TOSCA

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Staatsoper
28. März 2023

Dirigent: Marco Armiliato

Floria Tosca - Krassimira Stoyanova
Mario Cavaradossi - Michael Fabiano
Scarpia - Luca Salsi
Cesare Angelotti - Clemens Unterreiner
Der Mesner - Wolfgang Bankl
Spoletta - Andrea Giovannini
Sciarrone - Hans Peter Kammerer
Schließer - Markus Pelz
Ein Hirt - Konrad Plank


„Wenn die Desdemona zur Tosca reift“

(Dominik Troger)

Tosca, Scarpia, Cavaradossi – alles neu macht der März: Die aktuelle „Tosca“-Serie an der Wiener Staatsoper kann mit zwei Rollendebüts und einem Hausdebüt aufwarten. Startschuss für das neue „Tosca-Triumvirat“ war letzten Samstag, nachstehende Eindrücke beziehen sich auf die Aufführung vom 28. März.

Aber „Triumvirat“ klingt so martialisch. Für den Cavaradossi von Michael Fabiano könnte man die Bezeichnung stehen lassen, so wie er sich mit Kraft durch den Abend sang, und die Leidenschaften des Scarpia von Luca Salsi standen ganz unter dem Einfluss des feurigen Mars. Aber Krassimira Stoyanovas Gefühle waren keine „martialischen“. Ihre Tosca war sensibler angelegt, mehr eine späte Verwandte jener Desdemona, die einst auf Zypern ... aber das ist eine andere Geschichte.

Stoyanovas präsentierte Tosca als fein durchgestaltetes Rollenporträt einer liebenden Frau, deren Allüren mehr als verzeihbar sind – weil sie eigentlich keine hat. Ihre Tosca ist an sich keine Kämpferin und keine Primadonna im engeren Sinn, dafür ist sie zu seriös, dafür fehlt ihrem mit sängerischer Vorsicht geführten Sopran jene Aggressivität, um Scarpia auch stimmlich zu „durchbohren“. Bezeichnend für ihre Tosca ist, dass sie das berühmte Messer in jenen bangen Minuten in Scarpias Zimmer zuerst gegen sich selbst richtet. Diese Tosca quälen vor dem kleinen Esstischen Suizidgedanken. Zweimal sucht sie in ihrem Herzen den Mut, ihrem Leben ein Ende zu bereiten, ehe Scarpia sie mit siegensgewissem „Tosca, finalmente mia!“ zum Handeln zwingt. Ihre Eifersucht wirkt nicht übertrieben, und in der Gewissheit, dass Gott ihr den Zornesausbruch in der Kirche verzeihen wird, weil er ja sieht, dass sie weint, liegt keine Überspanntheit. Manch bedeutungsschwangere Gestik passte nicht ganz zu dieser sehr menschlich angelegten Tosca, in der das Publikum eine humanitäre Grundhaltung entdecken konnte, eben wie ein Erbstück jener weiter oben genannten Desdemona. Für ihr lyrisch-emphatisches „Vissi d’arte“ erhielt sie Zwischenapplaus.

Michael Fabiano sang einen im Spiel jung wirkenden, kämpferischen Maler, der seinen Tenor immer wieder bis zum Anschlag trieb. In einer Besprechung seiner Verdi-Arien-CD im englischen Gramophone-Magazin (7/2019) ist zu lesen, dass er Spitzentöne oft so stark forciert, dass sie „ugly“ klingen. Diese Kritik war bei seinem Cavaradossi nachvollziehbar. Fabiano zeigte eine ausgeprägte Tendenz, mit zuviel Druck zu singen. Beim „Vittoria“ hätte er damit fast „Schiffbruch“ erlitten. Wenn er die Stimme zügelte, fand die Mittellage zu einigem Charme, in den Szenen mit Tosca im ersten und im dritten Akt – auch im Zusammenspiel mit Stoyanova – wusste er zu gefallen. In die Sternenarie mischten sich bis zur Unhörbarkeit gesäuselte Piani – aber dergleichen ist als Stilmittel heutzutage offenbar „en vogue“. Mit dem Schlussteil riss er dann das Publikum mit. Es gab nicht nur Szenenapplaus, sondern sogar einige Bravorufe.

Der dritte im Bunde hatte es insofern leichter, weil alle wissen, was von ihm erwartet wird – und Luca Salsi hat im Wesentlichen diese Erwartungen erfüllt. Sein Scarpia war eher einfach gestrickt, und so forsch, wie er Tosca im zweiten Akt an die Wäsche ging, die auf der Chaiselongue gelagert seinem stürmischen Angriff widerstehen musste, würde er sich den strengen Verweis einer „Diversity-Beraterin“ eingehandelt haben. Sein Bariton konnte nicht ganz diese Getriebenheit vermitteln, auf die er es bei der Eroberung Toscas darstellerisch angelegt hatte, aber er zeigte sich kernig und kraftvoll genug, um zu reüssieren.

Bewährte Sänger fanden sich in den Nebenrollen ein: Clemens Unterreiner hat den Angelotti laut Online-Archiv der Staatsoper schon um die 30-mal am Haus gesungen, Hans Peter Kammerer den Sciarrone ebenfalls, dagegen ist der Spoletta von Andrea Giovannini mit fünfzehn Vorstellung noch ein „Jüngling“. Wolfgang Bankls geschäftiger Mesner ist inzwischen zu einer „Institution“ herangereift, über 50-mal hat er die Partie bereits an der Staatsoper verkörpert. Sein eleganter Sprung über die zwei Stufen vom Kirchenschiff Richtung Kapelle lässt die Figur kurz fast übermütig erscheinen, und man erfährt durch ihn, dass die zwei kleinen, roten Teppiche, die er auf die Balustrate legt, ziemlich verstaubt sind.

Das Orchester hat Bankls kurzes „Mesner-Solo“ pointiert untermalt – die Musiker unter der Leitung von Marco Armiliato hatten überhaupt einen guten Abend, wirkten motiviert, samt schönen solistischen Einzelleistungen. Armiliato sorgte beispielsweise für einen „geatmeten“, nicht „überhitzten“ Spannungsaufbau im Finale des ersten Aktes, und für viel, dem Gesang angepasste Emotion in den Liebesszenen. Der Klang war differenziert, ohne knallig zu sein – in Summe ein Repertoireabend der gehobenen Kategorie.