TOSCA

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Staatsoper
13. Dezember 2020
Livestream übertragen auf play.wiener-staatsoper.at

Dirigent: Bertrand de Billy

Floria Tosca - Anna Netrebko
Mario Cavaradossi - Yusif Eyvazov
Scarpia - Wolfgang Koch
Cesare Angelotti - Evgeny Solodovnikov
Der Mesner - Wolfgang Bankl
Spoletta - Andrea Giovannini
Sciarrone - Attila Mokus
Schließer - Mikhail Kazakov
Ein Hirt - Maryam Tahon


„Anna Netrebkos Wiener Tosca-Debüt“

(Dominik Troger)

Der Auftritt von Anna Netrebko als Tosca wäre einer der ganz großen Höhepunkte der Saison gewesen. Aber die aktuelle Gesundheitskrise hat ihn nur auf dem Bildschirm möglich gemacht: Die Aufführung wurde als Livestream über die Homepage der Wiener Staatsoper übertragen und zeitversetzt im TV gesendet.

Bei der audiovisuellen Vermittlung besteht prinzipiell die Gefahr, dass die optische Komponente den „Ton“ angibt. Die vielen Nahaufnahmen von Gesichtern, die vielen Bühnenausschnitte, schnell geht der Gesamteindruck verloren. Überrascht der stets gleiche Mienenspiel des Tenors? Schaut der Bariton zu wenig grimmig? Ahnt man im Lächeln der Diva einen unpassenden Anflug von Selbstironie? Selbst ein gutes Opernglas könnte mir die Zahnreihen der Sänger nicht so perlend vor die Augen führen, wie die unbestechlichen Objektive einer Kamera. Daran muss man sich erst gewöhnen.

Aber wenn Anna Netrebko die Bühne betritt, wenn ihre dunkelcremige Sopranstimme mit eiferssüchtiger Koketterie ihren Liebsten umgarnt, dann fügt sich schließlich eins ins andere, und man könnte fast vergessen, dass man zu Hause sitzt. Ihr üppiger Sopran ließ manch füllige Tiefe hören, manch nachgedunkelten, sicheren Spitzenton, das „Vissi d’arte“ malte sich mit breitem, burgunderrotem Pinselstrich mehr leidenschaftlich als herzrührend.

Diese Tosca war eine starke, „normale“, leidenschaftliche Frau, weder besonders divenhaft noch exaltiert. Sie vermochte es sogar, Scarpia ihren Willen abzuringen, ohne sich von ihm allzusehr in eine Opferrolle drängen zu lassen. Erst angesichts des toten Cavaradossi packte sie ein tiefe, schmerzlich empfundene Verzweiflung, die sie dann aber rasch in einen letzten Sieg ummünzte: nämlich den Häschern unter Preisgabe ihres Lebens zu entfliehen. (Aber Tosca sollte im Finale nicht auf ihren Mantel vergessen, sondern ihn, die Treppe aufwärtsstürmend, ihren Verfolgern vor die Füße schleudern.)

Anna Netrebko war der unumstrittene der Star dieses Abends, ihre Bühnenpartner blieben eher blass. Yusif Eyvazovs Cavaradossi schien mir an diesem Abend im Spiel zu unbeteiligt – es bestand nie die Gefahr, dass er seiner Tosca hätte die Show stehlen können. (Vor Ort hätte sich dieser Eindruck, durch die Totalität der Bühne gemildert, wahrscheinlich nicht so deutlich in den Vordergrund gedrängt wie im Fokus der Kamera.) Sein Tenor verfügte über wirkungsvolle Spitzentöne, das metallisch-spröde Timbre war hingegen mehr für den Kämpfer und weniger für den amorös-schwelgenden Liebhaber geeignet.

Wolfgang Koch gab keinen Scarpia, über den man hätte einen „Roman“ schreiben könnte – so wie zum Beispiel über das Rollenporträt von Bryn Terfel. Koch blieb letztlich zu reserviert, zu sehr auf gute Manieren bedacht: ein Scarpia mit einem Schuss Naivität, die sich bei der Erzwingung lustvoller Eskapaden auf den hierarchischen Status verlässt und das damit verbundene Machtpotential. Es war aber auch ein Scarpia mit an Wagner geschulter Stimme, kräftig, in den Zwischentönen etwas eindimensional, als Figur insgesamt zu geradlinig.

Wolfgang Bankl formte aus dem Mesner einen gar nicht mehr so komischen Charakter subalternen Menschentums. Der Angelotti von Evgeny Solodovnikov überraschte mit einer, der Partie fast schon heroische Töne abringenden Stimme. Bertrand de Billy und das Staatsopernorchester setzten auf eine klare, dramatisch angeschärfte Umsetzung der Partitur. Die Inszenierung von Margarete Wallmann ist 62 Jahre alt und von zeitloser Grandezza. Den Weihrauch zum Te deum musste man sich an diesem Abend aber selbst anzünden. Der Stream funktionierte bis auf zwei, drei kurze „Ruckler“ problemlos.

Beim Schlussvorhang wurde von der Regie ausgeblendet – da hat man sich als Zuschauer sehnlichst in die Staatsoper gewünscht, um zu applaudieren. Aber derzeit gehen solche Wünsche leider nicht in Erfüllung.