
dominierte. Der Schlussapplaus lag bei rund sechs Minuten. Kurzen
Szenenapplaus gab es nach der Sternenarie (mit einigen Bravorufen) und
nach dem „Vissi d’arte“.
PS: Die U2 fährt wieder bis zum Karlsplatz – nach dreieinhalb Jahren!
An die neuen Türvorrichtungen bei den Stationen muss man sich aber erst
gewöhnen.
PPS: In der heutigen Kritik der „Presse“ (9.12.2024) ist zu lesen: „Lise Davidsen Tosca ist ein Ereignis, die Standing Ovations zum Schluss waren hochverdient.“ Auch
wenn dem Rezensenten die Vorstellung gefallen haben mag sei angemerkt, dass sich die Applausstärke im derzeit für eine
Repertoirevorstellung üblichen Rahmen bewegt hat.
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