TOSCA

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Staatsoper
3. September 2021

Dirigent: Axel Kober

Floria Tosca - Carmen Giannattasio
Mario Cavaradossi - Fabio Sartori
Scarpia - Ludovic Tezier
Cesare Angelotti - Clemens Unterreiner
Der Mesner - Wolfgang Bankl
Spoletta - Robert Bartneck
Sciarrone - Hans Peter Kammerer
Schließer - Marcus Pelz
Ein Hirt - Maryam Tahon


„Saisonstart mit Tosca“

(Dominik Troger)

„Scarpia hier, Scarpia da“ – ganz Österreich sucht einen Bösewicht: Ludovic Tézier, Scarpia der Salzburger-Festspiel-„Tosca“, ist nach Graz jetzt auch in Wien in dieser Partie eingesprungen. Der Sänger gab damit sein Staatsopern-Rollendebüt. Die Umbesetzung kam nach der Absage von Erwin Schrott zu Stande.

Erwin Schrott hat den Scarpia bereits zwei Mal an der Staatsoper gesungen und einen bühnenwirksamen, raustimmigen „Macho“ mit „Entertainer“-Qualitäten auf die Bühne gestellt. Der Scarpia von Ludovic Tézier hingegen, der mit fast manieristisch anmutenden Handbewegungen den Folterknechten den Einsatz gab, war ein kunstsinniger Bösewicht mit „wohlerzogener“ Fassade – ein Mann von Adel, den unzüchtige Gelüste treiben, die er aber lange hinter spielerischem Zynismus zu verbergen weiß.

Er lauschte dem „Vissi d’arte“ mit Genuss und ohne Ungeduld, schien sich an Toscas Gesang ebenso zu laben und erotisch zu ergötzen wie an ihrem ausschweifenden Dekolleté. Das „Lebensbekenntnis“ Scarpias am Beginn des zweiten Aktes, mit dem er jagogleich sein Innerstes dem Publikum preisgibt, riss allerdings keine seelischen Abgründe auf. Stimmlich bot Tézier die überzeugendste Leistung des Abends, ganz ohne einen Einspringer-Bonus bemühen zu müssen. Was seinem edlem Bariton an Brutalität und Härte fehlt, hat der Sänger durch ein sinnvolles Rollenkonzept wieder wett gemacht.

Die von Scarpia heiß begehrte Tosca wurde an diesem Eröffnungsabend von Carmen Giannattasio gesungen. Sie gab ebenso wie Tézier und Fabio Sartori ihr Wiener Rollendebüt. Sie hat die Partie 2018 in San Francisco zum ersten Mal verkörpert. Giannattasios Rollenauffassung passte nicht in das historisierende Bühnenbild der Wiener Produktion und zum Schleppenkleid des zweites Aktes. Sie gab sich mehr als ein Geschöpf der „Fashion“-Welt unseres Jahrhunderts, jung, selbstbewust, ein wenig verspielt, ähnlich einer jener weiblichen Popikonen, die mit grellen Gewändern, glitzernden Lidschatten und trippelnden Schritten über die Bühne laufen, um ihre Fangemeinde zu entzücken. Das Pathos und der Heroismus des 19. Jahrhunderts waren ihre Sache nicht.

Ihre Tosca punktete mit herzlicher Liebe und Verlustschmerz, sie bot nicht das raumgreifende Auftreten einer Primadonna. Auch die Stimme erwies sich nicht als „Primadonnenstimme“. Aber das Sopranmetall zeigte sich noch weitgehend gezähmt, wenn auch nicht ganz ohne Schwankung, und es kräftigte ausreichend Toscas Charakter. Das „Vissi d’arte“ wurde zum angemessen Ausdruck der emotionalen Erschütterung. Giannattasio wusste im Ausdruck zu differenzieren und bemühte sich im ersten Akt redlich und kokett um ihren Maler.

Aber Fabio Sartori war ein schwer zu entflammender Liebhaber. Schwerfällig manövrierte er durch den Abend – gesanglich und darstellerisch. Sein behäbiger Tenor lebte nur in der Attacke auf – das „Vittoria“ gelang eindrucksvoll, protzte mit seiner satten Kraftentfaltung – aber insgesamt hinterließ er bei mir einen sehr mediokren Eindruck. Da ergriffen einige Nebenrollen stärker die Initiative: Der Mesner von Wolfgang Bankl ist längst zur Persönlichkeit gereift und Clemens Unterreiner sang einen einsatzfreudigen Angelotti.

Das Orchester unter Axel Kober kam erst im Laufe des ersten Aktes in Schwung, und sorgte dann für eine etwas knallige, aber in Summe nicht unspannende Aufführung. Und wer in den beiden Pausen die Muße hatte, den linden Spätsommerabend auf der Terrasse zu genießen, ließ sich gern davon überzeugen, nicht jedes Detail dieser Aufführung auf die Waagschale zu legen.

Wobei, diese Anmerkung muss noch sein: Tosca lief viel zu früh zur Treppe, die ihr den Weg zu ihrem Todessprung weist. Von den Häschern war noch keine Haarspitze zu sehen, als sie schon die Flucht ergriff. Eine Nachschärfung dieser Szene wäre wünschenswert. Denn das Finale ist szenisch genial konzipiert. Tosca muss den Atem von Scarpias Mannen im Nacken spüren, dann schleudert sie ihnen ihren Umhang entgegen, der erste Verfolger verheddert sich, und sie nützt die knapp gewonnene Zeitspanne, um die Treppe hinaufzueilen und in die Tiefe zu springen. Dieses Finale ist auf Zehntelsekunden berechnet und muss das Publikum ganz atemlos machen!

Die Stehplätze sind nach wie vor bestuhlt. Verkauft werden laut Staatsopern-Homepage derzeit alle aufgestellten 169 Plätze – ausverkauft dürften sie an diesem Abend aber nicht gewesen sein. Weil derzeit alle Sitzplätze in den Verkauf kommen, sollte man kurze Wartezeiten beim Einlass einkalkulieren, schließlich sind die Karten nach wie vor personalisiert und es werden der Impf- bzw. Teststatus samt Eintrittskarte und Ausweis kontrolliert. Eine Viertelstunde vor Vorstellungsbeginn bildete sich kurzzeitig eine lange Schlange beim Eingang auf der Seite der Kärntnerstraße. Der Andrang wurde dann aber rasch umverteilt und abgearbeitet. Der Applaus war kräftig, mehr dankbar als enthusiastisch, und mit sechs bis sieben Minuten eher kurz. Er war nach fünf Minuten schon weitgehend verebbt, frischte dann unvermutet wieder auf, was die Solisten noch einmal vor den Vorhang holte.