TOSCA

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Staatsoper
14. Mai 2023

Dirigent: Giampaolo Bisanti

Floria Tosca - Maria Agresta
Mario Cavaradossi - Piotr Beczala
Scarpia - Bryn Terfel
Cesare Angelotti - Clemens Unterreiner
Der Mesner - Wolfgang Bankl
Spoletta - Robert Bartneck
Sciarrone - Markus Pelz
Schließer - Stephano Park
Ein Hirt - Helena Paeschke


„Das Böse an sich“

(Dominik Troger)

Bryn Terfel ist wieder an der Wiener Staatsoper als Scarpia zu Gast, um mit Tosca „Katz und Maus“ zu spielen – und wenn dann noch Pjotr Beczala den Cavaradossi gibt, schlagen die Herzen der Wiener Opernfans so schnell und aufgeregt wie nur mehr selten. Als dritte im Bunde machte Maria Agresta als Tosca gute Figur.

Bryn Terfels Scarpia ist an fieser Bühnenpräsenz nach wie vor unübertroffen. 2014 hat er in Wien zum ersten Mal in dieser Partie brilliert und das Publikum mit einer Mischung aus sadistischem Intellekt und fleischlicher Begierde in Bann geschlagen. Zwar ist sein Bassbariton bereits ein kurzes Lebensalter von den Zeiten eines weichgurrenden „Là ci darem la mano“ entfernt, doch sein Scarpia bringt auf den ungeschönten, etwas angerauten Punkt, wohin ein Don Giovanni noch schmeichlerisch-schmachtende Augen wirft. Wenn er sich im Te Deum in darstellerischer Inbrunst mit der Faust auf die Brust schlägt, wirkt die Geste inzwischen gewaltiger, als seine Stimme. Aber der Sänger stellt sein Organ ganz in den Dienst einer musiktheatralischen „Scarpia-Perfomance“, entlockt ihr alle möglichen Nuancen bis hin zum Tosca bedrohlich umraunenden Geflüster.

Terfels Rollengestaltung scheint sich situativ anzupassen. Jede Vorstellung gerät ein bisschen anders, abgestimmt auf die jeweilige Sängerin der Tosca, bei der sein Scarpia mit sicherem Instinkt nach psychologischen Schwachstellen zu suchen scheint. Hinzu gesellt sich noch eine Lust an sadistischen Spielchen, die auch Untergebene treffen können, wenn sie nicht parieren. Scarpia macht es sich dann mit stiefelbewehrtem Bein auf dem Knöchel eines am Boden liegenden Domestiken „gemütlich“, bis dieser „winselnd“ seine Demut kund tut. Am Beginn des zweiten Aktes begann Scarpia aus Vorfreude auf den kommenden Toscagenuss sogar kurz in jugendlichem Überschwang zu pfeifen. Solche Wonne und solche Lust würde man diesem Kerl gar nicht zutrauen.

In dieser Vorstellung schien sich allerdings die Tosca der Maria Agresta der Nähe Scarpias mehr entziehen zu wollen, als sich unterwürfig auf diese Spielchen einzulassen. Vor dem „Vissi d’arte“ flüchtete sie mit angezogenen Beinen auf die Chaiselongue, während Scarpia mit triumphalischer Geste seinen linken Fuß neben sie auf das Polstermöbel rammte. Tosca, danach kunstgerecht auf den Boden und das Knie gleitend, sang ein schönes, von einem milden, mediterranen Leuchten erhelltes „Vissi d’arte“. Aber sie blieb reserviert und ein wenig pathoslos – schien das Messer weniger in Panik, sondern recht überlegt zu zücken, auch wenn Terfel die Mordattacke Toscas nützte, um mit ihr fast wie bei einem Rugbyspiel zu ringen. Es gab ein kurzes „Gedränge“* und Tosca benötigte zwei kräftige Stiche, um sich den Baron für immer vom Leibe zu halten. (* Spielzug beim Rugby)

Agresta überzeugte vor allem in den Liebesszenen mit Cavaradossi, im ersten Akt betörte ein noch leicht lyrisch gehaltener, verliebter Charme, mit dem sie versuchte, ihren Malerfreund um den Finger zu wickeln. Im dritten Akt fügte sie einiges an Dramatik hinzu, ohne ihre Stimme über Gebühr zu belasten. Bei ihrem Wiener Rollendebüt letzten Freitag soll sie insgesamt mit mehr Zurückhaltung agiert haben, wie mir in den Pausen berichtet wurde, auch auf Kosten stimmlicher Präsenz. Im Finale hat wieder einmal das Timing nicht gepasst, Tosca hat den Umhang erst gar nicht geworfen – und die (gesanglich soliden) Schergen des Polizeichefs sollten keine Kunstpause einlegen müssen, damit Tosca entkommen kann.

Piotr Beczala passt der Cavaradossi inzwischen wie ein Maßanzug. Vor vier Jahren hat er die Partie zum ersten Mal in Wien gesungen. Seine Stimme gießt die Rolle mit nostalgisch glimmender Bronze aus, voll gefestigter Geschmeidigkeit. Schon das „Recondita armonia“ machte viel Lust auf mehr, das vom Publikum erklatschte Dacapo musste aber noch bis zur Sternenarie warten. Im Spiel ist der Sänger sympathisch, gegenüber Tosca zeigte er manchmal eine feine Ironie, im zweiten Akt stellt er mit langen, ungefährdeten „Vittoria“-Rufen seinen Mann. Gegenüber Scarpia konnte er sich behaupten, und das ist bei der geschilderten Bühnenpräsenz von Bryn Terfel keine einfache Aufgabe. Beczala hat in Wien bekanntlich erst vor kurzem den Lohengrin gesungen: Wagner ist für ihn noch mehr ein „Ausflug“, bei Puccini ist er „zu Hause“. In den Nebenrollen haben Wolfgang Bankl als Mesner und Clemens Unterreiner als Angelotti den ersten Akt belebt.

Das Orchester unter Giampaolo Bisanto klang ein wenig trocken, in der Lautstärke meist kontrolliert genug. Den Sängern blieb genug Freiraum, um ihre Rollen auch entsprechend zu gestalten. Manch feine solistische Einlage rundete den Vortrag. Das Ergebnis war ein dichter Opernabend, an dem auch der szenische Rahmen gebührenden Anteil hatte. Laut Programmzettel gab man bereits die 641. Aufführung dieser Produktion, die hoffentlich dem Haus noch lange erhalten bleibt.

Viel Stammpublikum hat die Aufführung besucht, aber auch viele Touristen hatten sich eingefunden. Der Stehplatz war so gut gefüllt wie schon lange nicht mehr. Der begeisterte Schlussapplaus brachte es auf rund zwölf Minuten.