TOSCA

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Staatsoper
26. November
2022

Dirigent: Giacomo Sagripanti

Floria Tosca - Camilla Nylund
Mario Cavaradossi - Stefano La Colla
Scarpia - Erwin Schrott
Cesare Angelotti - Attila Mokus
Der Mesner - Wolfgang Bankl
Spoletta - Andrea Giovannini
Sciarrone - Marcus Pelz
Schließer - Ilja Kazakov
Ein Hirt - Helena Paeschke


„Ariadne in Rom“

(Dominik Troger)

Deutsches Fach – italienisches Fach: Es ist für Sängerinnen und Sänger schwierig, aus den Schubladen, in denen sie von Agenturen und Besetzungsbüros abgelegt werden, wieder herauszukommen.  Zum Beispiel Camilla Nylund: Sie gastiert seit dem Jahr 2005 an der Wiener Staatsoper, hält bei über 100 Vorstellungen, und hat am Haus noch nie italienisches Repertoire gesungen.

Camilla Nylund hat die Situation in einem Interview angesprochen, das in der Novemberausgabe der Staatsopern-Publikumszeitschrift nachgelesen werden kann. Für sie klebt das Etikett „deutsches Fach“ auf der Schublade, Unterabteilung: Richard Strauss und Richard Wagner – und zur Abwechslung mal „Fidelio“. Dass das Publikum die Sängerin jetzt als Tosca erleben darf, ist eine ganz große Ausnahme. Nylund hat die Partie erst seit kurzem im Repertoire, ihr geplantes Rollendebüt verzögerte sich wegen der Covid-Pandemie und ging 2021 an der finnischen Nationaloper in Helsinki über die Bühne.

Nun ist Nylund aber auch im engeren Sinne keine „italienische“ Sängerin. Ihr Sopran besitzt eine noble Zurückhaltung, ist mehr von „klassizistischer Haltung“, und der Reiz dieser Stimme ist sich über die Jahre treu geblieben, umschließt die menschlichen Leidenschaften mit einem leicht kühlen, filigranen Silberglanz. Für den Strausschem Streicherteppich ist die Stimme ideal – und Anfang November wurde der Sängerin nach einer „Ariadne auf Naxos“-Vorstellung an der Wiener Staatsoper der „Lotte Lehmann-Gedächtnisring“ verliehen.

Gut, vielleicht, sitze ich jetzt gerade selbst ganz tief in einer Schublade und bekomme den Kopf nicht heraus, aber während der Vorstellung hatte ich nicht das Gefühl, dass Nylund und  Tosca schon „ein Herz und eine Seele“ sind. Vielmehr stand noch ein Bemühen im Vordergrund, sich im Seelenkostüm dieser Primadonna  einzurichten. Die affektierte Eifersucht im ersten Akt wirkte aufgesetzt, die Mordszene übertrieben. Die  Zurücknahme der Leidenschaft zu einem schmerzvollen, das eigene Leben reflektierenden Leiden im „Vissi d'arte“ war für mich viel überzeugender als die veristische
Pose“.
 
Den Cavaradossi  von Stefano La Colla hingegen kann man nur in der Schublade „italienischer“ Tenor ablegen.  Das „Recondita armonia“ diente ihm noch zum „Aufwärmen“ und klang recht hölzern. Der herablassende Ton, mit der er sich vom Mesner die Farben geben ließ, hat in diesem sicher keine freundschaftlichen Gefühle geweckt. La Colla schnippte dazu zweimal mit den Fingern, so als würde er einen Dienstboten rufen. Sein Tenor hat aber dieses „echt“ italienische Squillo, das man inzwischen viel zu selten auf Opernbühnen hört, auch wenn die Stimme manchmal ein wenig nasal und insgesamt ein wenig unausgewogen klingt (manchmal in der Intonation nicht ganz rein) – oder wenn er in die kräftigen Spitzentöne zu viel Nachdruck legt. Die „Sternenarie“ gelang recht fein, auch wenn sich La Colla jetzt nicht als der große Gestalter entpuppte.

Für Erwin Schrott könnte man eine Schublade mit der Aufschrift „bassbaritonaler Opernbösewicht“ anlegen – und sein Scarpia würde in dieser Schublade durch seine darstellerische Eleganz auffallen. Schrotts Scarpia trägt seine bösen Absichten nicht vor sich her, sondern verbirgt und nährt sie in seinem Inneren. Nur manchmal brechen sie hervor, kurze Jähzornanfälle, wenn es nicht nach Plan läuft. Als Baron vom Scheitel bis zur Sohle und  geblendet von narzisstischer Selbstüberschätzung ist Schrotts Zugang auf seine starke Bühnenpräsenz berechnet, die natürlich auch an diesem Abend ihre Wirkung nicht verfehlte. Gesanglich hat es sich Schrott im ersten Akt rampennah bequem eingerichtet, um gegenüber dem lauten Orchester zu bestehen, im zweiten Aufzug war er mit seinem leicht gerauten Organ ganz in seinem zynischen Element. 

Wolfgang Bankl hat über  20 Jahre „Mesnererfahrung“ an der Wiener Staatsoper und weiß seine italienische Frömmigkeit mit hintergründiger Wiener Intrigenlaune zu garnieren. Das übrige Personal fiel nicht aus dem Rahmen.  Das Orchester unter Giacomo Sagripanti war nicht das Highlight das Abends, spielte zu laut mit einer Tendenz zum Verschleppen. Am Schluss gab es die üblichen fünf Minuten an undifferenziertem, lautstarkem Applaus.

Es wurde während der Vorstellung eifrig gehustet, manchmal auch so richtig  bronchial, es gab Genieße und Geschneuze: FFP2-Masken trägt fast niemand mehr, obwohl es „empfohlen“ wird.