TOSCA

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Staatsoper
28 . Februar
2022

Dirigent: Marco Armiliato

Floria Tosca - Elena Stikhina
Mario Cavaradossi - Vittorio Grigolo
Scarpia - Roberto Frontali
Cesare Angelotti - Martin Häßler
Der Mesner - Wolfgang Bankl
Spoletta - Andrea Giovannini
Sciarrone - Attila Mokus
Schließer - Ilja Kazakov
Ein Hirt - Julia Oos


„Wallmann-Tosca - 630. Vorstellung“

(Dominik Troger)

Die aktuelle „Tosca“-Serie in der Wiener Staatsoper wartet mit einer neuen Tosca und einem neuen Scarpia auf: Elena Stikhina gibt mit dieser Vorstellungsserie ihr Hausdebüt in der Titelpartie, Roberto Frontali singt am Haus erstmals den Scarpia.

Elena Stikhina gab eine Tosca mit jugendlichem Flair, aber sie löste dabei keinen „Primadonneneffekt“ aus. Ihr Sopran ist vor allem mit einer kostbaren, schlanken Mittellage gesegnet – eine dünne, helle Samtborte über slawischem Metall, das bei Spitzentönen stärker durchschlägt. Stikhina blieb an diesem Abend einiges an Ausdrucksmöglichkeiten schuldig, die Koketterie der eifersüchtigen Verliebten lag ihr besser als der zweite Akt, dem ein bisschen mehr „Primadonna“ nicht geschadet hätte. Ihr inniges, leicht „softig“ vorgetragenes „Vissi d’arte“ gefiel dem Publikum und wurde mit starkem Zwischenapplaus bedacht. Ihre Tosca schien sich danach zu überlegen, ob sie aus dem offenen Fester des Palazzo Faranese springen soll. Eine psychologisches Detail, das reizvoll ist, aber das damit verbundene Zaudern wirkte auf mich im stringent durchkonzipierten Handlungsablauf zu passiv.

Nach meinem Ersteindruck ist ihre Stimme mehr „lirico“ als „spinto“. Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht nicht so gut, dass Stikhinas junge, internationale Karriere gleich mit der Tosca verknüpft wird (New York, Paris, jetzt Wien) und dass sie eifrig als Verdi-Sopran (Leonora, Aida) gebucht wird. Butterfly, Senta, Salome und Norma sind ebenfalls bereits im Repertoire, laut Webrecherche sogar Sieglinde und „Siegfried“-Brünnhilde. Einiges davon kann man sich auf Youtube anhören – und je mehr man davon hört, um so mehr verstärkt sich der Eindruck, dass es sich um eine schön timbrierte, für die genannten Partien aber zu leichte und noch zu wenig ausdrucksstarke Sopranstimme handelt, die vom internationalen Opernbusiness gerade ausgebeutet wird wie eine frisch entdeckte Goldmine.

Der Scarpia des Roberto Frontali war jetzt nicht der Typ, um Tosca besonders raffinierten psychischen Foltern auszusetzen. Beim „Vissi d’arte“ starrte er die ganze Zeit aus dem großen geöffneten Fenster hinter dem kleinen Esstischchen und dann ging er robust zur Sache. Stimmlich war Frontali im zweiten Akt präsent und überzeugend. Im ersten Akt platzierte er sich meist an der Rampe, um Chor und Orchester standzuhalten. Frontalis Scarpia entwickelte keine „dämonischen Qualitäten“, sondern stellte einen jener „gewöhnlichen“ Bösewichte vor, die das Schicksal auf Positionen befördert, wo sie dann mit reger Betriebsamkeit und sich beständig steigender Gier in der Lage sind, viel Unheil anzurichten.

Vittorio Grigolo hat den Cavaradossi schon vor drei Jahren in Wien gesungen. Er gibt ihn als Charmeur, von dem sich die Frauen (auch wider besseren Wissens) um den Finger wickeln lassen – er gibt ihn aber auch als leidenschaftlichen Kämpfer für die gerechte Sache. Grigolo überzeugt meistens als Gesamtpaket, mit ein paar kräftigen Spitzentönen versehen, die etwas breit und leidenschaftlich übers Orchester segeln. Von seinen Piani drang an diesem Abend hingegen kaum etwas auf die Galerie. Die „Sternenarie“ zelebrierte er, begann sie vom Publikum abgewendet zu singen, gestaltete sie wie eine kleine „Oper in der Oper“ und wurde dafür eifrig beklatscht (von einer Wiederholung war aber keine Rede).

Wolfgang Bankl gab wieder seinen unterschwellig gefährlichen Mesner; Martin Häßler einen mehr zweckmäßigen Angelotti. Auch der Rest der Besetzung lässt sich unter diesem Adjektiv zusammenfassen. Der Chor feierte stimmkräftig die Messe. Der große Pluspunkt war ohnehin Marco Armiliato am Pult. Das Staatsopernorchester findet unter ihm zu einem leicht erwärmten Klang, der dem Drama eine menschliche Seele einhaucht und nicht nur auf kalte Brutalität abstellt. Außerdem weiß er die Spannung mit großem Bogen zu steigern.

Der Schlussapplaus war dieses Mal in seiner Würdigung künstlerischer Ausdruckskraft schwer einzuschätzen. Es gab keine Einzelvorhänge und Grigolo kam mit einem weißen T-Shirt auf die Bühne, das mit dem Schriftzug „NO WAR“ bemalt war – auf der Rückseite prangte ein großes rotes Herz. Als er mit Stikhina gemeinsam vor den Vorhang trat, umarmten sie sich: ein rührender und vor dem Hintergrund der aktuellen Weltlage sehr nachdenklich stimmender Moment.

Dieser Bericht bezieht sich auf die laut Programmzettel 630. Aufführung der Wallmann-Inszenierung. Und nach dem szenischen „Tosca“-Desaster im Theater an der Wien bleibt nur die Hoffnung, dass diese Produktion dem Staatsopern-Publikum noch sehr, sehr lange erhalten bleiben möge.