TOSCA

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Staatsoper
7.12.2024

Dirigent: Pier Giorgio Morandi

Floria Tosca - Lise Davidsen
Mario Cavaradossi - Freddie de Tommaso
Scarpia - Alexey Markov
Cesare Angelotti - Attila Mokus
Der Mesner - Dan Paul Dumitrescu
Spoletta -Andrea Giovannini
Sciarrone - Markus Pelz
Schließer - Simonas Strazdas

Ein Hirt - Stefan Mannhartseder


„Nordische Kühle“

(Dominik Troger)

Nun ist die „Tosca-Tour“ von Lise Davidsen und Freddie de Tommaso schlussendlich auch an der Wiener Staatsoper angekommen: nach Berlin, München und New York jetzt also Wien. Ob sich damit ein neues „Dream-Team“ von Sopran und Tenor dem Publikum präsentiert hat? Eher nicht.

Lise Davidsen ist eine großgewachsene Bühnenerscheinung, deren Spitzentöne silbergleißend das Auditorium fluten und das Publikum unter Strom setzen. Aber das wars dann eigentlich schon. Ansonsten kleidete sich diese Tosca in eine coole Naivität, deren Emotionen auf Sparflamme kochten. Im ersten Akt umwehte die aus Norwegen stammende Tosca noch ein zarter Charme, aber das Verhältnis zu ihrem Künstlerfreund gestaltete sich fast ein wenig distanziert.

Und bald hatte ich den Eindruck, dass Davidsen ihren darstellerischen Beitrag abhandelte wie eine auswendig gelernte Checkliste an stereotypen Posen und einstudierten Bewegungsabläufen. Im zweiten Akt saß sie zuerst wie unbeteiligt auf diesem Polstermöbel, auf dem Scarpia Tosca so gerne vergewaltigt hätte. Aufstehen, ein paar Schritte zur Rampe – und dann pflichtbewusst doch zur Tapetentüre schreiten, hinter der der Geliebte gefoltert wird: Kaum spürte man die Enge, in die Tosca von Scarpia getrieben wird und die ihr schließlich voller Schmerz und Verzweiflung den Verrat abpresst: „Nel pozzo... nel giardino“.  Von einer „Diva“ war ohnehin wenig zu merken, die mit „Coolnes“ übertünchte emotionale Indifferenz auffallend.

Und wenn sie sich später kurz an das kleine Tischchen stellt, das Messer im Blickfeld, ihre linke Hand in die Hüfte gestemmt, mit der Rechten das Weinglas zum Munde führend, dann konnte einem diese Tosca wie eine kühl-rächende  Walküre erscheinen, die jetzt zur Tat schreiten wird, um Scarpia mit zwei wuchtigen Stichen niederzumetzeln. Danach zeigte sie vor dem Toten kaum Abscheu und nach geschäftsmäßiger Verrichtung der vorgegebenen Handlungen (Ansichnahme des Passes, Aufstellen der Kerzen etc.) verließ sie ohne besondere Not und Eile zu erwecken die Stätte des Grauens.

Davidsen hat ihre Stimme, mit der sie Tenor und Bariton von der Bühne hätte fegen können, gut dosiert. Die Mittellage schien dabei weniger tragfähig – und das deutliche Vibrato, das sich immer wieder ins „Vissi d’arte“ mischte, war nicht so mein Fall. Im Finale hat sich Davidsen viel zu früh zur „Absprungrampe“ begeben, von den Häschern war noch keine Haarspitze zu sehen. Dafür hat sie ihren Mantel dem ersten Verfolger dann effektvoll an den Kopf „geknallt“. Tragödie und Parodie liegen auf dem Theater manchmal sehr eng beisammen. In Summe hat mich diese Tosca allerdings mehr ratlos, als überzeugt zurückgelassen. Bei den beiden Richards, dem Wagner und dem Strauss, ist die Sängerin wahrscheinlich besser aufgehoben, aber warum soll sie nicht einmal einen Ausflug nach Rom machen?

Freddie de Tommaso war jetzt auch nicht der Bühnenpartner, um Toscas Gefühle kräftig wach zu rütteln. Den darstellerisch etwas „gemütlichen“ Eindruck, den er hinterließ, wollte er möglicherweise mit manch überlang und schon zu forciert ausgestelltem Spitzenton ein wenig kompensieren. Aber die „Sternenarie“ hat er recht stimmig präsentiert. Sein Tenor ist leicht baritonal gefärbt, kam an diesem Abend  aber nicht so recht ins Leuchten. Stilistisch war De Tommaso beim Cavaradossi besser aufgehoben, als seine Bühnenpartnerin bei der Tosca. 

Den überzeugendsten Gesamteindruck hinterließ ohnehin Alexey Markov, der den Scarpia mit einem prägnanten, aber nicht zu harten Bariton präsentierte: flüssig im Gesang, mit genug Kraft im Te Deum, und mit genug boshaft-schmeichlerischer Eleganz, um Tosca einen Nadelstich nach dem nächsten zu versetzten. Markovs Scarpia zeigte weniger den Genussmenschen, sondern mehr den hinter einer glatten Oberfläche lauernden Sadisten, ohne sich dabei zu „pathologischen“ Übertreibungen hinreißen zu lassen.

Dirigent Pier Giorgio Morandi sorgte für eine manchmal etwas träge wirkende kapellmeisterliche Umsetzung – die übliche
Repertoirekost eben, die auch das weitere Besetzungsumfeld dominierte. Der Schlussapplaus lag bei rund sechs Minuten. Kurzen Szenenapplaus gab es nach der Sternenarie (mit einigen Bravorufen) und nach dem „Vissi d’arte“.

PS: Die U2 fährt wieder bis zum Karlsplatz – nach dreieinhalb Jahren! An die neuen Türvorrichtungen bei den Stationen muss man sich aber erst gewöhnen.

PPS: In der heutigen Kritik der „Presse“ (9.12.2024) ist zu lesen: „Lise Davidsen Tosca ist ein Ereignis, die Standing Ovations zum Schluss waren hochverdient.“ Auch wenn dem Rezensenten die Vorstellung  gefallen haben mag sei angemerkt, dass sich die Applausstärke im derzeit für eine Repertoirevorstellung üblichen Rahmen bewegt hat.