TOSCA

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Staatsoper
17. Februar 2019

Dirigent: Marco Armiliato

Floria Tosca - Sondra Radvanovsky
Mario Cavaradossi - Piotr Beczala
Scarpia - Thomas Hampson
Cesare Angelotti - Ryan Speedo Green
Der Mesner - Alexandru Moisiuc
Spoletta - Benedikt Kobel
Sciarrone - Igor Onishchenko
Schließer - Ayk Martirossian
Ein Hirt - Ein
Kind der Opernschule der Wiener Staatsoper


„Sehens- und hörenswerte Tosca“

(Dominik Troger)

Im Schatten der enttäuschenden Premiere von „Lucia di Lammermoor“ gingen vier sehens- und hörenswerte „Tosca“-Vorstellungen über die Staatsopernbühne. Nachfolgendem Bericht liegen die Aufführungen vom 10. und 17. Februar 2019 zugrunde.

Es waren vier Abende, die einen ein wenig an die „gute, alte Opernzeit“ erinnert haben: starke Sängerpersönlichkeiten, große Stimmen mit Format (auch wenn sich nicht mehr alle in ihrer „Prime Time“ befunden haben), keine die Handlung störenden inszenatorischen Ablenkungsmanöver.

Sondra Radvanovsky ist nicht sehr oft in Wien aufgetreten, mit dieser „Tosca“-Serie gab sie ihr Wiener Rollendebüt. Radvanovsky besitzt eine große Stimme, expressiv, nicht immer klangschön, die sie aber nach wie vor sehr gut im Griff hat. Ihr Sopran hatte genug Kraft, aber auch Tiefe, um die Puccini'schen Emotionen voll auszuleben, und Tosca einen geerdet wirkenden, liebenswürdigen Anstrich zu verleihen, der im Einklang mit dem sympathisch zurückhaltenden und um Tosca besorgten Cavaradossi des Piotr Beczala so eine Art von „junger Liebe“ auf die Bühne zauberte. Die emphatischen Schluchzer passten zu dieser Tosca, die im Liebesglück getroffen und mit ihrem Schicksal hadernd, jenes Opern-Pathos auch zu leben und zu gestalten vermochte, dass einem heute so oft auf der Bühne abgeht.

Die Attacke auf Scarpia fasste sie mit Plan ins Auge, das Messer ward ihr auf dem Esstischchen kein „zufälliger“ Fund und ihr Zustechen keine „hysterische“ Notwehr. Im dritten Akt stellte sich noch einmal kurz das Liebesglück ein, die naive Hoffnung zu zweit jede Hürde – und sei sie noch so groß – überwinden zu können. Diesem Paar hätte man zugetraut, nach Jahrzehnten trauter Gemeinsamkeit die Goldene Hochzeit zu feiern. Das hat ihm eine menschliche Note verliehen, die gewissermaßen über das Theater hinausreichte.

Piotr Beczala sang in dieser Aufführungsserie seinen ersten Cavaradossi, er wiederholte die „Sternenarie“ in den Aufführungen zwei, drei und vier. Sein Tenor gab den in Tosca verliebten Maler kultiviert und überzeugte mit einem schlanken, leicht dunkelmetallischem Squillo bei den Spitzentönen und den „Vittoria“-Rufen. In der „Sternenarie“ spannte er den Bogen vom nachdenklichen Beginn bis zum Finale mit bruchloser Eleganz – und seine Stimme schmiegte sich dabei in die Puccini'sche Gefühlsaufwallung mit der unübertriebenen Ehrlichkeit einer Liebe, deren Schicksal angesichts des nahenden Todes besiegelt ist. Bei der Exekution wirkte er zuerst wie überrascht, plötzlich das Kugelblei in seiner Brust zu fühlen, wandte sich dann mit einer Abschiedsgeste noch seitlich zu Tosca – ehe er zusammenbrach.

Der Scarpia von Thomas Hampson zerstörte dieses Glück der beiden mit der Blasiertheit eines Edelmanns, der seine Triebe mehr nach Gelegenheit befriedigt und sich dabei ganz gut im Griff hat: ein kühler, fast rational agierender Lüstling. Hampson hat vor fünf Jahren seinen ersten Wiener Scarpia gesungen – und war stimmlich dieses Mal besser disponiert als damals. Der Adel seines Organs ist unverkennbar erhalten geblieben, auch wenn die Stimme insgesamt nicht mehr so nahtlos strömte wie in früheren Jahren und man die „Problemzonen“ (fehlendes Volumen und Tiefe) schon heraushörte. Der zweite Aufzug gelang intensiv, die Spannung ging unter die Haut, gekrönt von Toscas „Vissi d'arte“. Die Rollen der übrigen Mitwirkenden sind zum Glück nicht so groß, dass man ihnen angesichts des genannten Trios besondere Aufmerksamkeit hätte zuwenden müssen – sie wurde aber auch nicht seitens der Bühne eingefordert.

Unterstützt wurden die Protagonisten von Marco Armiliato am Pult und von einem Orchester, das dem Format dieser Bühnenpersönlichkeiten angemessen schwelgerisch aufspielte. Armiliato versteht es ohnehin meist, mit den Sängerinnen und Sängerin mitzuatmen und das richtige „Timing“ im Spannungsaufbau zu finden. Der Schlussapplaus für die letzte der vier Vorstellungen (der 609. Aufführung der „Wallmann-Tosca“) dauerte um die zwölf Minuten lang. Es gab Blumenwürfe für die drei Protagonisten und den Dirigenten.

PS: Noch ein paar szenische Details: In der zweiten Vorstellung stieß Piotr Beczala im ersten Akt rücklings an dem Weihwasserbrunnen mit der Madonnenstatue, die gleich gefährlich zu wanken begann, aber seiner Stimme hat das zum Glück nicht geschadet. In der letzten Vorstellung kam der sterbende Scarpia viel zu nahe beim Esstischen zu liegen, und im Finale vergaß Tosca in der Hitze des Gefechtes, den Umhang wieder an sich zu nehmen und als Wurfgegenstand zu benützen. Radvanovskys seitlich-rückwärts angesetzter Sprung war das Tüpfelchen auf dem „i“. Von der Galerie Seite Rechts sieht man zum Glück, dass sie weich und nicht tief fällt - das beruhigt.